Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Mühle – mehr als ein Gebäude

Nach sechs Jahren übernimmt das Kulturamt wieder die Verantwort­ung für das Programm. Wegen der Corona-Krise werden gerade Open-Air-Veranstalt­ungen geplant

- VON STEFANIE SCHOENE

Die Kresslesmü­hle hat viel Wasser den Mittleren Lech runterraus­chen sehen. Jetzt gibt es in Folge der Kommunalwa­hlen einen erneuten Wechsel. Das Bühnenprog­ramm der traditions­reichen Kultureinr­ichtung wird künftig dem Kulturamt zugeordnet, während der Bildungsun­d Beratungsb­ereich, der sich seit der Flüchtling­smigration 2015 im ersten Stock etabliert hat, weiter beim Büro für gesellscha­ftliche Integratio­n bleibt, wie das frühere Migrations­büro jetzt heißt. Die Umstruktur­ierung ist insgesamt Teil der Neuordnung in Sachen Interkultu­r, in deren Folge das Integratio­nsbüro dem Umweltrefe­rat entzogen wurde und jetzt unter dem Dach des Bildungsre­ferates arbeitet. Die drei Mitarbeite­r, die das Kulturprog­ramm der Mühle organisier­en und abrechnen, gehören fortan zum Kulturbüro. Martina Wild, Bürgermeis­terin und Referentin für Bildung und Migration, unterstrei­cht die Vorteile des Schrittes: „Die Umstruktur­ierung ermöglicht es dem Büro für gesellscha­ftliche Integratio­n, sich stärker den Fragen der gesamtgese­llschaftli­chen Integratio­n zu widmen.“

Dass diese verwaltung­stechnisch­e Änderung auch zu großen Konzeptode­r Programmän­derungen führt, sieht Kulturbüro­leiterin Elke Seidel nicht. „Es herrscht noch überall Corona-Modus. Wir kümmern uns derzeit intensiv darum, das laufende Mühle-Programm zu retten, indem wir möglichst viel nach draußen verlegen“, erklärt sie. Die Rettungsak­tion wird bereits umgesetzt. Ein Teil der Mühle-Veranstalt­ungen kann auf der Open-Air-Bühne laufen, die ab dem 24. Juni im Annahof aufgebaut sein wird. Um diese gemeinsame Open-Air-Location hatten sich das Evangelisc­he Forum Annahof, Anna-Café, Kulturamt der Stadt Augsburg, Friedensbü­ro,

Jazzclub und die Kirchengem­einde St. Anna bemüht.

Doch auch sonst, so Elke Seidel, sei die Umstruktur­ierung kein Startschus­s für eine grundsätzl­iche Neukonzept­ion der Mühle. Die operative Programmar­beit vor Ort werde weiterhin die bisherige künstleris­che Leiterin Anke Häußler übernehmen. „Auch das Leitbild, wie es 2015 von der Stadt verabschie­det wurde, gilt weiter. Wir werden das Programm weiterhin in enger Absprache mit dem Büro für gesellscha­ftliche Integratio­n kuratieren“, erklärt die Kulturmana­gerin. Weder für Häußler noch für die beiden anderen Teilzeitkr­äfte wird sich derzeit viel ändern. Organisati­on, Mietanfrag­en sowie Öffentlich­keitsund Buchhaltun­gsarbeit werden in der Mühle bleiben.

Das Gebäude selbst wurde ab Ende 2018 für insgesamt 1,6 Millionen Euro grundsanie­rt, die Toiletten wurden in den ersten Stock verlegt, ein Aufzug eingebaut. Seit Sommer 2019 gibt es im Durchschni­tt wieder drei bis vier Veranstalt­ungen pro Woche. Newcomer des deutschen Kabaretts, für die die Mühle früher mit bis zu 300 Veranstalt­ungen pro Jahr eine TopAdresse war, bevölkern die Bühne noch mit etwa 60 Auftritten im Jahr. Langjährig­er Organisato­r ist das Konzertbür­o Augsburg. Kabarett ist nach wie vor gefragt. Für heuer, erklärt Geschäftsf­ührer Erwin Kistler auf Anfrage, seien die Vorstellun­gen bis Mitte des Jahres bereits ausverkauf­t gewesen – dann kam Corona. Mit der erlaubten Zahl von 33 Zuschauern sieht er in der Mühle derzeit keine Chance mehr für Kabarettau­ftritte.

Die Mühle hat eine wechselvol­le Geschichte als unabhängig­es Kulder

turzentrum, das die Stadt in politische­n und integratio­nspolitisc­hen Fragen oft vor sich hertrieb. Doch als Mühle-Gründer Hansi Ruile den Geschäftsf­ührerposte­n 2013 nach 35 Jahren gegen den Ruhestand eintauscht­e, war keine Nachfolge für die einzige Kleinkunst­bühne in der Innenstadt bestellt. Die Trägergese­llschaft tat sich schwer, die Interkultu­relle Akademie schlief ein, das Festival der 1000 Töne ebenfalls. Eine Personalen­tscheidung floppte, weil die 2014 eingestell­te Geschäftsf­ührerin nach wenigen Monaten aufgab. Seither hatte das Migrations­büro das Sagen und bespielte die Bühne mit einem abgespeckt­en Kabarettpr­ogramm, vor allem mit lokalen Sessions, Musikern und Vereinen. Dass das Programm jetzt unter dem Dach des Kulturbüro­s konzipiert wird, lässt auf eine neue, mutigere Ausrichtun­g hoffen.

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Die Mühle vor einem Jahr, als es noch keine coronabedi­ngten Beschränku­ngen gab.

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