Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bäume werden weltweit jünger und kleiner
So heftig viele Corona-Maßnahmen für die Menschen sind – Umwelt und Klima scheinen von etlichen Einschränkungen zu profitieren: In vielen Städten der Welt können die Einwohner statt grauem Smog wieder blauen Himmel sehen. Und in Teilen Nordindiens können Menschen zum ersten Mal seit Jahrzehnten Himalaja-Gipfel erkennen. Doch mit den Lockerungen drohen viele positive Effekte wieder zu verschwinden. Umweltexperten plädieren dafür, beim Neustart der Wirtschaft verstärkt auf Nachhaltigkeit zu setzen.
Beispiel CO2-Emissionen: Anfang April war der weltweite tägliche Ausstoß des Treibhausgases im Vergleich zum Mittelwert 2019 um 17 Prozent gesunken, wie Forscher im Fachblatt berichteten. Für Co-Autor Felix Creutzig vom Berliner MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) ist diese Art des Rückgangs der Emissionen allerdings nicht wünschenswert: „Der Grund für den Rückgang sind keine strukturellen Änderungen. Deshalb ist die Entwicklung nicht nachhaltig.“Selbst wenn die Corona-Maßnahmen schnell gelockert würden, rechnet das Team für das Gesamtjahr 2020 mit einer Verringerung des CO2-Ausstoßes um mehr als vier Prozent. Würden die Einschränkungen bis Jahresende aufrechterhalten, gehen die Autoren von etwa sieben Prozent aus. „Eine Reduzierung der CO2-Emissionen in dieser Größenordnung, also sieben oder acht Prozent, müsste jedes Jahr erfolgen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens von 2015 einzuhalten“, erläutert Creutzig.
Mojib Latif vom Deutschen Klima-Konsortium (DKK) stimmt zu. Die Herausforderung bestehe darin, diese Senkung des CO2-Ausstoßes zu erreichen, „ohne dabei die Wirtschaft lahmzulegen“. Doch die absoluten CO2-Werte in der Atmosphäre steigen weiter, wie das DKK erst kürzlich betonte. Latif sieht zudem Parallelen zwischen der Corona-Krise und dem Klimawandel. Beide Herausforderungen seien nur durch internationale Zusammenarbeit zu lösen. Daran mangele es jedoch. Die Corona-Krise zeige, dass die Politik bereit sei, große Summen zu investieren, um die Folgen für die Wirtschaft zu bewältigen. Diese Mittel sollten an Nachhaltigkeitskriterien gebunden werden, fordert Latif und betont: Schon länger habe es Szenarien für weltweite Epidemien gegeben – dennoch waren die Staaten unvorbereitet. Noch mehr sei über den Klimawandel geschrieben worden, doch die Gegenmaßnahmen seien immer noch sehr klein.
Josef Aschbacher, Direktor für Erdbeobachtung bei der europäischen Weltraumagentur Esa, sieht weitere Ähnlichkeiten zwischen der Pandemie und dem Klimawandel: So trage die Abholzung des Regenwaldes zum Klimawandel ebenso bei wie zu neuen Infektionskrankheiten, die durch vermehrte Kontakte von Menschen mit Wildtieren entstehen könnten. Und: „Ärmere Menschen leiden tendenziell mehr unter Covid-19, wie auch unter den Folgen des Klimawandels.“
Aschbacher und sein Team haben Satellitenbilder veröffentlicht, die die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Erde dokumentieren: klarer Himmel über sonst smogbelasteten Ballungszentren, geparkte Flugzeuge an Flughäfen und Rückgänge des lungenschädigenden Gases Stickstoffdioxid (NO2). „Solche Messungen und Satellitenbilder können die Augen öffnen für den enormen Einfluss, den der Mensch auf die Umwelt ausübt“, sagt Aschbacher. Damit will die Esa auch Daten liefern, auf deren Basis die Politik Entscheidungen treffen könne.
Auch Aschbacher hofft, dass die Milliardenhilfen für die Wirtschaft an Vorgaben zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz geknüpft werden.
