Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Lang gesuchte Materie gefunden
Mithilfe kosmischer Radioblitze haben Astronomen die lang gesuchte fehlende Materie im Weltall aufgespürt. Der Fund vervollständige das Materie-Inventar des Universums genau gemäß der Modelle und Vorhersagen, berichten die Forscher um Jean-Pierre Macquart vom Internationalen Zentrum für Radioastronomieforschung Icrar im australischen Perth. Bei der im Fachblatt veröffentlichten Untersuchung geht es um die gewöhnliche, sogenannte baryonische Materie, aus der Sterne, Planeten und Menschen bestehen.
Kurze Radioblitze sind erst seit wenigen Jahren bekannt: Sie zucken ohne erkennbare Vorwarnung aus scheinbar zufälligen Richtungen durch den Kosmos. Ihre Natur ist noch nicht geklärt, die kurzen Ausbrüche im Wellenlängenbereich der Radiostrahlung stammen jedoch offensichtlich aus den Tiefen des Alls. Für eine Handvoll Blitze ist es gelungen, die Ursprungsgalaxie zu bestimmen. Demnach müssen sie auf einen Schlag so viel Energie aussenden wie unsere Sonne in 80 Jahren, um über die gigantischen Entfernungen messbar zu sein.
Auf ihrem langen Weg durchs Universum durchleuchten die Radioblitze die dünne Materie im Kosmos. „Wir wissen aus Messungen des Urknalls, wie viel Materie es am Anfang des Universums gab“, erläutert Macquart. „Aber als wir in das heutige Universum geblickt haben, konnten wir nicht einmal die Hälfte dessen finden, was es dort geben sollte. Das brachte uns etwas in Verlegenheit.“Der große Fehlbetrag liegt daran, dass sich nur ein kleiner Teil der baryonischen Materie zu leuchtenden Sternen zusammengeballt hat. Tatsächlich befinden sich 90 Prozent der gewöhnlichen Materie nicht in Galaxien, sondern in den enormen Weiten zwischen ihnen.
„Der intergalaktische Raum ist sehr karg“, betont Macquart. „Die fehlende Materie entsprach nur einem oder zwei Atomen in einem Raum von der Größe eines durchschnittlichen Büros. Daher war es sehr schwierig, diese Materie mit den herkömmlichen Techniken und Teleskopen zu finden.“Die Wissenschaftler nutzten stattdessen eine besondere Eigenschaft der Radioblitze: Sie werden je nach Wellenlänge leicht abgebremst, wenn sie baryonische Materie passieren. Diese Materie stellt demnach rund 15 Prozent der Masse im Universum. Über fünfmal häufiger ist die physikalisch unsichtbare Dunkle Materie, die sich nur durch ihre Schwerkraft bemerkbar macht und deren Natur ungeklärt ist.