Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Synlab muss Millionen-Bußgeld zahlen
Jahrelange Betrugsermittlungen enden für Verantwortliche des Laborriesen aus Augsburg glimpflich. Doch das Unternehmen muss viel Geld auf den Tisch legen – und weiterer juristischer Ärger droht
Laborbetreiber stehen im Normalfall nicht unbedingt groß im Licht der Öffentlichkeit. In der Branche wird viel Geld verdient, die Firmen sind teils auch wichtige Arbeitgeber in den Städten, was speziell für Augsburg gilt, wo gleich zwei der Branchengrößen ihren Sitz haben. Doch viele Menschen dürften von Synlab und Labor Augsburg MVZ bislang nur wenig gehört haben, auch wenn die Arbeit der Großlabore zuletzt durchaus im Fokus stand. In ihnen werden nämlich enorme Mengen Corona-Tests durchgeführt, alleine bei Synlab sind es deutschlandweit nach eigenen Angaben derzeit 10000 pro Tag. Nun ist der Labordiagnostik-Konzern erneut im Blickpunkt, allerdings aus anderem Grund: Er hatte Ärger mit der Justiz.
Die Staatsanwaltschaft München ermittelte seit März 2017 gegen Verantwortliche des Konzerns, der weltweit mehr als 20000 Mitarbeiter beschäftigt. In Augsburg, wo die zentrale Holdinggesellschaft ihren Sitz hat, arbeiten 400 Menschen für Synlab. Es war ein komplexes Wirtschaftsstrafverfahren, in dem es um den Verdacht ging, dass die Augsburger „Synlab Holding Deutschland GmbH“an externe Fremdlabore weitergeleitete Aufträge zu Unrecht als Eigenleistungen abgerechnet haben soll. Die Ermittlungen drehten sich um Vorgänge, die schon einige Jahre zurücklagen, sie spielten im Jahr 2012. Nun ist das Ermittlungsverfahren abgeschlossen – mit einem eher glimpflichen Ergebnis für den Konzern. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen die Beschuldigten zwischenzeitlich eingestellt.
Wie die Ermittlungsbehörde auf Anfrage mitteilt, sei das Verfahren gegen einen früheren Geschäftsführer der Firma „nunmehr nach einer Zahlung im sechsstelligen Bereich zugunsten gemeinnütziger Organisationen“eingestellt worden. Gegen weitere Verantwortliche des Konzerns wurden die Ermittlungen ohne eine Geldauflage eingestellt. Sie hatten den Angaben zufolge erst zu einem Zeitpunkt Geschäftsführerposten im Synlab-Konzern inne, als der Laborriese die Abrechnungen bereits rechtlich weitgehend korrekt handhabte.
Von einem Synlab-Sprecher heißt es auf Anfrage, man weise „darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft fahrlässiges Verhalten in Bezug auf die Unterlassung von Überwachungspflichten feststellte, jedoch kein vorsätzliches Verhalten erkannte“. Die „ungenügenden Kennzeichnungen auf den Patientenrechnungen seien durch „Schwierigkeiten bei der Umstellung der IT-Systeme“verursacht worden. Auch die Münchner Staatsanwaltschaft spricht auf Anfrage von „technischen Problemen bei der Erfassung der Fremdlaborrechnungen in der EDV“. Die Ermittlungen seien unter anderem eingestellt worden, weil der Verstoß selbst mittlerweile viele Jahre zurückliege und nur ein formaler Schaden verursacht worden sei, die abgerechneten Leistungen also tatsächlich erbracht wurden. Der frühere Geschäftsführer habe sich zudem bereit erklärt, die Verantwortung für Unregelmäßigkeiten in seinem Unternehmen zu übernehmen und aktiv an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Auch sei der Umsatzanteil von Synlab mit Fremdlaborleistungen, gemessen am Gesamtumsatz, gering.
Allerdings ist das Ermittlungsverfahren für Synlab insgesamt eine teure Angelegenheit, denn die Staatsanwaltschaft hat nicht nur das Verfahren gegen die Führungskräfte eingestellt, sondern auch ein Bußgeld in Höhe von 1,7 Millionen Euro gegen das Augsburger Laborunternehmen verhängt, „wegen einer
Ordnungswidrigkeit in Form einer Daueraufsichtspflichtverletzung“, wie es heißt. Auch ab 2013 sei es, wenn auch nur noch in deutlich reduziertem Umfang, zu fehlerhaften Abrechnungen gegenüber Privatpatienten gekommen. Eine hohe Summe, die der Laborriese, der 2015 von der Beteiligungsgesellschaft Cinven erworben wurde, dennoch gut verkraften dürfte: Die SynlabGruppe hatte zuletzt einen Jahresumsatz von etwa zwei Milliarden Euro.
Gänzlich ausgestanden ist der juristische Ärger für Synlab mit der Einstellung des Münchener Verfahrens nicht. Auch die Augsburger Staatsanwaltschaft führt seit 2016 ein Verfahren gegen Verantwortliche des Konzerns; es geht um den Verdacht von hinterzogenen Sozialabgaben, Kurierfahrer sollen als Scheinselbstständige beschäftigt worden sein. Abgeschlossen sind die Ermittlungen noch nicht. Die Vorwürfe ähneln jenen einer Anklage gegen den Laborarzt Bernd Schottdorf, der im April 2018 gestorben ist. Der Prozess gegen die Ex-Frau des verstorbenen Mediziners soll noch stattfinden, wurde zuletzt aber mehrfach verschoben. Ein neuer Termin steht noch nicht fest. Das frühere Labor Schottdorf firmiert heute unter dem Namen Labor Augsburg MVZ und gehört zu einem australischen Medizinkonzern.