Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Zeit der Überraschungen beginnt
Das Meisterturnier in München geht in seine heiße Phase, die Play-offs stehen an. Zwar gab es bisher schon ungewöhnliche Ergebnisse, ab jetzt wird aber jeder Fehler bestraft
München Nach einer Woche als große Basketball-Familie im abgeschotteten Teamhotel ist es beim Meisterturnier in München mit dem gegenseitigen Abtasten vorbei – auf und neben dem Spielfeld. Das außergewöhnliche Event zur Ermittlung des nationalen Champions in Corona-Zeiten tritt in der neuen Woche mit dem Viertelfinale in Phase II ein.
Die Favoriten wie Titelverteidiger FC Bayern und Pokalsieger Alba Berlin sowie die bislang stark aufspielenden Teams der Herausforderer aus Ulm und Ludwigsburg haben sich positioniert. Und doch dürfte Ulms Routinier Per Günther mit dieser Einschätzung gut liegen: „In der Gruppenphase gibt es keine Überraschungen, die was wert sind.“Das könne sich aber in den K.-o.-Runden gut ändern: „Wenn es Überraschungen geben sollte, dann in diesem Format. Da ist es
für die beste Mannschaft, sich durchzusetzen.“
Die einzelnen Play-off-Runden werden nicht im sonst üblichen Best-of-five-Modus absolviert, sondern in Hin- und Rückspiel. Damit ist auch die Gruppenplatzierung nicht mehr so entscheidend, weil beim Geisterturnier ohne Zuschauer im Audi Dome der Heimvorteil ohnehin wegfällt. Das gilt selbst für Gastgeber FC Bayern. Ulms Trainer Jaka Lakovic stellte fest: „Nach der Vorrunde fängst du wieder bei Null an. Die Vorrundensiege werden dir in den Play-offs nicht helfen.“
Das ist bedauerlich für die Ulmer, die am Sonntag die BG Göttingen 89:66 bezwangen und mit vier Erfolgen eine makellose erste Turnierphase zeigten. Nationalspieler Andreas Obst wertete den Sieg als „sehr wichtig“, um mit noch mehr Selbstvertrauen in die K.o.-Phase zu starten.
Sechs der acht Viertelfinalisten stehen schon vor den finalen Gruppenspielen am Montag fest. Neben Gruppensieger Ulm haben sich die Bayern, Oldenburg und Göttingen in Staffel A durchgesetzt. In Gruppe B kämpfen Berlin und Ludwigsburg noch im direkten Duell um Platz eins. Für die zwei offenen Play-offTickets sind Brose Bamberg und die Fraport Skyliners aus Frankfurt in bester Position.
Rasta Vechta wirkt mit seinem Rumpfkader, der am Samstagabend von Alba Berlin mit 72:102 deklassiert wurde, nicht konkurrenzfähig für das Alles-oder-nichts-Spiel gegen Bamberg. Die Oberfranken besiegten Frankfurt mit 99:83. Teamgeist und ein tief besetzter Kader werden zu wichtigen Qualitätsmerkmalen.
Bayern-Patron Uli Hoeneß, der als Geisterspiel-Spezialist zwischen den Partien der Münchner Fußbalschwieriger ler in der riesigen Arena und der Basketball-Partien in der kleinen Halle pendelt, hat einen wichtigen Unterschied ermittelt: „Hier beim Basketball empfindet man die Leere und Stille nicht so.“Die besonderen Umstände dieses Corona-Meisterturniers bleiben aber eine spezielle Erfahrung, wie Bayern-Veteran Alex King anmerkte. Am Anfang seien sich Spieler, Trainer und Betreuer aller zehn Teams noch „ein bisschen distanziert“gegenübergetreten. Inzwischen gebe es „viel Blabla, man quatscht, wie geht’s? Wie läuft es bei euch?“Am Konkurrenzdenken ändere das aber nichts.
Erst recht, wenn sich der Titelkampf nun von Runde zu Runde bis zum Final-Rückspiel am 28. Juni zuspitzt, wie King meint: „Man schaut auf sich selbst, man muss guten Basketball spielen, sich im Turnier weiterentwickeln und Step für Step schauen.“