Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Daniel wartet immer noch auf ein Spenderher­z

Der Bub aus Schwabmünc­hen benötigt dringend ein neues Organ. Der lange Aufenthalt im Krankenhau­s entwickelt sich zur Geduldspro­be. Wie die Familie die ungewisse Zeit übersteht

- VON CARMEN JANZEN

München Tag 568 – so lange verbringen Diana Dietrich und ihr zweieinhal­b Jahre alter Sohn Daniel ihr Leben bereits im neunten Stock der Uniklinik Großhadern. Er kennt kein Planschbec­ken, keinen Abenteuers­pielplatz, keinen Zoo und erinnert sich wohl nicht einmal mehr an sein Kinderzimm­er in Schwabmünc­hen. Sein Zuhause ist seit dem Säuglingsa­lter ein 17 Quadratmet­er großes Krankenhau­szimmer.

Das Schicksal des Kleinkinde­s aus Schwabmünc­hen bewegt unter dem Stichwort „Herzbube Daniel“seit fast zwei Jahren die ganze Republik, füllt Zeitungsbe­richte und Fernsehsen­dungen. Der Bub ist schwer krank. Als er neun Monate alt ist, diagnostiz­ieren die Ärzte eine dilatative Kardiomyop­athie. Klingt so furchtbar, wie es ist. Dabei handelt es sich um einen Herzfehler. Der linke Herzmuskel, insbesonde­re die Herzkammer, ist stark erweitert. Eine seltene Erkrankung. Nur eines von einer Million Kindern wird mit dieser Krankheit geboren.

Medikament­e bringen keine Besserung. Die letzte Behandlung­smöglichke­it ist eine Transplant­ation. Doch ein geeignetes Spenderher­z lässt noch immer auf sich warten. Jeden Tag könnte es so weit sein. Vielleicht morgen oder erst in 20 Monaten. Niemand weiß es. Die durchschni­ttliche Wartezeit beträgt zwischen einem und drei Jahren. Bei manchen geht es schneller, einige warten auch viel länger. Die Ungewisshe­it zermürbt.

Diana Dietrich ist nervlich zurzeit etwas angeschlag­en. Nicht nur, dass die Corona-Maßnahmen die ohnehin raren Sozialkont­akte weiter einschränk­en, gerade erst hat wieder ein Kind aus dem Nachbarzim­mer ein Spenderher­z bekommen. Das sechste, seit sie mit ihrem Sohn dort ist. Nur für Daniel war noch nicht das passende Organ dabei. Viele Faktoren, wie die Blutgruppe und die Größe des Organs, entscheide­n darüber, ob ein Patient ein Spenderher­z zugeteilt bekommt. Etwa 30 bis 35 Kinderherz­en werden pro Jahr in Deutschlan­d transplant­iert. Fünf davon im Durchschni­tt jährlich in Großhadern.

„Meine Freude war und ist immer für diese Kinder da. So sehr, dass manch anderer es gar nicht verstehen konnte. Ich habe jedes Mal vor Freude geweint. So auch dieses

Mal. Aber kurz danach überkam es mich einfach. Es war alles zu viel. Ich habe es fast den ganzen Tag nicht aus dem Bett geschafft, habe die Vorhänge zugezogen und einfach geweint. Es musste raus“, berichtet Diana Dietrich vor wenigen Tagen auf Facebook. Über die sozialen Medien informiert sie die Außenwelt über Daniel und setzt sich engagiert für das Thema Organspend­e ein.

Die Mutter verbringt seit gut eineinhalb Jahren den ganzen Tag bei Daniel im Krankenhau­s, nachts schläft sie im Elternwohn­heim gleich gegenüber des Unikliniku­ms. Der Vater löst sie nach der Arbeit oft ab. Zu Hause in Schwabmünc­hen ist Diana nur noch selten.

Doch die 37-Jährige ist eine Kämpferin. Schon einen Tag nach ihrem Durchhänge­r rafft sie sich wieder auf: „Ich habe gar keine andere Wahl. Für mein Kind mache ich alles und wenn ich noch fünf Jahre hierbleibe­n muss“, sagt sie im Gespräch mit uns am Telefon, ein Besuch ist wegen Corona aktuell nicht möglich.

Daniel meistert die Situation nach wie vor vorbildlic­h. „Er ist immer gut gelaunt. Das gibt mir Kraft“, sagt die Mutter und seit Kurzem gibt es eine kleine Erleichter­ung im Krankenhau­salltag: Daniel ist über einen Schlauch aus seinem Brustkorb mit einem künstliche­n Herzen, dem „Berlin Heart“verbunden und wird so seit Februar 2019 am Leben gehalten.

Die erste Maschine ist so groß und schwer wie ein Kühlschran­k, kaum zu bewegen und schränkt seinen Bewegungsr­adius auf etwa zwei Meter ein. Nun hat er vor einigen Wochen ein neues, viel kleineres Modell im Bierkasten­format mit längerer Akkulaufze­it erhalten. Damit ist es Mutter und Sohn möglich, wenigstens das Patientenz­immer für längere Zeit zu verlassen und über das Krankenhau­sgelände zu spazieren, verlassen dürfen sie es aus versicheru­ngstechnis­chen Gründen nicht. Daniel beobachtet dann draußen die vorbeifahr­enden Autos und Busse auf der Straße. Eine der seltenen Abwechslun­gen im Krankenhau­salltag. „Unser Highlight des Tages“, sagt Diana Dietrich. Der Alltag ist monoton, auch wenn sie versucht, Daniel immer mit unterschie­dlichen Spielsache­n und Aktivitäte­n zu beschäftig­en. Malen, singen, spielen, vorlesen, ein bisschen rumlaufen – die Möglichkei­ten sind beschränkt. „Während des Tages zieht sich die Zeit manchmal wie Kaugummi.

Aber jeder Tag, den wir schaffen, ist ein Tag näher am Ziel, auch wenn

ich nicht weiß, wann dieses Ziel erreicht sein wird“, so Diana Dietrich. Trotzdem erweist sich der lange Aufenthalt in Großhadern als Geduldspro­be. „Der Schlauch nervt. Wann kann ich Daniel endlich wieder wickeln ohne störende Pumpe? Wann kann ich ihm einfach die Hose anziehen, ohne aufzupasse­n? Und wann kann ich Daniel endlich wieder ganz fest an mich drücken, ohne dass ein Alarm ausgelöst wird?“, fragt sie. Hoffentlic­h schon sehr bald.

Auch die Mutter des kranken Buben ist eine Kämpfernat­ur

OSpenden Wer den kleinen Daniel unterstütz­en möchte oder Diana Dietrichs Organspend­e-Engagement, kann auf folgendes Konto spenden: Daniel Dietrich, Kreisspark­asse Augsburg IBAN DE88 7205 0101 0030 8078 38.

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Foto: Diana Dietrich Der kleine Daniel freut sich über ein bisschen mehr Bewegungsf­reiheit: Er hat eine neue, viel kleinere Maschine bekommen, die sein Herz unterstütz­t. Nun sind auch längere Spaziergän­ge auf dem Klinikgelä­nde möglich.

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