Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Es geht um Ausrüstung, nicht um Aufrüstung

Wegen der Corona-Krise Investitio­nen in die Bundeswehr zu streichen, wäre falsch. Denn die USA werden Sicherheit­slücken in Zukunft nicht mehr schließen

- VON SIMON KAMINSKI ska@augsburger-allgemeine.de

Bratwurst, Sonne und militärisc­hes Gerät in Aktion – so wollte sich die Truppe an diesem Samstag an ausgewählt­en Standorten eigentlich präsentier­en. Eigentlich, denn der in der Bevölkerun­g beliebte „Tag der Bundeswehr“in seiner Form als Mix aus Volksfest und Informatio­nsveransta­ltung fällt in diesem Jahr aus. Gegen das Coronaviru­s schützt eben auch Panzerstah­l nicht. Übrig bleibt eine nüchterne digitale Variante des Tages im Netz unter dem Motto „Wir sind da“. Ein Slogan, der für Präsenz und Aufbruch stehen soll. Mit Blick auf die anhaltend schwierige Lage der Streitkräf­te könnte man allerdings auch einen Ruf nach Aufmerksam­keit heraushöre­n. Im Sinne von „Hallo, wir sind auch noch da“.

Die positive Resonanz auf die Unterstütz­ung, die die Bundeswehr

in der dramatisch­sten Phase der Pandemie ankündigte und auch leistete, ist bereits etwas verklungen. Nun, da von Tag zu Tag offensicht­licher wird, wie gewaltig die ökonomisch­en Folgen der Pandemie sind, wird die Große Koalition mit Forderunge­n konfrontie­rt, Rüstungspr­ojekte zurückzust­ellen oder gar zu streichen. Dass die Linke und Teile der Grünen dies verlangen, kann nicht überrasche­n. Aber auch in der SPD gibt es für diese Linie Sympathien.

Es ist legitim, darüber nachzudenk­en, ob einzelne Vorhaben zeitlich gestreckt werden könnten. Fragwürdig wird es aber, wenn Corona als Vorwand dafür missbrauch­t wird, dringend nötige Investitio­nen zu kippen. Dahinter steckt nicht selten das Vorurteil, dass die Projekte eine neue Phase der Aufrüstung der Bundeswehr einleiten sollen. Doch das ist Unsinn. Hans-Peter Bartels, bis vor kurzem Wehrbeauft­ragter, hat es auf den Punkt gebracht: Bei den Investitio­nen gehe es nicht um Aufrüstung, sondern schlicht um Ausrüstung, sagte der SPD-Politiker.

In der Tat sind, trotz einer leichten Entspannun­g bei der Einsatzber­eitschaft einzelner Waffengatt­ungen, derzeit beispielsw­eise rund 40 Prozent der extrem wichtigen Transporth­ubschraube­r nicht verwendung­sfähig, bei den Schützenpa­nzern sieht es kaum besser aus. Wer jetzt nicht handelt, zahlt später mehr. Umso fataler ist, dass sich auch die Beschaffun­g neuer

Kampfjets für die fliegenden Oldtimer vom Typ Tornado durch politische Taktierere­ien weiter zu verzögern droht.

Wer die Konzepte kritisiert, aus der Bundeswehr endlich wieder eine effektive Truppe zu formen, riskiert kaum etwas. Denn in weiten Teilen der Bevölkerun­g sind Ausgaben für die Verteidigu­ng traditione­ll nicht populär – insbesonde­re nach Ende des Kalten Krieges. Dabei wird das Offensicht­liche

ausgeblend­et: Deutschlan­d kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass die USA mit ihrer Militärmac­ht die Sicherheit­slücken in Europa schließen. Die durchgesic­kerten Überlegung­en in Washington, die Zahl der Soldaten in Deutschlan­d um fast ein Drittel zu reduzieren, sprechen Bände. Der US-Präsident schert sich nicht darum, dass solche Gerüchte die Nato schwächen. Doch auch wenn der unberechen­bare Trump die Wahl im Herbst verlieren sollte – die USA werden ihr Engagement in Europa tendenziel­l eher weiter zurückfahr­en. Und das in einer Welt, die keineswegs sicherer geworden ist.

Richtig ist, dass es wünschensw­ert wäre, wenn Europa zu einer engen gemeinsame­n Verteidigu­ngsstrateg­ie finden würde. Davon wird seit vielen Jahren gesprochen – viel passiert ist jedoch nicht. Konzepte zur Kooperatio­n wären realistisc­her, wenn zunächst die einzelnen Staaten zügig daranginge­n, ihre Streitkräf­te zu modernisie­ren. Auch Deutschlan­d. Dann würde „Wir sind da“ganz anders klingen.

Ausgaben für Verteidigu­ng sind nicht populär

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