Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Surfen im Schneckentempo
Nur etwa jeder siebte Bayer ist so schnell im Internet unterwegs, wie es Anbieter versprechen. Die meisten Menschen zahlen daher zu viel Geld. Was in diesem Fall zu tun ist
München Internetanbieter werben gerne mit sagenhaft schnellen Verbindungen. Die Formulierung „bis zu“, die meist im Kleingedruckten neben den pompösen Zahlen geschrieben steht, wird allerdings gerne übersehen. Und so bezahlen viele Menschen horrende Preise – zumindest in Anbetracht dessen, was sie dafür bekommen. Denn die Leitungen glühen tatsächlich nur in seltenen Fällen. Mitunter surfen viele Menschen sogar nur mit einem Bruchteil der versprochenen Übertragungsgeschwindigkeit.
„Beim Internetanschluss werden Menschen in Bayern von den Anbietern regelrecht übers Ohr gehauen“, sagt die Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz unserer Redaktion. Und die Grünen-Politikerin hat einen treffenden Vergleich parat: „Wer zum Bäcker geht und zehn Brezen bestellt, der bekommt zehn und zahlt auch zehn.“Von dieser Selbstverständlichkeit, moniert Deligöz, könnten Verbraucher bei ihrer Internetverbindung nur träumen.
Wie problematisch die Lage in Bayern ist, veranschaulicht eine Messung der Bundesregierung. Demnach erhält im Freistaat im Schnitt nur etwa jeder siebte Kunde die Downloadrate, für die er be
Zumindest die Hälfte der vertraglich zugesicherten Übertragungsgeschwindigkeit erhalten lediglich knapp drei Viertel der Verbraucher. Das bedeutet im Umkehrschluss: Jeder Vierte kann nicht einmal halb so schnell surfen wie versprochen. Besonders dramatisch ist die Situation im Bereich der Angebote von 18 bis 25 Megabit pro Sekunde. Hier erhalten der Messung zufolge nur etwa drei Prozent der Kunden ihre zugesicherte Downloadrate.
Ekin Deligöz nimmt deshalb die Bundesnetzagentur in die Pflicht. Diese müsse im Sinne der Verbraucher handeln und pauschalisierte Schadensersatzzahlungen für erhebliche, kontinuierliche oder regelmäßig wiederkehrende Abweichungen veranlassen. „Das Problem ist lange bekannt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen endlich eine Möglichkeit, ihren Tarif zu mindern, wenn sie nicht die Internetgeschwindigkeit erhalten, für die sie bezahlen“, fordert die Bundestagsabgeordnete. Denn auf die Kulanz der Anbieter zu hoffen, sei zu wenig, der Rechtsweg zu aufwendig.
So sehen das auch Experten der Verbraucherzentrale (VZ): „Wir fordern seit langem, dass das Gesetz mehr Schutz für Verbraucher bieten muss und diese bei Leistungsstörungen ohne Hürden den Tarif anpassen oder den Vertrag kündigen können.“Denn vor dem Vertragsabschluss versprochene Internetgeschwindigkeiten seien Vertragsbestandteil und müssten deshalb erreicht werden.
Die maximale Übertragungsrate ermittelt der Anbieter in der Regel bei einer Prüfung vor dem Vertragsabschluss. Die Verbraucherzentrale gibt zu bedenken, dass sich Kunden darauf verlassen müssen, dass realistische Ergebnisse erfasst und mitgeteilt werden. Das sei in der Realität nicht immer der Fall: „Gerade wer abseits der gut erschlossenen Gebiete wohnt, bekommt mitunter nur einen Bruchteil dieser versprochenen Übertragungsgeschwindigkeit geliefert“, so der Hinweis der VZ-Experten.
Besonders in Corona- und vermehrten Homeoffice-Zeiten seien gesetzliche Nachbesserungen dringend notwendig. Neben einer problemlosen Tarifanpassung und einem Kündigungsrecht für Kunden fordert die Verbraucherzentrale ein Gesetz, das die Anbieter dazu verpflichtet, Ausfälle innerhalb eines Kalendertages zu beheben. Ansonsten solle ein Entschädigungsanspruch greifen. Bei langfristigen Ausfällen seien zudem Sanktionen der Bundesnetzagentur sinnvoll. Die Aussichten auf eine baldige Änderung des Gesetzes sind nach Anzahlt. gaben der VZ aktuell aber „leider eher übersichtlich“.
Kunden mit bestehenden Verträgen können sich dennoch wehren, berichten die Verbraucherschützer und verweisen auf ein Online-Angebot der Bundesnetzagentur. Dort könne die Datenübertragungsrate kostenlos gemessen, kontrolliert, protokolliert und mit der im Vertrag festgelegten Rate verglichen werden. Sei das Internet dauerhaft zu langsam oder treten regelmäßig Störungen auf, empfiehlt die VZ Kunden, den Anbieter per Einschreiben darauf hinzuweisen, die versprochene Internetleistung innerhalb von 14 Tagen herzustellen.
Die Störungen müssten detailliert durch Aufzeichnungen eines Speedtests nachgewiesen werden. „Ändert sich nach wiederholter Aufforderung nichts, können Sie fristlos kündigen und gegebenenfalls sogar Schadensersatz verlangen“, berichten die Verbraucherschützer. Falls der Anbieter das nicht akzeptiert, komme für Kunden eine Klage infrage. Das gelte es aber oftmals abzuwägen, da diese oft langwierige juristische Auseinandersetzungen mit sich bringen könne.
OMessung Ob Ihre Internetverbindung so schnell ist, wie vertraglich zugesichert, können Sie im Internet unter www.breitbandmessung.de prüfen.