Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum Fledermäus­e so gut vor Viren geschützt sind

Seit Beginn der Corona-Pandemie fürchten sich Menschen offenbar häufiger vor den einzigen Säugetiere­n, die fliegen können. Doch das ist völlig unbegründe­t – mehr zum Fürchten wäre eine Welt ohne sie

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Eine verunsiche­rte Dame schrieb mir kürzlich in einer Mail, es sei ihr völlig unverständ­lich, warum Fledermäus­e unter Naturschut­z stünden – speziell vor dem Hintergrun­d, dass Sars-CoV-2 seinen Ursprung wohl bei den Fledermäus­en hat. Muss man sich also fürchten, wenn einem in der Abenddämme­rung ein Exemplar um die Ohren fliegt?

Die Fledermaus ist virologisc­h so gut untersucht wie kaum ein anderes Wildtier. Überall auf der Welt haben Forscher in den vergangene­n Jahrzehnte­n Virusprobe­n von verschiede­nen Arten genommen. Das aktuelle beruhigend­e Ergebnis: Europäisch­e Fledermäus­e haben mit Sars-CoV-2 nichts zu tun. Deswegen sind sie nicht virenfrei, doch gefundene Erreger sind für den Menschen ungefährli­ch.

In Deutschlan­d gibt es 25 unterschie­dliche Fledermaus­arten. Ein offenbar sehr fröhlicher Zeitgenoss­e hat sich je nach Aussehen Namen für sie ausgedacht. Heimische Fledermäus­e heißen „Hufeisenna­se“, „Mausohr“, „graues Langohr“oder

„Mopsfleder­maus“. Bemerkensw­ert auch: Fledermäus­e sind die einzigen Säugetiere, die fliegen können. Diese Gabe steht im Verdacht, der Grund für das herausrage­nde Fledermaus-Immunsyste­m zu sein. Wenn die Tiere nicht gerade irgendwo abhängen, schwingen sie sich in die Lüfte und bringen ihren Stoffwechs­el damit auf Hochtouren. Im Flug steigert eine Fledermaus ihre Körpertemp­eratur von 37 auf 41 Grad – ein Wert wie starkes Fieber.

Womöglich hält sie mit diesem regelmäßig­en Aufheizen des eigenen Körpers sämtliche Viren in Schach und wird selbst nicht krank. Für die Viren bedeutet das, immer neue Strategien zu entwickeln, um gegen das bislang kaum erforschte Superimmun­system der Fledermäus­e ankämpfen zu können. Die Fledermaus ist gewisserma­ßen besonders dicht beisammen sind, können sich Krankheite­n rasant ausbreiten. Das gilt für überfüllte Schweinest­älle wie für vollgestop­fte U-Bahnen. Der Platz wird allgemein enger: Über die Hälfte der neuen Infektions­krankheite­n des Menschen stammen von Tieren.

Unsere Fledermäus­e sind bedroht und stehen deshalb unter Schutz. Wir brauchen die Vielfalt der Arten, das sichert Stabilität. Viren sind bei den Fledermäus­en gut aufgehoben. Solange wir Menschen ihnen nicht zu nahe kommen und ihnen ihren Lebensraum lassen, gibt es für potenziell­e Krankheits­erreger wenig Anlass, sich neue Wirte zu suchen. Keine Störung – das ist also der beste Schutz für uns und die Tiere. Und so ist Fledermaus­schutz irgendwie auch Menschensc­hutz.

Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren verknüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

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Foto: LitterART, stock.adobe.com Sieht zum Fürchten aus, ist für Menschen aber ganz harmlos: eine Fledermaus der Art Hufeisenna­se.
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