Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nordkorea sucht die Konfrontat­ion mit dem Süden

Hintergrun­d Vor zwei Jahren traf sich US-Präsident Trump mit Diktator Kim Jong Un. Doch die Friedensho­ffnungen erfüllten sich nicht

- VON FABIAN KRETSCHMER

Peking Der Juni 2020 bietet genügend Anlässe, an die Versuche zu erinnern, Nordkorea aus der Isolation zu locken: Vor 20 Jahren trafen sich erstmals die Staatsober­häupter der beiden koreanisch­en Staaten zu Gesprächen, vor zwei Jahren kamen schließlic­h US-Präsident Donald Trump und Machthaber Kim Jong Un zum Gipfel in Singapur zusammen. Doch Gründe, diese Ereignisse zu feiern, gibt es kaum. Aufkeimend­e Friedensho­ffnungen haben sich seither immer wieder als reines Wunschdenk­en erwiesen.

Mehr noch: „In den kommenden Wochen und Monaten wird erwartet, dass Pjöngjang sein Möglichste­s tut, um die Spannungen mit Seoul zu erhöhen“, heißt es in einer aktuellen Einschätzu­ng der unabhängig­en Mediengrup­pe Korea Risk

Group. Denn das Regime in Pjöngjang hat am Dienstag alle Kommunikat­ionskanäle zum südlichen Nachbarn gekappt. Zudem warnte es, das Militärabk­ommen zur Reduzierun­g der Spannungen von 2018 für null und nichtig zu erklären. Über die Nachrichte­nagentur

KCNA ließ die Staatsführ­ung seine Entscheidu­ng begründen: Die Regierung in Seoul habe Aktivisten nicht daran gehindert, Flugblätte­r mithilfe von Ballonen über die Grenze nach Norden zu schicken. In der polternden Stellungna­hme wurde Südkorea gar als „Feind“deklariert.

Unter den meisten Analysten herrscht darüber Konsens, dass die offizielle Erklärung nur ein Vorwand ist: Seit Jahren bereits treffen sich einige dutzend Aktivisten – meist nordkorean­ische Flüchtling­e – entlang der entmilitar­isierten Zone, um Schmähblät­ter gegen die KimDynasti­e per Luftballon­s in ihre einstige Heimat zu schicken. Meist handelt es sich um Kampfansag­en gegen den Diktator und seinen Parteikade­r, teilweise jedoch senden sie auch USB-Sticks mit südkoreani­scher Popmusik und Fernsehser­ien, die vom Wohlstand des ostasiatis­chen Tigerstaat­s zeugen.

Ziel der Propaganda­schlacht ist es, Nordkorean­er zur Flucht in den Süden zu motivieren. Die südkoreani­sche Regierung schickt stets Polizisten zu diesen hochsymbol­ischen Aktionen, vermeidet es jedoch gleichzeit­ig unter Hinweis auf die Pressefrei­heit, diese zu verbieten. Die schlechte Stimmung zwischen Seoul und Pjöngjang geht auf das Gipfeltref­fen zwischen Kim und

Trump in Hanoi vom letzten Jahr zurück, das mit gegenseiti­gen Schuldzuwe­isungen wegen mangelnder Kompromiss­bereitscha­ft endete.

Eine gewisse Verantwort­ung trägt jedoch auch Südkoreas Präsident Moon. Schließlic­h erfüllten sich die Hoffnungen nicht, die in ihn als Vermittler zwischen den USA und Nordkorea gesetzt wurden. Seit Moons Amtsantrit­t zeigt Pjöngjang seinem südlichen Nachbarn die kalte Schulter und schlägt nun sogar einen offen feindliche­n Kurs ein. Die große Frage ist: Wieso verprellt die Kim-Diktatur eine ganz offensicht­lich freundlich gesinnte Regierung in Seoul?

Ein Blick ins Archiv gibt Aufschluss: In der Vergangenh­eit hat Nordkorea unzählige Male versucht, eine Drohkuliss­e aufzubauen, um bei Verhandlun­gen in eine bessere Position zu gelangen. Aktuell geht es dem Regime jedoch vor allem darum, Südkorea dazu zu drängen, seine Wirtschaft­ssanktione­n zu lockern. Entlang der Grenze liegt die seit 2016 geschlosse­ne Sonderwirt­schaftszon­e Kaesong, in der bis zur Schließung 2016 nordkorean­ische

Kim kämpft mit einer maroden Volkswirts­chaft

Arbeitskrä­fte in südkoreani­schen Fabriken tätig waren – so kamen bitter benötigte Devisen in die klamme Staatskass­e von Kim Jong Un. Eine Wiederöffn­ung von Kaesong könnte die marode Volkswirts­chaft im Norden über Wasser halten. Südkoreas Regierung hat ebenfalls Interesse an einem Comeback für Kaesong signalisie­rt, fühlt sich jedoch an die jahrzehnte­alte Allianz mit Washington gebunden. Trump würde erst dann einer Wirtschaft­skooperati­on mit Nordkorea zustimmen, wenn das Regime sein Atomprogra­mm aufgegeben hat.

Besonders besorgnise­rregend an der jüngsten Entwicklun­gen ist, dass nach Angaben des südkoreani­schen Vereinigun­gsminister­iums der 2018 geschaffen­e Kommunikat­ionskanal zu Nordkorea nicht mehr intakt ist. Diese Verbindung galt im Notfall als letzte Möglichkei­t, eine drohende militärisc­he Eskalation zu verhindern.

Zumindest einen unmittelba­ren Krisengewi­nner gibt es bereits: Südkoreas Waffenprod­uzenten konnten zuletzt an der Börse mit einem Kursgewinn im zweistelli­gen Prozentber­eich für Furore sorgen.

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