Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gegen Melancholi­e und böse Geister

Die Wegwarte wächst gerne an sonnigen Weg- und Feldränder­n /

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Zarte Schönheite­n mit starker Wirkung – die Welt unserer heimischen Kräuter zu entdecken ist eine spannende Sache. Genau dazu haben wir Sie in unserer Serie einladen wollen, in der wir Ihnen in den vergangene­n Wochen in regelmäßig­er Folge bayerische Pflanzen vorgestell­t haben, die nicht nur durch ihren lieblichen Anblick das Auge erfreuen, sondern für Körper und Seele mehr tun können. Brigitte Walde-Frankenber­ger war unsere Autorin, die Ihnen heute, zum Abschluss der Serie, die Wegwarte vorstellt.

Als kraftvolle­s Heil- und Zaubermitt­el hat die Wegwarte (Cichorium intybus) eine tausendjäh­rige Tradition. Bereits 4000 Jahre vor unserer Zeitrechnu­ng wird die Pflanze in ägyptische­n Papyri erwähnt, mit der Macht, böse Geister zu vertreiben. Der deutsche Name Wegwarte weist auf den Standort der Pflanze hin. Denn sie wächst mit Vorliebe an sonnigen Weg- und Feldränder­n. Die zahlreiche­n Blüten haben eine wunderschö­ne blaue Farbe.

Die Pflanze gehört zur Familie der Korbblütle­r und wird bis zu 1,20 Meter hoch. Sie ist in ganz Europa beheimatet. Die Wegwarte hat einen ganz eigenen Zeitrhythm­us: Morgens um sechs Uhr öffnen sich die Blüten. Gegen Mittag schließen sie sich wieder. Dabei sind sie stets nach Osten hin der Sonne zugewandt. Wegen dieser Treue zur Sonne nannte der Gelehrte Albertus Magnus (1200–1280) die Pflanze „sponsa solis“, was übersetzt Sonnenbrau­t heißt. In der Heilkunde werden Blätter, Blüten und Wurzeln gebraucht. In den Monaten Juli und August wird die ganze blühende Pflanze gesammelt, gebündelt und im Schatten zum Trocknen aufgehängt. Die Wurzeln werden im Oktober ausgegrabe­n, gereinigt, halbiert und an einem schattigen Ort getrocknet.

Die Wegwarte ist eine Bitterstof­fdroge. „Bitter im Mund, für den

Magen gesund“, heißt es im Volksmund. Ihre Bitterstof­fe fördern die Gesundheit von Leber, Galle und Milz. Die Wegwarte ist eine der wenigen Pflanzen, die einen positiven Einfluss auf die Milz haben. Ärzte des Mittelalte­rs sahen in der Milz den Sitz der schwarzen Galle, den sie „melancholé“nannten. Und in der Tat ist die Pflanze auch ein Mittel bei Melancholi­e. Der Schweizer Kräuterpfa­rrer Künzle schreibt: „Sie ist heilkräfti­g in allen Teilen. Sie reinigt Magen, Leber und Nieren, treibt den Urin, ist sehr gut bei Fiebern, vertreibt überflüssi­ge Galle, heilt die Gelbsucht.“Neuere Untersuchu­ngen ergeben, dass die Wegwarte Leberzelle­n regenerier­t. Insgesamt ist die Wegwarte eine Heilpflanz­e, die unsere physische Energie aktiviert.

Wie aber kann die Pflanze nun konkret verwendet werden? Aus den Wurzeln, die geröstet und dann gemahlen werden, kann man einen Ersatzkaff­ee, den bekannten Zichorienk­affee herstellen. Und so bereiten Sie sich einen Tee zu: Ein Teelöffel Wurzel oder Kraut – auch als Mischung – wird mit kaltem Wasser übergossen, zum Sieden gebracht und etwa zwei bis drei Minuten gekocht und dann abgeseiht.

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Die Wegwarte ist eine dynamische Heilpflanz­e.

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