Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zeitreise auf 18 Bahnen
Freizeit Die Anlage am alten Horgauer Bahnhof gibt es seit sechs Jahrzehnten. Der Sport für jedermann fasziniert noch immer. Manch einen sogar so sehr, dass er jeden Tag auf dem Platz steht
Die Minigolf-Anlage am alten Horgauer Bahnhof gibt es seit sechs Jahrzehnten. Das fasziniert manch einen so sehr, dass er jeden Tag auf dem Platz steht.
Horgau 18 Bahnen, ebenso viele Schläge. Das ist der Rekord. Aufgestellt hat ihn Werner Saule. Er lehnt sich über den kleinen gelben Golfball. Seinen Schläger leicht angewinkelt holt der Linkshänder aus, schlägt ab, und drin. Kein Zufall. Jeden Tag trainiert Werner Saule auf der Minigolf-Anlage in Horgau. Für ihn ist es ein Sport, vielleicht sogar eine Wissenschaft. Er kennt jede der 18 Bahnen wie kaum ein anderer. Den Vulkan, das Labyrinth, den Mittelkreis – für jede Bahn hat er eine ausgeklügelte Strategie. Viel verändert hat sich an den Bahnen in den vergangenen 60 Jahren nicht.
So lange gibt es die Minigolfanlage in Horgau schon. In den 1960erJahren tummelten sich Massen auf den Grünflächen zwischen den Bahnen, erinnert sich Betreiber Siegfried Beutel. Damals, als der Horgauer Bahnhof noch ein Treffpunkt junger Leute war. Als im Tanzcafé nebenan noch gefeiert wurde. „Es gab sogar einen Sonderzug aus der Stadt“, erinnert sich Beutel. In den Tanzpausen traf man sich zu einer Runde Minigolf. Es waren goldene Zeiten für Richard und Rudolf Beutel, Vater und Großvater des heutigen Besitzers. 1968, acht Jahre nach der Eröffnung, übernahmen sie den Platz. Minigolf, das war damals neu und aufregend. Ein Spaß für jedermann und ganz anders als die elitären Golfclubs mit englischem Rasen. Allein der Spaß stand aber auch damals nicht für alle im Vordergrund.
Es gründete sich ein Verein. Ein altes Foto zeigt die Horgauer Mannschaft in den 1970er-Jahren. Weiße Polohemden, dunkle Hosen, schwarze Schuhe – das war der Dresscode der Zeit, erinnert sich der 75-jährige Ulrich Nowak. Aufregende Jahre seien das damals gewesen. Eine Saison lang habe der Verein sogar in der deutschen Minigolf Bundesliga gespielt, später lange Zeit Bayernliga. Nowak erzählt von einem großen Turnier in Wien und von Minigolf-Freundschaften, die bis heute anhalten. Auch von Promis, die auf dem Platz spielten: Helmut Haller, Bernhard Langer oder die französische Damenmannschaft. Heute spielen die Vereinsmitglieder nur noch unter sich. 1991 gründete sich der lose Zusammenschluss MGC-Horgau. Die Zeit in der Minigolfliga ist vorbei. Vereinsmeisterschaften gibt es aber weiterhin. 17 Mitglieder zählt der Verein, zehn Turniere spielen sie jedes Jahr. Über Nachwuchs würde man sich sehr freuen, sagt Siegfried Beutel. Zusammen mit seiner Frau Franziska kümmert er sich seit 2005 um die Bahnen und den kleinen Kiosk.
Dort gibt es Getränke und Eis. Auch die Ausrüstung kann dort geliehen werden. Das Geschäft laufe gut, sagt Beutel.
Vor allem Familien mit Kindern kommen gerne. Von der Anlage allein könne man aber nicht leben, meint der Betreiber. Sein Leben lang hatte er auch einen anderen Beruf, inzwischen ist er im Ruhestand. Ans Aufgeben habe er nie gedacht. „Es macht einfach Spaß hier. Die Gemeinschaft, die Natur – das will ich nicht aufgeben“, sagt Beutel. In den vergangenen Wochen musste er den Platz wegen der Corona-Bestimmungen vorübergehend schließen. „Das war eine harte Zeit“. Inzwischen ist das Spielen – mit Abstand – wieder erlaubt.
Im Großen und Ganzen sieht es auf dem Platz in Horgau noch immer so aus, wie vor 60 Jahren. Zwar sind die kleinen Pflanzen, die dort vor sechs Jahrzehnten gepflanzt wurden, mittlerweile große Bäume geworden, die Bahnen sind aber noch immer dieselben. Sie werden regelmäßig instand gesetzt, alle zwei Jahre gestrichen, verändern möchte sie Beutel aber nicht. Das sei nach den Regeln des Minigolfs auch gar nicht zulässig. Die Hindernisse auf den Bahnen müssen einer Norm entsprechen.
Werner Saule kennt die Tücken der Bahnen. Seit 27 Jahren spielt er Minigolf. Seit etwa fünf Jahren ist er jeden Tag auf dem Platz am Horgauer Bahnhof anzutreffen – vorausgesetzt das Wetter spielt mit. Ansonsten geht er kegeln. Für den 56-Jährigen aus Holzheim (Landkreis Dillingen) ist Minigolf mehr als ein Hobby. Er öffnet einen kleinen Koffer, der klar macht, wie er das meint. Dutzende Minigolfbälle finden sich darin. Schwere, leichte, harte oder weiche. „Jede Bahn braucht einen bestimmten Ball“, sagt er. Entscheidend sei das Wetter. Wenn die Bahn heiß ist, kommen andere Bälle zum Einsatz als bei kühlem Wetter. Und noch etwas unterscheidet die Profis vom Verein von den gewöhnlichen Besuchern der Anlage: die Schläger. Die haben eine Gummischicht am unteren Ende. Damit lasse sich der Ball besser kontrollieren, erklärt Saule.
Kurz vor dem Abschlag wird Saule ruhig. Die Konzentration ist ihm anzumerken. Wieder beugt er sich mit seinem Schläger über den Ball. Und wieder braucht er nur einen Schlag. „Zwei Schläge sind auch in Ordnung, aber mehr muss nicht sein“, sagt er. Während die anderen Vereinsmitglieder am Tisch sitzen, trinken und ratschen, zieht Saule noch eine Runde über den Platz. Was ihn an diesem Sport so fasziniert? „Mann kann die Fehler hier nicht bei anderen suchen, nur bei »Aufgefallen sich selbst“, sagt er. O
Öffnungszeiten Montag bis Freitag: 14 bis 20 Uhr. Samstag: 10 bis 21 Uhr. Sonn- und Feiertage: 10 bis 21 Uhr. Während der Ferienzeit öffnet der Platz auch unter der Woche bereits um 10 Uhr.