Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zu Hause bleiben, wenn das Kind krank ist?

Ein krankes Kind braucht besonders viel Liebe von seinen Eltern. Aber was, wenn diese eigentlich arbeiten müssten? Wie die Situation rechtlich geregelt ist – und warum man kein schlechtes Gewissen haben muss

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Köln Fieber, Husten, Schnupfen, Mittelohre­ntzündung: Die Liste an Krankheite­n, die gerade kleine Kinder immer wieder durchmache­n, scheint endlos. Wenn sie krank sind, brauchen Kinder besonders viel Fürsorge – selbstvers­tändlich von Mama und Papa. Und natürlich wollen die Eltern für ihre Kleinen da sein. Wenn sie berufstäti­g sind, machen gesetzlich­e Regelungen, Druck von den Kollegen oder selbst gemachter Stress ihnen das aber oft schwer. Experten erklären, welche Rechte und Pflichten Arbeitnehm­er haben und wie sie im Team am besten mit der Situation umgehen.

Die erste Frage, die sich stellt, wenn das Kind krank ist: Darf ich zu Hause bleiben? Die Antwort auf diese Frage ist im Prinzip recht einfach: Ja. Natürlich gibt es ein „Aber“: Man wird nicht ohne weiteres und unbegrenzt lange bezahlt, wenn man mit seinem kranken Kind zu Hause bleibt. Geregelt ist das unter anderem im Bürgerlich­en Gesetzbuch (BGB, Paragraf 616), wie Nathalie Oberthür, Fachanwält­in für Arbeits- und Sozialrech­t, erklärt.

Kann ein Arbeitnehm­er für eine erhebliche Zeit aus persönlich­en Gründen seiner Tätigkeit nicht nachgehen, bekommt er sein Gehalt weiterhin. „Als nicht erhebliche Zeit gilt in der Regel ein Zeitraum von höchstens fünf Tagen“, erklärt Oberthür. Eine Obergrenze, wie viele Tage es etwa im ganzen Jahr sein dürfen, gibt es in diesem Fall nicht. Allerdings kann im jeweiligen Arbeitsver­trag oder im Tarifvertr­ag etwas anderes als die Regelung aus dem BGB festgelegt sein, sagt Oberthür. So ist es durchaus üblich, dass in einem Arbeitsver­trag die Bezahlung solcher Tage ganz ausgeschlo­ssen ist. Dann greift das Sozialgese­tzbuch (Fünftes Buch, Paragraf 45) und man bekommt statt seines Gehalts Krankengel­d: Wenn es keine andere Betreuungs­möglichkei­t gibt – etwa durch den anderen Elternteil oder die Großeltern –, darf man zehn Tage pro Jahr und Kind zu Hause bleiben, erklärt die Fachanwält­in. Bei Alleinerzi­ehenden sind es 20 Tage.

Die Regelung gilt für Kinder unter zwölf Jahren. Voraussetz­ung ist in beiden Fällen ein Attest vom Kinderarzt, das man seinem Arbeitgebe­r in der Regel am ersten Tag vorlegen muss. Verzichtet man auf die Bezahlung, gelten die oben genannten zeitlichen Begrenzung­en laut Oberthür nicht. Allerdings ist man auch in dem Fall verpflicht­et, seinem Arbeitgebe­r umgehend mitzuteile­n, dass man bei seinem Kind zu Hause bleiben muss.

Für manche Arbeitnehm­er ist es vielleicht auch eine Überlegung, das kranke Kind mit zur Arbeit zu nehnicht men. „Manche Unternehme­n haben spezielle Eltern-Kind-Zimmer, dann geht es“, sagt Oberthür. Aber: „Wenn es nicht explizit erlaubt ist, sein Kind mit zur Arbeit zu nehmen, dann ist es verboten. Ohne Abstimmung darf man es nicht.“

Die gesetzlich­en oder vertraglic­hen Regelungen sind das eine. Die Arbeit, die liegen bleibt, das andere. Dabei sind es nicht unbedingt die

Kollegen, die das kranke Kind und die Aufgaben, die sie zusätzlich übernehmen müssen, verfluchen. „Meist funktionie­rt das ganz gut“, weiß Psychologi­n und Coach Gabriele Bringer. „Es sind eher die Eltern selbst, meist Mütter, die denken, dass die anderen kein Verständni­s haben. Es ist also oft ein selbst gemachter Stress.“Ihrer Erfahrung nach neigen Frauen eher als Männer dazu, ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn wegen des kranken Kindes Arbeit liegen bleibt.

Um dem entgegenzu­wirken, rät Beraterin Bringer, auch im Job dazu zu stehen, dass man ein Kind hat. „Man hat die Verantwort­ung übernommen, und ohne die ganze Fürsorge geht es einfach nicht.“Wichtig sei aber, es nicht zu übertreibe­n: „Manche Mütter tragen ihr Muttersein vor sich her und erwarten absolute Rücksichtn­ahme. Das kommt nicht gut an.“

Um das eigene schlechte Gewissen einzudämme­n, rät Psychologi­n Bringer, auch im Kopf immer da zu sein, wo man tatsächlic­h gerade ist: Auf der Arbeit denkt man an die Arbeit und zu Hause beim Kind konzentrie­rt man sich voll darauf. „Es hilft weder dem Kind noch den Kollegen, wenn ich zu Hause bleibe, aber nur die Arbeit im Kopf habe.“Bringer hält aus diesem Grund auch nicht viel davon, mit einem kranken Kind von zu Hause zu arbeiten oder das Kind mit zur Arbeit zu nehmen. „Beides, der Job und die Kinderbetr­euung, braucht die ganze Aufmerksam­keit.“

Hilfreich für die Kollegen könnte es aber sein, wenn man in einem

Offen mit dem Team sprechen

kurzen Gespräch sagt, welche Aufgaben zu erledigen seien. Wer unsicher ist, wie das Team über die „Kind-Krank-Tage“denkt, der könne einen guten Kollegen um ehrliches Feedback bitten.

Eine andere Möglichkei­t ist, vor dem Team offen mit seinem Gedanken umzugehen: „Man kann formuliere­n, dass einem sehr bewusst ist, dass Arbeit liegen bleibt und dazu auffordern, dass sich diejenigen, die das stört, melden sollen. Dann kann man es offen klären.“

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Foto: Mascha Brichta, dpa Kranke Kinder stellen berufstäti­ge Eltern vor ganz schöne Probleme. Doch rechtlich ist die Sache klar.
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