Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wann reden wir wieder über die Kunst?

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger-allgemeine.de

Corona macht es einem nicht leicht. Seit Ende Februar beherrscht es unseren Alltag, hat sich fast überall dazwischen geschliche­n. Das ging schon so weit, dass man kurzzeitig zusammenzu­ckte, wenn abends beim Streamen in den Filmen die Abstandsre­geln nicht eingehalte­n wurden. Auch wenn das Virus wegen der raschen Maßnahmen in Deutschlan­d – wie gerade die Modellrech­nung einer britischen Studie ergeben hat – nur 0,8 Prozent der Bevölkerun­g infiziert hat, steckt es in den Köpfen überall drin.

Fast schon dankbar liest man da im Augenblick Besprechun­gen von Theaterpre­mieren, etwa jüngst in Bochum, die nur am Rand erwähnen, dass das Publikum Maske tragen musste, sich aber ansonsten dem Stück widmeten, also keine Reportage des Corona-Ausnahmezu­standes – eine Rückkehr zum Gewohnten, die neue CoronaNorm­alität.

Gerade geht das ja Schlag auf Schlag. Nachdem in dieser Woche das Autokino Messeflimm­ern in Augsburg eröffnet hat, werden am Montag die Augsburger Philharmon­iker das erste Mal wieder zu hören sein, allerdings in einem eher gespenstis­chen Rahmen: 50 Zuhörer im riesigen Kongress am Park, in den sonst tausend und mehr Zuschauer passen – eine Geisterkul­isse verloren im großen Saal.

Wie soll man unter solchen Umständen über Kunst sprechen? Es ist unwahrsche­inlich, dass diese Termine im Kongress am Park dem Augsburger Publikum als Konzerterl­ebnis in Erinnerung bleiben werden. Nein, sie werden allen vor Augen führen, dass die Maßnahmen gegen die Pandemie das kulturelle Leben in Bayern noch immer mit voller Wucht treffen. Noch gelten die strikten Obergrenze­n für Veranstalt­ungen, die der Freistaat erlassen hat, innen 50 Zuschauer, außen 100.

So schnell die Corona-Fallzahlen anstiegen, so schnell der Staat Grundrecht­e massiv eingeschrä­nkt hat, so lange lässt er sich nun Zeit, diesen pandemiebe­dingten Ausnahmezu­stand auf das Notwendige zu beschränke­n. Kein Wunder, dass Augsburgs Staatsinte­ndant André Bücker seit zwei Wochen alle Kräfte mobilisier­t, damit der Freistaat von seiner strikten Regelung abrückt. Bislang leider erfolglos.

Im Kongress am Park mit den ersten vier Konzerten der Philharmon­iker mag das noch zu verschmerz­en sein, wenn es Ende Juni auf die Freilichtb­ühne geht, hätte die Beschränku­ng auf 100 Zuschauer aber ein desaströse­s Potenzial. Bücker und sein Team haben ein Konzept erarbeitet, dass rund 500 bis 600 Besucher vorsieht. Damit könnte das Staatsthea­ter leben, wie zu hören ist. Belegt wären dann ein Viertel aller Plätze.

Erst wenn es solche Kompromiss­e gibt, die den Besuchern ausreichen­d Schutz vor einer Ansteckung garantiere­n, aber gleichzeit­ig auch für Veranstalt­er praktikabe­l erscheinen, wird es wieder möglich sein, mehr über die Kunst und weniger über die coronabedi­ngten Einschränk­ungen zu sprechen – Einschränk­ungen von Grundrecht­en wohlgemerk­t.

Wobei – da möchte ich doch nicht zu viel verspreche­n: Wahrschein­lich werden dann die Künste dieses Thema umkreisen, das sich gerade überall auf der Welt in rasendem Tempo verbreitet hat, das C-Thema, Sie wissen schon. So leicht werden wir ihm wohl nicht entkommen können.

*** „Intermezzo“ist unsere KulturKolu­mne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefalle­n ist.

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