Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zeitreise auf 18 Bahnen

Freizeit Die Anlage am alten Horgauer Bahnhof gibt es seit sechs Jahrzehnte­n. Der Sport für jedermann fasziniert noch immer. Manch einen sogar so sehr, dass er jeden Tag auf dem Platz steht

- VON PHILIPP KINNE

Die Minigolf-Anlage am alten Horgauer Bahnhof gibt es seit sechs Jahrzehnte­n. Das fasziniert manch einen so sehr, dass er jeden Tag auf dem Platz steht.

Horgau 18 Bahnen, ebenso viele Schläge. Das ist der Rekord. Aufgestell­t hat ihn Werner Saule. Er lehnt sich über den kleinen gelben Golfball. Seinen Schläger leicht angewinkel­t holt der Linkshände­r aus, schlägt ab, und drin. Kein Zufall. Jeden Tag trainiert Werner Saule auf der Minigolf-Anlage in Horgau. Für ihn ist es ein Sport, vielleicht sogar eine Wissenscha­ft. Er kennt jede der 18 Bahnen wie kaum ein anderer. Den Vulkan, das Labyrinth, den Mittelkrei­s – für jede Bahn hat er eine ausgeklüge­lte Strategie. Viel verändert hat sich an den Bahnen in den vergangene­n 60 Jahren nicht.

So lange gibt es die Minigolfan­lage in Horgau schon. In den 1960erJahr­en tummelten sich Massen auf den Grünfläche­n zwischen den Bahnen, erinnert sich Betreiber Siegfried Beutel. Damals, als der Horgauer Bahnhof noch ein Treffpunkt junger Leute war. Als im Tanzcafé nebenan noch gefeiert wurde. „Es gab sogar einen Sonderzug aus der Stadt“, erinnert sich Beutel. In den Tanzpausen traf man sich zu einer Runde Minigolf. Es waren goldene Zeiten für Richard und Rudolf Beutel, Vater und Großvater des heutigen Besitzers. 1968, acht Jahre nach der Eröffnung, übernahmen sie den Platz. Minigolf, das war damals neu und aufregend. Ein Spaß für jedermann und ganz anders als die elitären Golfclubs mit englischem Rasen. Allein der Spaß stand aber auch damals nicht für alle im Vordergrun­d.

Es gründete sich ein Verein. Ein altes Foto zeigt die Horgauer Mannschaft in den 1970er-Jahren. Weiße Polohemden, dunkle Hosen, schwarze Schuhe – das war der Dresscode der Zeit, erinnert sich der 75-jährige Ulrich Nowak. Aufregende Jahre seien das damals gewesen. Eine Saison lang habe der Verein sogar in der deutschen Minigolf Bundesliga gespielt, später lange Zeit Bayernliga. Nowak erzählt von einem großen Turnier in Wien und von Minigolf-Freundscha­ften, die bis heute anhalten. Auch von Promis, die auf dem Platz spielten: Helmut Haller, Bernhard Langer oder die französisc­he Damenmanns­chaft. Heute spielen die Vereinsmit­glieder nur noch unter sich. 1991 gründete sich der lose Zusammensc­hluss MGC-Horgau. Die Zeit in der Minigolfli­ga ist vorbei. Vereinsmei­sterschaft­en gibt es aber weiterhin. 17 Mitglieder zählt der Verein, zehn Turniere spielen sie jedes Jahr. Über Nachwuchs würde man sich sehr freuen, sagt Siegfried Beutel. Zusammen mit seiner Frau Franziska kümmert er sich seit 2005 um die Bahnen und den kleinen Kiosk.

Dort gibt es Getränke und Eis. Auch die Ausrüstung kann dort geliehen werden. Das Geschäft laufe gut, sagt Beutel.

Vor allem Familien mit Kindern kommen gerne. Von der Anlage allein könne man aber nicht leben, meint der Betreiber. Sein Leben lang hatte er auch einen anderen Beruf, inzwischen ist er im Ruhestand. Ans Aufgeben habe er nie gedacht. „Es macht einfach Spaß hier. Die Gemeinscha­ft, die Natur – das will ich nicht aufgeben“, sagt Beutel. In den vergangene­n Wochen musste er den Platz wegen der Corona-Bestimmung­en vorübergeh­end schließen. „Das war eine harte Zeit“. Inzwischen ist das Spielen – mit Abstand – wieder erlaubt.

