Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Küchenmeis­ter mit dem richtigen Dampf

Tradition wird im Gasthaus Adler in Diedorf großgeschr­ieben. Mittlerwei­le steht bei Familie Fendt bereits die Urenkelin am Herd und so manches Rezept ist von Generation zu Generation überliefer­t worden

- VON MATTHIAS SCHALLA

Diedorf Die ersten Dampfnudel­n sind Rudolf Fendt missglückt. „Auch der zweite Versuch hat nicht geklappt“, erinnert sich der 68-Jährige und schmunzelt. Doch fehlendes Geschick war nicht der Grund für den holprigen Start. „Es lag vielmehr daran, dass das Rezept von meiner Mutter mündlich überliefer­t wurde – und statt nach Mengenanga­ben wurde damals mehr nach Gefühl gekocht“, sagt er.

Im dritten Anlauf aber hatte der Küchenmeis­ter den Bogen raus und heute zählen die Dampfnudel­n, die es jeden Freitag gibt, mit zu den kulinarisc­hen Aushängesc­hildern des traditions­reichen Gasthofs mitten in Diedorf. Tochter Lisa hat es heute da ein wenig einfacher mit der Zubereitun­g. Ihr Vater hat die exakten Mengenanga­ben schon lange schriftlic­h festgehalt­en und wenn später einmal Lisa und ihr künftiger Ehemann Ralph, ebenfalls Küchenmeis­ter, das Rezept wiederum an ihre Kinder weitergebe­n, dürfte sich die Zahl der Fehlversuc­he in Grenzen halten. Möglicherw­eise könnte sich dann aber auch die ein oder andere Rezeptur geändert haben. Denn: Beide sind ebenfalls gelernte Köche und können bereits auf eine respektabl­e Vita zurückblic­ken.

„Für mich stand schon immer fest, dass ich einmal im elterliche­n Betrieb arbeiten möchte“, sagt sie. Bereits als Dreijährig­e habe sie im Garten hinterm Haus „Matschsupp­e gekocht“und direkt nach dem Abitur ihre Ausbildung im Augsburger Papageno begonnen. Dort lernte sie auch ihren Ehemann Ralph kennen, der sein Handwerk ebenfalls in Augsburg gelernt hat, und zwar im Feinschmec­kerlokal „Eckestuben“. Doch den ersten Kochwettbe­werb hat Lisa schon als Lehrling gewonnen – den Vega Cup 2012. Renommiert­e Stationen stehen mittlerwei­le in ihrem Lebenslauf. So arbeitete die 29-Jährige unter anderem auch im Bayerische­n Hof in München. Lisas Herzenswun­sch aber war stets der heimische Gasthof – „der Fendt“, wie die Einheimisc­hen sagen.

„Ich bin stolz auf ihr Lebenswerk“, sagt die Tochter und die Augen der Eltern leuchten, wenn sie das Lob hören. Seit 1912 ist der Gasthof im Familienbe­sitz und hat sich von Generation zu Generation weiterentw­ickelt. „Einen großen Anteil an dem guten Ruf des Hauses, hat vor allem meine Mutter Elisabeth“, betont Rudolf Fendt. 98 Jahre ist sie mittlerwei­le alt, lebt ebenfalls in dem rund 300 Jahre alten Wirtshaus „und steht uns immer noch beratend zur Seite“.

Allen Trends zum Trotz, hat sich „der Fendt“seine bayrisch-schwäbisch­e Ausrichtun­g bewahrt. „Das Rezept für den Sauerbrate­n haben

beispielsw­eise von meiner Mutter übernommen und lediglich etwas verfeinert“, erklärt der 68-Jährige. Und was sich im Adler bewährt hat, wird auch bewahrt. Bestes Beispiel dafür ist der Spezialtop­f für die Dampfnudel­n.

„Der Topf ist rund 60 Jahre alt und war eine Sonderanfe­rtigung“, sagt der Küchenmeis­ter. Zwölf Portionen auf einmal könnten in dem flachen Behältnis zubereitet werden und Meister Fendt hat davon gleich mehrere in seiner Küche stehen. Ganz auf ihre Kosten kommen aber auch die Liebhaber der deftigen Küche. Für jeden Tag und jede Saison gibt es eine eigene Karte mit unterschie­dlichen Schmankerl­n. Am Donnerstag sind beispielsw­eise Schweinsha­xen angesagt, mittwochs gibt es Kalbsleber, im Winter steht eine Schlachtpl­atte auf der Karte und im Herbst kommt die Martinsgan­s auf den Tisch. „Für die Gans sind wir ganz bekannt“, sagt Tochter Lisa und schmunzelt.

Auch wenn im Fendt gleich drei gestandene Köche am Herd stehen – der Spruch, dass viele Köche den Brei verderben würden, trifft hier nicht zu. Im Gegenteil. Das Trio ergänzt sich bestens. Lisa kocht gerne deftig, bereitet unter anderem Blutund Leberwurst zu und kümmert sich um die Süßspeisen, wie den beliebten warmen Apfelkuche­n. Ihre Mutter Claudia wiederum hat das richtige Händchen für die passende Dekoration und deckt leidenscha­ftlich gerne die Tische für einen festlichen Rahmen ein.

Gelegenhei­t dazu wird sie schon bald haben. „Eigentlich wären Ralph und ich ja bereits verheirate­t“, sagt Lisa. Der Termin für die Trauung in Island unter freiem Himmel an einem Wasserfall war vor einer Woche. „Aber dann kam Corona dazwischen“, bedauert sie. Nun werde die Heirat baldmöglic­hst nachgeholt.

Auch wenn das Ja-Wort in Island gegeben wird, Platz für die anschliewi­r ßende Feier ist im Adler reichlich. Allein der Saal mit 180 Plätzen eignet sich bestens für große Gesellscha­ften und ist mittlerwei­le sogar die neue Heimat des Diedorfer Theaterver­eins.

Die abgesagten Familienfe­iern während der Corona-Beschränku­ngen haben den Fendts am meisten wehgetan. Doch nun geht es langsam wieder aufwärts. „Zu verdanken haben wir dies vor allem unseren treuen Stammkunde­n und unseren tollen Mitarbeite­rn“, betont Lisa Fendt. Die Krise wäre sonst kaum zu meistern gewesen. „Auch Urlaub ist nur möglich, wenn man weiß, dass man sich 100-prozentig auf seine Mitarbeite­r verlassen kann“, bestätigt ihr Vater. Und allen Hobbyköche­n, die sich künftig mal an Dampfnudel­n ausprobier­en wollen, gibt er mit einem Augenzwink­ern einen guten Rat: „Wer sie noch nie zubereitet hat, sollte nicht damit anfangen, wenn Besuch kommt.“

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? 60 Jahre alt und eine Spezialanf­ertigung ist der Topf für die Dampfnudel­n. Ralph Bleß hat das Rezept von seinem künftigen Schwiegerv­ater Rudolf Fendt übernommen, der es wiederum von seiner Mutter Elisabeth hat.
Fotos: Marcus Merk 60 Jahre alt und eine Spezialanf­ertigung ist der Topf für die Dampfnudel­n. Ralph Bleß hat das Rezept von seinem künftigen Schwiegerv­ater Rudolf Fendt übernommen, der es wiederum von seiner Mutter Elisabeth hat.

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