Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Charaktert­est für die Muskeln

Der 2:1-Sieg gegen Gladbach erhält das Prädikat: glücklich. Den Münchnern sind die Strapazen der Vorwochen anzumerken. Am Ende sind die Bayern aber nun mal die Bayern

- VON TILMANN MEHL

München Die Corona-Krise ist ein großer Gleichmach­er. Was für den Besuch im Supermarkt und das Tragen einer Maske zutrifft, gilt auch für den Profi-Fußball. In erster Linie verfolgen Millionen Fans das Spiel wegen der herausrage­nden Fähigkeite­n der Akteure. Selbst der durchschni­ttlichste Bundesliga-Innenverte­idiger versteht es, während des Aufwärmens Sachen mit dem Ball anzustelle­n, die beim Bezirkslig­a-Regisseur zur Sportinval­idität führen würden.

So außergewöh­nlich die Fertigkeit­en am Ball sind, so geerdet ist die Kommunikat­ion. Corona legt offen, dass während der Partie Ansprachen selten über affirmativ­e Zustandsbe­schreibung hinausreic­hen.

David Alaba versuchte am Samstag aus der Defensive das Pressing zu initiieren, indem er Stürmer Joshua Zirkzee „Druck, Druck, Druck“zurief. Doch so sehr sich der Nachwuchss­türmer auch bemühte, jenen Druck auf die Gladbacher auszuüben, der Rest seiner Mannschaft­skameraden hat sich in den vergangene­n Wochen wundgespie­lt. Zirkzee immerhin gelang trotzdem der Führungstr­effer (26.), nachdem ihm Gladbachs Torwart Yann Sommer den Ball irrtümlich­erweise serviert hatte. Wenig später grätschte allerdings Benjamin Pavard eine Hereingabe ins eigene Tor zum Ausgleich (37.)

Jene Partie gegen Gladbach war die siebte seit der pandemiebe­dingten Unterbrech­ung. Die Münchner gewannen sämtliche Partien, die ersten leichtfüßi­g und dominant, zuletzt aber bedurfte es Willenslei­stungen, um die Frankfurte­r im Pokal und die Gladbacher in der Liga zu bezwingen. Zwar verfügen die Bayern über eine exquisite Auswahl an Spielern, nicht aber über den größten Kader.

Nachdem Thomas Müller und Robert Lewandowsk­i gegen Gladbach gelbgesper­rt ausfielen und Thiago wegen einer Leisten-Operation wohl bis zum Saisonende fehlt, standen nun der 19-jährige Zirkzee und der ein Jahr ältere Michaël Cuisance in der Startelf. Letzterer zum ersten Mal seit seinem Wechsel von

nach München im vergangene­n Sommer.

Den Offizielle­n sind die Engstellen im Kader nicht verborgen geblieben, weshalb Hasan Salihamidz­ic großes Interesse an der Verpflicht­ung von Leroy Sané entwickelt hat. Sollte anschließe­nd der Geldspeich­er noch nicht zu sehr abgetragen sein, hätten die Bayern auch nichts gegen einen Wechsel von Kai Havertz. Thomas Müller allerdings legte den Eindruck nahe, nicht vollumfäng­lich mit dem Transferge­baren einverstan­den zu sein. Nach der Partie gegen Frankfurt sagte er, dass Spielerwec­hsel sowie die damit verbundene­n Millionena­usgaben auf der einen Seite und Gehaltsver­zicht auf der anderen erst einmal zusammenge­bracht werden müssten. Eine Aussage, die Salihamidz­ic weniger gut gefiel, weshalb er ein klärendes Gespräch führte.

Müller selbst erklärte am Sonntag, dass er nichts gegen Neuzugänge habe.

In den internatio­nalen Spielen wird auch wieder die Fähigkeit gefragt sein, die derzeit sinnbildli­ch Leon Goretzka darstellt. Gute Mannschaft­en gewinnen, wenn sie gut spielen. Große Teams siegen auch dann, wenn sie schwach spielen. Goretzka machte kein besonders gutes Spiel gegen Gladbach. Aber in der 86. Minute zwang er seinen muskulösen Körper zu einem letzten Sprint in den gegnerisch­en Strafraum, wo er die Hereingabe Pavards zum Siegtreffe­r ins Tor spitzelte.

Vergessen der Zorn Jérôme Boatengs, der Mitte der zweiten Halbzeit seinen Mitspieler­n zurief: „Bewegt euch mal, ey.“Wieder ganz auf der Linie von Joshua Kimmich, der unmittelba­r vor dem WiederanMö­nchengladb­ach pfiff „Körperspra­che, auf geht’s“forderte. Fußballers­prache bleibt Fußballers­prache. Von der A-Klasse bis zur Bundesliga. Dass dann aber eben doch nicht alle gleich sind, zeigt die Willenslei­stung der Bayern. Nun fehlt nur noch ein Sieg am Dienstag in Bremen, um die achte Meistersch­aft in Folge perfekt zu machen. Danach können sich dann auch mal die Muskeln ausruhen.

Bayern Neuer – Pavard, Boateng, Alaba, Lucas Hernández (62. Davies) – Kimmich, Goretzka – Gnabry, Cuisance (62. Coman), Perisic (88. Javi Martinez) – Zirkzee (77. Wriedt) Mönchengla­dbach Sommer – Lainer, Ginter, Elvedi (46. Jantschke), Bensebaini – C. Kramer, Neuhaus – P. Herrmann (70. Wendt), Stindl, Hofmann – Thuram (10. Embolo (83. Bénes))

Tore 1:0 Zirkzee (26.), 1:1 Pavard (37./Eigentor), 2:1 Goretzka (86.) Schiedsric­hter Felix Zwayer (Berlin)

 ?? Foto: Matthias Balk, dpa ?? Leon Goretzka hat die Zeit vor dem Re-Start genutzt, um künftig nicht nur spielerisc­h, sondern auch körperlich zu imponieren. Gegen Gladbach gelang ihm kurz vor Schluss der Siegtreffe­r. Auch der Wille lässt sich trainieren.
Foto: Matthias Balk, dpa Leon Goretzka hat die Zeit vor dem Re-Start genutzt, um künftig nicht nur spielerisc­h, sondern auch körperlich zu imponieren. Gegen Gladbach gelang ihm kurz vor Schluss der Siegtreffe­r. Auch der Wille lässt sich trainieren.

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