Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Prozess um „Onecoin“: Gericht spricht Angeklagte frei
Zwei Männer aus der Region standen vor Gericht, weil sie strafbare Werbung für die virtuelle Währung gemacht haben sollen
Die Erleichterung ist zu spüren, als der Richter die beiden Angeklagten vom Vorwurf der verbotenen Werbung freispricht. Der 62-jährige Augsburger und sein 59-jähriger Friedberger Kollege arbeiten seit vielen Jahren in der Versicherungsbranche und hatten ab 2015 auch Geschäfte mit der angeblichen virtuellen Währung „Onecoin“gemacht. Hätte der Richter der Forderung der Staatsanwaltschaft entsprochen, hätten die Angeklagten Wertersatz von insgesamt fast 750 000 Euro leisten müssen – zweifellos der finanzielle Ruin, persönlich wie geschäftlich.
Bei der Fortsetzung der Verhandlung zeigten mehrere Zeugen ein anderes Bild, als es die Anklage den Geschäftsleuten vorhielt. Die Zeugen stellten klar: Ihnen sei es bei der Geschäftsbeziehung zu den Angeklagten allein darum gegangen, in „Onecoins“, eine neuartige Kryptowährung, zu investieren. Dass das Geschäftsmodell der Betreiberfirma vielfältige Provisions-Elemente beinhalte, sei für sie nicht bedeutsam gewesen. Niemand habe sich oder die Angeklagten dadurch bereichern wollen. Eine 56-jährige Zeugin hatte nach ihren Worten rund 35000 Euro in das Onecoin-System einbezahlt – stets in bar beim 59-jährigen Angeklagten. Derzeit besitze sie rund 1,2 Millionen „Onecoin“, sagte sie. Und der „Kurs“des Onecoin zum Euro betrage aktuell über 43 Euro. Ihr sei klar gewesen, dass die Investition Risiken bis hin zum Totalverlust berge. Aber nach wie vor sehe sie die Chance auf Reichtum. Eine 55-jährige Fachlehrerin bestätigte, dass sie es im Herbst 2015 gewesen sei, die bei den beiden Angeklagten mittels zweier Gutachten anfängliche Zweifel über das System „Onecoin“zerstreut habe. Eines dieser Gutachten stammt von Stephan Schulenberg, Verteidiger des 62-jährigen Angeklagten.
Immer wieder ließ sich Richter Markus Eberhard von den Angeklagten, von ihren Verteidigern und von den Zeugen Einzelheiten des Onecoin-Systems erklären. Dann stand für ihn seine Ansicht fest, wie er sie auch im Urteil formulierte. Er sprach die Angeklagten vom Vorwurf der verbotenen Werbung frei. Ein Kettenelement, wie es die Rechtsprechung für ein Verbot fordere, sei nicht zu erkennen, hingegen eine zulässige Form von Strukturvertrieb.
Dass es keine Mindestabnahme gebe, die Höhe der Investitionen frei wählbar sei, das Provisionssystem nicht im Vordergrund stehe oder es keinen Zwang zum Aufbau einer Vertriebsstruktur gebe: Solche Gründe nannte er dafür, dass er das Modell nicht für strafbar halte. Ob hinter dem System eine Betrugsmasche stehe, ob der Kurs beliebig festgesetzt werde – darüber habe nicht er zu entscheiden. Am Tun der Angeklagten könne er nichts Strafbares finden.
Damit folgte der Richter der Argumentation der beiden Verteidiger, die eben jenen Freispruch gefordert hatten. Rechtsanwalt Schulenberg und dessen Kollege Moritz Braun hatten das Bild zweier langjähriger Versicherungs- und Finanzberater gezeichnet, die angesichts der Krise bei den Lebensversicherungen auf ein neues Finanzprodukt gestoßen waren. In gewisser Weise seien die Angeklagten selbst Opfer des Systems „Onecoin“geworden, nachdem ihre Unternehmen zum Fall für die Staatsanwaltschaft geworden seien. Onecoin gilt als bislang größter Betrugsfall mit einer angeblichen Kryptowährung. Ermittler gehen davon aus, dass Hunderttausende Anleger weltweit mehr als vier Milliarden Dollar verloren haben könnten.
Zeugen entlasten die beiden Angeklagten