Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Lichthupe dankt
Nun auch Liveacts auf dem Messegelände: Erst war Kabarettist Addnfahrer zu Gast, dann Sebastian Reich
Wie viele schlechte Nachrichten waren in den vergangenen Monaten zu hören und zu lesen! Im Kulturbereich hieß es vor allem: Absage auf Absage geplanter Vorstellungen, Schließung von Theatern und Kinos. Aber dank der Idee zweier Augsburger Kulturveranstalter können jetzt auf dem Gelände der Messe Augsburg wieder Künstler live erlebt werden. Eine bessere Nachricht für die Kultur gibt es derzeit kaum.
Möglich gemacht hat es das Autokino Bayern – getreu dem Motto: Not macht erfinderisch. Die Macher des Lechflimmerns und des Konzertbüros Augsburg organisieren gemeinsam Live-Auftritte für Kabarettisten, Solokünstler und Musiker. Zudem kann das beliebte Lechflimmern, Schwabens erfolgreiches Freiluftkino, auch im Corona-Sommer unterm Sternenzelt stattfinden. Über all das freuen sich Künstler und Publikum gleichermaßen, wie man beim Auftaktwochenende zu den kommenden Liveacts eindrucksvoll erleben konnte. Eingeweiht wurde die Live-Bühne des Autokinos an der Messe Augsburg von Newcomer-Kabarettist Addnfahrer und von Bauchredner-Profi Sebastian Reich.
Wie hungrig das Publikum nach Live-Darbietungen ist, war bei Thomas Willibald alias Addnfahrer und dessen Programm „S’Lem is koa Nudlsuppen“eindrucksvoll zu erleben. Bis auf den letzten Standplatz 420 war das Autokino-Areal gefüllt. Die Nummernschilder verrieten, dass die Zuschauer aus der gesamten Republik angereist waren. Das lag natürlich auch am Künstler selbst. Addnfahrer ist via Youtube zum Star des sehr derben BayernKabaretts geworden. Mit seinen Clips hat er sich binnen kürzester Zeit eine beachtliche Fangemeinde geschaffen.
Eine leichte Verunsicherung Addnfahrers war bei diesem außergewöhnlichen Auftritt zu spüren. Auch wirkte er anfangs ein wenig verloren auf der kleinen Bühne. Umso präsenter erschien er für die Zuschauer auf den beiden riesigen Leinwänden. Einfach ist AutokinoShow gewiss nicht für Künstler. Das ist so ähnlich wie ein Geisterspiel im Fußball. Es fehlt die eigentlich so wichtige Kommunikationsfläche: das gemeinsame Lachen, das Klatschen, das Prusten, das Johlen. All das passiert normalerweise, wenn Addnfahrer seine kleinen Alltagsgeschichten in sprachlich höchst derber Ausformung in breitem Oberbayerisch zum Besten gibt. Einzige öffentliche Möglichkeit von Zuschauer-Anteilnahme im Autokino sind Hupe und Lichtsignale. Und so wusste Addnfahrer, dass seine Fans sich über seine missglückte erste Liebesnacht ebenso amüsierten wie über seine Kommentierung der Bravo-Leserbriefe an Dr. Sommer. Addnfahrer hatte zuvor erklärt, dass sein Auftritt ein Versuch sei. Nach der Premiere, kurz vor Mitternacht, war klar, dass sich seine Fans auf weitere Kleinkunst-Geisterspiele von Addnfahrer freuen dürfen.
Tags darauf stand BauchrednerProfi Sebastian Reich samt seinem bereits zur Legende gewordenen Nilpferd Amanda auf der Live-Bühne. Reich hatte schon mehrfach im Autokino gespielt, und das merkte man. Es schien, als fehlten ihm die üblichen Auftrittsumstände nicht; ja er schaffte es sogar, mit dem Publikum direkt zu kommunizieren. Und: Die Qualität seiner Bauchrednerfähigkeit scheint über die Jahre konstant weiterzusteigen. Wenn Amanda oder auch das Glücksschwein Pick Nick sprechen, so ist dies die perfekte Illusion. Nicht nur die Kinder in den Autos – Reich ist Familienprogramm par excellence – sind davon begeistert. Nur wer auf Reichs Atmung genau achtet, kann erahnen, dass er tatsächlich aktiv ist, wenn seine Figuren sprechen. Es war deutlich zu spüren, wie sehr sich Reich freute, endlich wieder auf einer Live-Bühne stehen zu können, auch wenn seine Zuschauer mit Maske, sprich Windschutzscheibe, vor ihm saßen.
Er hatte ein Best-of-Programm mitgebracht, aber dennoch waren seine Dialoge von großer Spontaneität gekennzeichnet – etwa wenn eine Windböe etwas bedrohlich über die Bühne strich. Dass die Zuschauer sich mit Reich bestens unterhielten, zeigten die immer wieder heftig eingesetzten Lichthupen und Warnblinker. Beleuchteten sie freudig nach der Gesangsdarbietung des Glücksschweins dessen musikalische Qualität als „Bauch-Sänger“, so signalisierten die wild aufflackernden Lampen beim Wort „Spezifisch“, dass hier viele eingefleischte Fans von Amanda in den Autos saßen.
Und so ging mit einem kräftigen Lichthupenspiel als Applaus und Dank an die Künstler und die Veranstalter das erste Wochenende mit Liveacts im Autokino Bayern zu Ende.
Auch mit dabei: Ein Nilpferd namens Amanda