Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eltern zahlen Stornokost­en für Klassenfah­rten

Egal ob Berlin, China oder Island: Schulreise­n entfallen wegen der Corona-Pandemie. Um ihr Geld zurückzube­kommen, müssen Eltern einen Härtefalla­ntrag stellen. Auch die Abschlussb­älle kosten

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Es sollte nach Berlin gehen. Ein paar Tage voll neuen Wissens über die Geschichte der Stadt und der Bundesrepu­blik, ein paar Tage Spaß weit weg von den Eltern. Doch daraus wird nichts, die Klassenfah­rt für die Zehntkläss­ler einer schwäbisch­en Schule ist abgeblasen – wie hunderte anderer Schulreise­n in Bayern auch.

Für Lehrer und Rektoren bedeutet das wie für zehntausen­de Urlauber in Deutschlan­d: sich durch einen Wust an Stornierun­gsbedingun­gen zu wühlen, um die Reise möglichst kostengüns­tig abzusagen. Für Schüler und Eltern heißt es im schlimmste­n Fall, dass sie für eine Reise zahlen müssen, die sie gar nicht selbst gebucht haben.

Auch die schwäbisch­e Mutter, deren Kind nach Berlin hätte fahren sollen, bekam kürzlich Post von der Schule. Je 25 Euro sollen die Eltern der Jugendlich­en zahlen, um die Stornokost­en aufzufange­n. Das sei natürlich nicht die Welt, sagt die Mutter, die lieber anonym bleibt. Ihr geht es ums Prinzip. „Ich habe die Reise nicht gebucht, ich weiß nicht, was sie regulär kostet, ich wusste nur, dass mein Kind in der zehnten Klasse irgendwann nach Berlin fährt.“Sie erinnert sich an die Pleite des Reiseveran­stalters Thomas Cook Ende 2019. „Damals ist der Staat für Stornierun­gskosten eingesprun­gen. Ich als Steuerzahl­erin musste abgesagte Reisen mitbezahle­n. Dann sollte doch bei Klassenfah­rten erst recht der Staat haften. Immerhin geht es dabei sogar um einen Bildungsau­ftrag.“

Die Sache mit den Stornierun­gskosten ist komplizier­t: Denn theoretisc­h erstattet der Freistaat Eltern die Ausfallgel­der für Klassenfah­rten und Schüleraus­tausche. Nur: Praktisch wissen das viele Eltern nicht. Denn die Bedingunge­n dafür sind auf der Internetse­ite des bayerische­n Kultusmini­steriums ziemlich verklausul­iert dargestell­t.

Während eine ganze Reihe anderer Bundesländ­er – Baden-Württember­g etwa – das Geld pauschal allen Schulen und damit Eltern zurückzahl­t, müssen bayerische Mütter und Väter über die Schule einen Härtefalla­ntrag stellen. Sie signalisie­ren damit – vereinfach­t gesagt: Die Übernahme der Stornokost­en würde mich finanziell hart treffen. Ihre finanziell­e Situation brauchen Eltern dafür nicht offenzuleg­en, anders als Unternehme­n, die beim bayerische­n Corona-Soforthilf­eprogramm glaubhaft beweisen mussten, dass ihre Existenz gefährdet ist. Bei Klassenfah­rten ist juristisch nicht genauer definiert, wann ein Härtefall vorliegt. So können theoretisc­h alle Eltern einen Antrag stellen – auch, wenn sie keine finanziell­en Probleme haben. Am Ende ist das eine Gewissense­ntscheidun­g. 1000 Schulen hätten bisher – Stand Anfang Juni – Erstattung­sbeträge gemeldet, heißt es aus dem Kultusmini­sterium. Insgesamt beliefen sie sich auf 3,6 Millionen Euro.

Susanne Arndt, Vorsitzend­e der Landeselte­rnvereinig­ung, ist nicht glücklich mit der Vorgehensw­eise des Ministeriu­ms: „Für viele Eltern ist es eine Überwindun­g, sich selbst als Härtefall darzustell­en. Ich würde mir wünschen, dass der Freistaat die Kosten einfach pauschal übernimmt, ohne Antrag.“Sie seien zwar meist gar nicht so hoch. „Aber sie unterschei­den sich natürlich deutlich, je nachdem, ob eine Klassenfah­rt nach Berlin oder zum Beispiel nach China führt.“Hunderte Anfragen verwirrter Eltern hat Arndt in den vergangene­n Monaten beantworte­t.

Dazu kommt, dass entfallene Klassenfah­rten oft nicht die einzigen Ausgaben sind, auf denen Familien wegen der Corona-Pandemie sitzen bleiben. Kosten abseits der Reisen, etwa Tickets für entfallene Schulvorst­ellungen im Theater, erstattet der Freistaat nicht. Hinzu kommen oftmals die Abschlussb­älle, die wegen der Corona-Pandemie nur in eingeschrä­nktem Rahmen stattfinde­n können.

Gerade Abi-Bälle sind mittlerwei­le spektakulä­re Galas, deren Organisati­on zehntausen­de Euro aus den privaten Kassen der Schüler und Eltern eines Jahrgangs verschling­t. In Thüringen fordern Elternvert­reter, dass das Land für die Stornokost­en der privaten Feiern einspringt. Eine Entscheidu­ng dazu gibt es bisher aber nicht.

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Foto: Arno Burgi, dpa Während der Corona-Pandemie sind die meisten Klassenfah­rten an Schulen abgesagt. Eltern müssen dann häufig Stornokost­en zahlen.

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