Zu den politischen Maßnahmen vor der Corona-Krise gehörten CO2-Zertifikate: In den Wirtschaftssektoren Industrie, Strom und Flugverkehr müssen Unternehmen in der EU Zertifikate für den Ausstoß des Treibhausgases erwerben. Die EU verknappt die verfügbaren Zertifikate jedes Jahr um 1,74 Prozent, ab 2021 um 2,2 Prozent. Das soll den Preis treiben und Technologien mit hohen CO2-Emissionen unrentabel machen. Der europäische Emissionshandel wird ab 2021 um einen nationalen Emissionshandel für Verkehr und Gebäude ergänzt, wie das Bundeskabinett beschloss. Geeinigt hat sich die Große Koalition auch darauf, die Deckelung der Förderung beim Ausbau von Solaranlagen aufzuheben.
In manchen Städten beschleunigt die Pandemie klimafreundliche Projekte. Brüssel hat für 2021 geplante Änderungen im Verkehr vorgezogen: In der Innenstadt dürfen Autos nur Tempo 20 fahren und müssen Fußgängern und Radfahrern Vorfahrt gewähren. In Berlin entstanden seit März provisorische Radwege im Schnellverfahren. „Teilweise sind Städte Vorreiter, während nationale Regierungen noch zögern“, sagt Jens Müller vom europäischen Dachverband der Verkehrs- und Umweltorganisationen „Transport & Environment“. Für bessere Luft in Städten führe an einer Senkung des Autoverkehrs kein Weg vorbei. Er empfiehlt emissionsfreie Sharing-Angebote etwa für Elektroautos, die auf Abruf verfügbar sind. Creutzig fordert sogar, der Digitalisierung Vorrang vor der Elektromobilität zu geben. Die Corona-Krise habe gezeigt, dass gute digitale Infrastruktur viel Verkehr überflüssig machen könne.
Alte Wälder schwinden, Bäume werden jünger und kleiner: Dieser globale Trend der vergangenen Jahrzehnte wird sich nach Ansicht eines internationalen Forscherteams in absehbarer Zukunft fortsetzen. Verantwortlich dafür sind neben Abholzungen vor allem steigende Temperaturen, zunehmende Trockenheit, Waldbrände und der Befall durch Insekten und Pilze. Das schreiben Forscher um Nate McDowell vom Pacific Northwest National Laboratory in Richland (USStaat Washington) nach einer globalen Bestandsaufnahme im Fachmagazin „Wir müssen davon ausgehen, dass das großflächige Absterben von Wäldern weitergehen wird“, sagt Ko-Autor Rupert Seidl von der Technischen Universität München. „Die Wälder der Zukunft werden von kleineren und jüngeren Bäumen geprägt sein.“
Wie empfindlich Wälder auf Klimaextreme reagieren können, zeigten in Deutschland die beiden trockenen Hitzesommer 2018 und 2019. In diesen Jahren starben in Deutschland mehr als 2000 Quadratkilometer Wald ab – das entspricht fast der Fläche des Saarlands. In Sibirien, Australien und im Amazonasgebiet zerstörten im vergangenen Jahr Brände riesige Waldgebiete. Für die aktuelle Übersichtsarbeit werteten rund zwei Dutzend Forscher Satellitenaufnahmen aus und sichteten die Fachliteratur. Waren um das Jahr 1900 noch etwa elf Prozent der weltweiten Waldfläche unter 140 Jahre alt, stieg der Anteil bis 2015 auf ein Drittel – durch Abholzung ganzer Waldgebiete und verstärktem Holzeinschlag, aber auch durch Stürme und Brände. Das gilt insbesondere für Tropenwälder, doch auch für Wälder gemäßigter Breiten wie in Mitteleuropa oder für den Mittelmeerraum beschreiben die Autoren diese Tendenz.
Damit einher geht die Entwicklung zu kleineren und jüngeren Bäumen – auch weil große Bäume anfälliger für viele Störfaktoren sind wie Trockenheit, Sturm und Schädlingsbefall. „Dieser Trend wird sich mit der globalen Erwärmung wahrscheinlich fortsetzen“, sagt Erstautor McDowell. „Ein künftiger Planet mit weniger großen, alten Wäldern wird sich sehr davon unterscheiden, woran wir gewöhnt sind. Ältere Wälder beherbergen oft eine viel höhere Artenvielfalt als jüngere Wälder und lagern mehr Kohlenstoff ein.“