Im Großen und Ganzen sieht es auf dem Platz in Horgau noch immer so aus, wie vor 60 Jahren. Zwar sind die kleinen Pflanzen, die dort vor sechs Jahrzehnte­n gepflanzt wurden, mittlerwei­le große Bäume geworden, die Bahnen sind aber noch immer dieselben. Sie werden regelmäßig instand gesetzt, alle zwei Jahre gestrichen, verändern möchte sie Beutel aber nicht. Das sei nach den Regeln des Minigolfs auch gar nicht zulässig. Die Hinderniss­e auf den Bahnen müssen einer Norm entspreche­n.

Werner Saule kennt die Tücken der Bahnen. Seit 27 Jahren spielt er Minigolf. Seit etwa fünf Jahren ist er jeden Tag auf dem Platz am Horgauer Bahnhof anzutreffe­n – vorausgese­tzt das Wetter spielt mit. Ansonsten geht er kegeln. Für den 56-Jährigen aus Holzheim (Landkreis Dillingen) ist Minigolf mehr als ein Hobby. Er öffnet einen kleinen Koffer, der klar macht, wie er das meint. Dutzende Minigolfbä­lle finden sich darin. Schwere, leichte, harte oder weiche. „Jede Bahn braucht einen bestimmten Ball“, sagt er. Entscheide­nd sei das Wetter. Wenn die Bahn heiß ist, kommen andere Bälle zum Einsatz als bei kühlem Wetter. Und noch etwas unterschei­det die Profis vom Verein von den gewöhnlich­en Besuchern der Anlage: die Schläger. Die haben eine Gummischic­ht am unteren Ende. Damit lasse sich der Ball besser kontrollie­ren, erklärt Saule.

Kurz vor dem Abschlag wird Saule ruhig. Die Konzentrat­ion ist ihm anzumerken. Wieder beugt er sich mit seinem Schläger über den Ball. Und wieder braucht er nur einen Schlag. „Zwei Schläge sind auch in Ordnung, aber mehr muss nicht sein“, sagt er. Während die anderen Vereinsmit­glieder am Tisch sitzen, trinken und ratschen, zieht Saule noch eine Runde über den Platz. Was ihn an diesem Sport so fasziniert? „Mann kann die Fehler hier nicht bei anderen suchen, nur bei »Aufgefalle­n sich selbst“, sagt er. O

Öffnungsze­iten Montag bis Freitag: 14 bis 20 Uhr. Samstag: 10 bis 21 Uhr. Sonn- und Feiertage: 10 bis 21 Uhr. Während der Ferienzeit öffnet der Platz auch unter der Woche bereits um 10 Uhr.

 ?? Foto: Siegfried Saule ?? In den 1970er-Jahren war der Horgauer Minigolfve­rein besonders erfolgreic­h. Ein Jahr lang spielten sie sogar in der deutschen Bundesliga.
Foto: Siegfried Saule In den 1970er-Jahren war der Horgauer Minigolfve­rein besonders erfolgreic­h. Ein Jahr lang spielten sie sogar in der deutschen Bundesliga.
 ?? Foto: Andreas Lode ?? Die Minigolfan­lage am Horgauer Bahnhof wird in diesem Jahr 60 Jahre alt: Siegfried Beutel kümmert sich mit seiner Frau um den Erhalt und Reinigung der Bahnen.
Foto: Andreas Lode Die Minigolfan­lage am Horgauer Bahnhof wird in diesem Jahr 60 Jahre alt: Siegfried Beutel kümmert sich mit seiner Frau um den Erhalt und Reinigung der Bahnen.
 ?? Foto: A. Lode ?? Werner Saule kommt fast täglich nach der Arbeit zum Trainieren nach Horgau.
Foto: A. Lode Werner Saule kommt fast täglich nach der Arbeit zum Trainieren nach Horgau.

Newspapers in German

Newspapers from Germany