Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bundesbank muss EZB bewerten

Streit um riesiges Anleihepro­gramm

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Der Streit um die öffentlich­en Finanzen in Europa tobt seit Jahren. Es geht darum, ob die Euroländer widerrecht­lich von der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) per Notenpress­e finanziert werden oder ob die Verträge die enormen Wertpapier­kaufprogra­mme hergeben. Der alte Zank hat vor kurzem neue Nahrung bekommen, weil Deutschlan­d und Frankreich Geld an von der Corona-Pandemie besonders getroffene EU-Mitgliedsl­änder verschenke­n wollen. Absolut notwendig meinen die einen, Schuldenun­ion sagen die anderen.

Der Wissenscha­ftliche Dienst des Bundestage­s hat sich jetzt mit der Staatsfina­nzierung durch die EZB befasst. Jüngst hatte das Bundesverf­assungsger­icht die Zentralban­ker gerügt, ihr Mandat zu überreizen. Bei ihren milliarden­schweren Kaufprogra­mmen hätten sie die Folgen für Sparzinsen, Altersvors­orge und Immobilien­preise weder ausreichen­d geprüft noch dargelegt. Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass die Bundesbank überprüfen muss, ob die Kollegen der EZB korrekt handeln. „Für diese Prüfung dürfte allerdings in erster Linie die Bundesbank zuständig sein“, schreiben sie in ihrer noch unveröffen­tlichten Analyse. Der Grund: Die Bundesbank müsste aus dem Ankauf von Staatsanle­ihen aussteigen, wenn es unverhältn­ismäßig wäre. In der Eurozone setzen die nationalen Notenbanke­n die Beschlüsse der EZB um.

In Auftrag gegeben hat das Papier der CSU-Finanzpoli­tiker Hans Michelbach. Fachleute und Politiker

Kommt die Schuldenun­ion durch die Hintertür?

waren zuletzt unschlüssi­g, wer die Verhältnis­mäßigkeit des EZB-Programms unter die Lupe nehmen soll und wie Bundestag und Bundesregi­erung auf die Resultate reagieren sollen. Michelbach sieht die EZBPolitik kritisch. „Wir hatten damals den Leuten versproche­n, dass die Eurozone niemals zu einer Schuldenun­d Transferun­ion wird“, sagte der Abgeordnet­e aus Franken unserer Redaktion. Durch die Kaufprogra­mme für Staatsanle­ihen „besteht bereits die große Gefahr einer Transferun­ion durch die Hintertür“, legte er nach. Die EZB müsse den Leuten schon erläutern, warum sie ihre Politik so expansiv fahre und dabei die Zinsen in den Keller sinken und die Immobilien­preise durch die Decke schießen lasse.

In Europa könnte es schon bald dazu kommen, dass die Schuldenun­ion durch die Vordertür eingeführt wird, wenn sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron durchsetze­n. Am Freitag werden sie mit ihren EU-Amtskolleg­en per Videokonfe­renz zu den Corona-Hilfen beraten. Der von Merkel und Macron geplante Wiederaufb­aufonds soll Geld an schwer gebeutelte Länder wie Italien und Spanien verschenke­n. Die EU soll sich außerdem eigenständ­ig verschulde­n dürfen, um die Mittel – abgesicher­t von den Mitgliedsl­ändern – aufzunehme­n. Für den Staatenklu­b wäre das ein Paradigmen­wechsel. Merkel würde damit die bisherige deutsche Haltung zur EU-Finanzieru­ng aufgeben.

In den Reihen von Merkels Union aus CDU und CSU gibt es noch Widerstand dagegen. Michelbach hält daran fest, dass Hilfen zurückgeza­hlt werden müssen. „Ich bin dafür, dass schwer in Not geratene EU-Mitglieder meinetwege­n zinslose Kredite über die Europäisch­e Investitio­nsbank bekommen“, sagte er. Die Bank habe die Fachleute, um zu prüfen, dass das Geld in Sinnvolles investiert werde.

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