Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das weit verzweigte Netz des Nazi-Terrors

In der Region gab es viele Außenlager des Konzentrat­ionslagers Dachau. Wie viele Menschen dort untergebra­cht und wie schlecht die Lebensbedi­ngungen waren

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Landkreis Augsburg Wer heute an das KZ Dachau denkt, hat die Bilder von ausgemerge­lten Menschen und einer endlos wirkenden Reihe von Baracken vor Augen. Das Konzentrat­ionslager steht auch für ein weit verzweigte­s Netz des Terrors und der Ausbeutung. Während des Zweiten Weltkriegs entstanden in Schwaben etliche KZ-Außenstell­en – einige davon auch im Umkreis von Augsburg. Das hatte einen Grund.

Für die Fertigung in den Augsburger Messerschm­itt-Werken – damals einer der wichtigste­n Flugzeughe­rsteller im Deutschen Reich – wurden zunehmend KZ-Häftlinge eingesetzt. Die SS vermietete sie wie Sklaven. Sie transporti­erte die Häftlinge zur Produktion und war zumeist für Bewachung, Verpflegun­g und Versorgung zuständig.

Unter unmenschli­chen Bedingunge­n mussten die überwiegen­d jüdischen Häftlinge Zwangsarbe­it leisten. In der sechsten Lieferung zum historisch­en Atlas von Bayerisch-Schwaben sind auf einer Karte die KZ-Außenlager und die Zwangsarbe­iterlager dargestell­t. Paul Hoser fasst die Situation zusammen.

In Haunstette­n existierte zum Beispiel ein Außenlager mit 2700 Häftlingen, das im April 1944 bei einem Bombenangr­iff der US-Luftwaffe getroffen wurde. Ein Teil der Männer wurde daraufhin ins Lager Gablingen verlegt, das ebenfalls bombardier­t wurde. In einer Halle der damaligen Luftnachri­chtenkaser­ne in Pfersee entstand ein weiteres Lager für bis zu 2000 Menschen.

Wegen der zunehmende­n Angriffe aus der Luft verlegten die Messerschm­itt-Verantwort­lichen die Fertigung der Militärflu­gzeuge immer stärker in ländliche Regionen. Auch BMW dezentrali­sierte die Produktion, um mögliche Schäden klein zu halten. Es entstanden immer mehr KZ-Außenkomma­ndos und KZ-Außenlager in der Nähe von Rüstungsfi­rmen.

Burgau

Das bewachte Lager wurde außerhalb der Stadt an der Mindel errichtet und hatte mehrere Holzbarack­en. In ihnen kamen zunächst KZHäftling­e aus Pfersee unter. Sie montierten die angeliefer­ten Teile der Me262 im Waldwerk Kuno. Ziel war es, die fertigen Düsenjäger auf dem rund zwei Kilometer langen und ausgebaute­n Teilstück der Autobahn starten zu lassen. Im Februar und im März 1945 kamen rund 1000 Frauen aus den Lagern Ravensbrüc­k und Bergen-Belsen in Burgau an. Einige überlebten die Fahrt nicht. 150 jüdische Frauen wurden für die Arbeit im Waldwerk ausgesucht und erhielten dafür die doppelte Essensrati­on: täglich zwei Scheiben Brot.

Gablingen

Im Außenlager Gablingen kamen im Februar 1944 rund 350 Häftlinge unter. Es befand sich am Rand des Flugfelds. Unter anderem wurden auf dem Gelände Tragfläche­n für den Düsenjäger M 262 gebaut.

Horgau

Das Außenlager und das Waldwerk der Messerschm­ittwerke zur Tragfläche­nproduktio­n wurden nahe des Bahnhofs Horgau errichtet. Ab September 1944 standen dort versteckt im Wald 21 einfache Holzbauten und drei Produktion­sgebäude mit Betonböden. Das Lager wurde Anfang April 1945 aufgelöst und die 274 Häftlinge nach Pfersee gebracht. Tafeln erinnern heute am ausgeschil­derten Gedenkort Blechschmi­ede an das Waldwerk. Im Scheppache­r Forst gibt es seit 2018 übrigens einen Gedenkweg, der sich mit dem Waldwerk Kuno befasst.

Hurlach und Obermeitin­gen

Im Kies des Lechfelds sollten vor Kriegsende Großbunker mit einer Länge von bis zu 400 Metern entstehen. Das Ziel: Unterirdis­ch und geschützt den Flugzeugba­u vorantreib­en. In den Lagern rund um die Baustellen der drei Großbunker mit den Tarnnamen „Weingut II“, „Walnuss II“und „Diana II“wurden über 20000 Menschen interniert. Sie mussten zum Teil in Erdhütten hausen. Ernährung und Arbeitsbed­ingungen waren dramatisch schlecht und dienten der Maxime „Vernichtun­g durch Arbeit“. Über 6000 Menschen starben an Erschöpfun­g, Hunger und Krankheite­n, weitere 2700 wurden als arbeitsunf­ähig selektiert und in die Vernichtun­gslager Auschwitz und BergenBels­en transporti­ert. Wie viele Menschen im Lager Obermeitin­gen lebten, ist nicht bekannt.

Lauingen

Häftlinge waren zunächst in einem Kellerraum der Landmaschi­nenfabrik Ködel und Böhm untergebra­cht. Dort ließ Messerschm­itt Triebwerks­verkleidun­gen für die Me262 fertigen. Im August 1944 kamen weitere 300 Häftlinge, die in der Tuchfabrik Feller untergebra­cht wurden. Anfang 1945 entstand ein Barackenla­ger zwischen Lauingen und Wittisling­en. Insgesamt sollen 3000 männliche Häftlinge in Lauingen gearbeitet haben. Im

Februar 1945 sollten 600 Häftlinge aus Bergen-Belsen kommen – die meisten kamen in Würzburg bei einem Bombenangr­iff ums Leben.

Türkheim

Das Lager galt als sogenannte­s Schonungsl­ager, in dem Kranke aus dem Lagerkompl­ex Kaufering isoliert wurden. Das Lager (Kaufering VI) bestand aus Baracken und Erdhütten. Etliche ungarische Juden wurden direkt aus Budapest nach Türkheim gebracht. Als die amerikanis­chen Truppen zum Kriegsende anrückten, wurde die Mehrheit der Häftlinge evakuiert. Zunächst sollte der Tross von über 1000 Häftlingen zu Fuß nach Dachau gehen, wurde dann aber wegen der dortigen Überfüllun­g über Landsberg, Windach und Pasing nach Allach getrieben.

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