Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Indianer des Ostens

Gojko Mitic war in der DDR das, was Pierre Brice für den Westen war: Die ideale Verkörperu­ng eines Häuptlings. Warum ihn diese Rolle nicht losließ

- Josef Karg

Der Mann hat in seinem Leben schon so einiges auf die Beine gestellt: Als Regisseur, Stuntman, Autor, Moderator, ja sogar als Kameramann hat sich Gojko Mitic erprobt. Aber in Erinnerung geblieben ist er Millionen von ehemaligen DDR-Bürgern wohl als Häuptling der Indianer.

Dieses Festgelegt­sein auf mehr oder weniger eine Rolle war dem drahtigen Schauspiel­er, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, gar nicht so recht. Immer wieder versuchte er aus dem Schatten dieses übergroßen Images zu treten, was ihm aber nie so richtig gelang.

Irgendwann fand er sich einfach damit ab: „Einmal Indianer, immer Indianer. Das stimmt. Bis heute ist das so, dass man mich gerne erst mal so sehen möchte. Natürlich, ich habe versucht, immer aus dieser Schublade rauszuspri­ngen, auch die anderen Rollen gemacht und getan und mache immer noch. Aber Indianer bleiben, das ist auch okay. Ist nicht die schlechtes­te Schublade“, sagte Mitic vor Jahren.

Er war in der DDR das, was Pierre Brice im Westen war: die ideale Verkörperu­ng eines Häuptlings. Während der gebürtige Franzose Brice mit seinem bronzenen Teint und den fein geschnitte­nen hohen Wangenknoc­hen den sanften Typ der Fantasiefi­gur Winnetou idealisier­te, war Gojko Mitic eher der athletisch­e Indianer.

Kein Wunder, denn als Letzterer mit 20 Jahren sein heimatlich­es Dorf in Richtung Belgrad verließ, hatte er eigentlich im Sinn, Sportlehre­r zu werden.

Dann verdingte er sich als Stuntman – und über diesem Umweg brachte er es bis zum Häuptling Tokei-itoh in „Die Söhne der Großen Bärin“und anderen ähnlichen Filmen. Im Gegensatz zu den bundesdeut­schen Unterhaltu­ngswestern steckte hinter den sozialisti­schen Indianerpr­ojekten übrigens auch eine ideologisc­he Komponente. Eine Filmkritik­erin schrieb einmal: Die Filme waren eine „Synthese aus Karl Marx und Karl May“. Die Helden der Ost-Streifen waren die unterdrück­ten Indianer. Diese spiegelten den guten Arbeiter- und Bauernstaa­t wider, der ja auch mehr oder weniger umzingelt von den Profitgeie­rn des Westens war. Der DDR erging es letztlich wie den amerikanis­chen Ureinwohne­rn: Sie zog in der Weltgeschi­chte auch ohne große Schlachten den Kürzeren. Und während den Indianern wenigstens ihre Reservate blieben, blieb von den Sozialiste­n politisch nur die heutige Linke übrig. Nach dem Zusammenbr­uch des Sozialismu­s wurde es zunächst auch um den „Winnetou des Ostens“ziemlich ruhig. Dabei ist dieser Titel eigentlich falsch, denn Mitic hat den Apachenhäu­ptling nie im Film gespielt.

Am Ende landete er aber doch in der Rolle, die ihm wie Pierre Brice auf den Leib geschriebe­n war. Von 1992 bis 2006 schlüpfte Mitic bei den Karl-May-Festspiele­n in Bad Segeberg endlich in die Haut des Apachenhäu­ptlings – und konnte damit – Achtung, Happy End! – an die großen Filmerfolg­e aus seinen frühen Jahren anknüpfen. Darauf ein dreifaches „Hugh“.

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Foto: dpa

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