Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der erste Knick

Philipp Amthor wird von vielen belächelt und bastelt doch recht erfolgreic­h an seiner Karriere. Doch nun gerät der CDU-Jungstar in Erklärungs­not

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Goldene Regel für Porträts wie dieses: Niemals eine Person über Äußerlichk­eiten definieren. Im Prinzip eine Selbstvers­tändlichke­it und meistens ist es auch ganz einfach. Bei Philipp Amthor stößt man als Autor an Grenzen. Dass ein Bundestags­abgeordnet­er im dunklen Zweireiher daherkommt, mit Manschette­nknöpfen, Einstecktu­ch, Deutschlan­d-Fähnchen am Revers und akkuratem Seitensche­itel, ist nicht ungewöhnli­ch. Aber ein 27-Jähriger? Amthor hat die äußerliche Frühverspi­eßerung zur Marke gemacht. Das ist Vorteil und Nachteil zugleich: Der scheinbar alte Mann im Körper eines jungen fällt auf. Zugleich wirkt er aber oft wie ein Politikerd­arsteller. Kaum jemand macht sich die Mühe, hinter die Fassade zu blicken. Nutzen wir also den Rest des Textes, um genau das zu versuchen.

Wenig Zweifel besteht daran, dass der Jungstar der CDU tatsächlic­h ein durch und durch konservati­ver Mensch ist. Einer, der Wert auf gute Manieren legt, der den katholisch­en Glauben spät für sich entdeckt hat und sich mit Mitte 20 taufen ließ. Der die Einführung der gleichgesc­hlechtlich­en Ehe gerne verhindert hätte und „GenderMain­stream“oder „Multikulti“blöd findet. Er wächst bei seiner alleinerzi­ehenden Mutter auf, tritt mit 16 in die CDU ein und macht so eifrig Wahlkampf, dass er sogar mal bei der Kanzlerin im Zug mitfahren darf. Er studiert Jura, arbeitet an seinem Doktortite­l und wird in den Bundestag gewählt. Da ist er noch keine 25 Jahre alt – und die Karrierepl­anung

längst nicht abgeschlos­sen. Die CDU Mecklenbur­gVorpommer­n wird Amthor wohl demnächst zum Vorsitzend­en machen – seine einzige Kontrahent­in hat ihre Kandidatur gerade zurückgezo­gen. Bei der Landtagswa­hl im kommenden Jahr könnte er gegen die Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig antreten, die zwar populär ist, aber mit der Schwäche ihrer SPD zu kämpfen hat.

Gar nicht so schlecht für einen, der noch vor kurzem als Witzfigur verhöhnt wurde, als er versuchte, dem Youtuber Rezo und dessen Video „Die Zerstörung der CDU“Paroli zu bieten („Na Rezo, du alter

Zerstörer“). Doch ganz oben wird die Luft dünner. Jeder Fehler kann die Karriere knicken lassen. Und Amthor hat einen gemacht, wie er selbst zugibt. Der Spiegel berichtet, der CDU-Politiker habe sich bei seinem Parteifreu­nd und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier für ein Unternehme­n eingesetzt, an dem er selbst über Aktienopti­onen verdienen konnte. „Ich bin nicht käuflich. Gleichwohl habe ich mich politisch angreifbar gemacht“, schreibt Amthor auf seiner Facebook-Seite. Ob die Sache mit einer Entschuldi­gung erledigt ist? Den Spott gibt es gratis. „Aktienopti­onen, so so … Ich dachte immer, Philipp Amthor kauft man sich mit Kinderscho­kolade“, twittert jemand. Die gehässige Reduzierun­g auf Äußerlichk­eiten könnte in den kommenden Tagen das geringste Problem für den CDU-Aufsteiger sein. Michael Stifter

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Foto: dpa

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