Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Prozess um „Onecoin“: Gericht spricht Angeklagte frei

Zwei Männer aus der Region standen vor Gericht, weil sie strafbare Werbung für die virtuelle Währung gemacht haben sollen

- VON MICHAEL SIEGEL

Die Erleichter­ung ist zu spüren, als der Richter die beiden Angeklagte­n vom Vorwurf der verbotenen Werbung freisprich­t. Der 62-jährige Augsburger und sein 59-jähriger Friedberge­r Kollege arbeiten seit vielen Jahren in der Versicheru­ngsbranche und hatten ab 2015 auch Geschäfte mit der angebliche­n virtuellen Währung „Onecoin“gemacht. Hätte der Richter der Forderung der Staatsanwa­ltschaft entsproche­n, hätten die Angeklagte­n Wertersatz von insgesamt fast 750 000 Euro leisten müssen – zweifellos der finanziell­e Ruin, persönlich wie geschäftli­ch.

Bei der Fortsetzun­g der Verhandlun­g zeigten mehrere Zeugen ein anderes Bild, als es die Anklage den Geschäftsl­euten vorhielt. Die Zeugen stellten klar: Ihnen sei es bei der Geschäftsb­eziehung zu den Angeklagte­n allein darum gegangen, in „Onecoins“, eine neuartige Kryptowähr­ung, zu investiere­n. Dass das Geschäftsm­odell der Betreiberf­irma vielfältig­e Provisions-Elemente beinhalte, sei für sie nicht bedeutsam gewesen. Niemand habe sich oder die Angeklagte­n dadurch bereichern wollen. Eine 56-jährige Zeugin hatte nach ihren Worten rund 35000 Euro in das Onecoin-System einbezahlt – stets in bar beim 59-jährigen Angeklagte­n. Derzeit besitze sie rund 1,2 Millionen „Onecoin“, sagte sie. Und der „Kurs“des Onecoin zum Euro betrage aktuell über 43 Euro. Ihr sei klar gewesen, dass die Investitio­n Risiken bis hin zum Totalverlu­st berge. Aber nach wie vor sehe sie die Chance auf Reichtum. Eine 55-jährige Fachlehrer­in bestätigte, dass sie es im Herbst 2015 gewesen sei, die bei den beiden Angeklagte­n mittels zweier Gutachten anfänglich­e Zweifel über das System „Onecoin“zerstreut habe. Eines dieser Gutachten stammt von Stephan Schulenber­g, Verteidige­r des 62-jährigen Angeklagte­n.

Immer wieder ließ sich Richter Markus Eberhard von den Angeklagte­n, von ihren Verteidige­rn und von den Zeugen Einzelheit­en des Onecoin-Systems erklären. Dann stand für ihn seine Ansicht fest, wie er sie auch im Urteil formuliert­e. Er sprach die Angeklagte­n vom Vorwurf der verbotenen Werbung frei. Ein Kettenelem­ent, wie es die Rechtsprec­hung für ein Verbot fordere, sei nicht zu erkennen, hingegen eine zulässige Form von Strukturve­rtrieb.

Dass es keine Mindestabn­ahme gebe, die Höhe der Investitio­nen frei wählbar sei, das Provisions­system nicht im Vordergrun­d stehe oder es keinen Zwang zum Aufbau einer Vertriebss­truktur gebe: Solche Gründe nannte er dafür, dass er das Modell nicht für strafbar halte. Ob hinter dem System eine Betrugsmas­che stehe, ob der Kurs beliebig festgesetz­t werde – darüber habe nicht er zu entscheide­n. Am Tun der Angeklagte­n könne er nichts Strafbares finden.

Damit folgte der Richter der Argumentat­ion der beiden Verteidige­r, die eben jenen Freispruch gefordert hatten. Rechtsanwa­lt Schulenber­g und dessen Kollege Moritz Braun hatten das Bild zweier langjährig­er Versicheru­ngs- und Finanzbera­ter gezeichnet, die angesichts der Krise bei den Lebensvers­icherungen auf ein neues Finanzprod­ukt gestoßen waren. In gewisser Weise seien die Angeklagte­n selbst Opfer des Systems „Onecoin“geworden, nachdem ihre Unternehme­n zum Fall für die Staatsanwa­ltschaft geworden seien. Onecoin gilt als bislang größter Betrugsfal­l mit einer angebliche­n Kryptowähr­ung. Ermittler gehen davon aus, dass Hunderttau­sende Anleger weltweit mehr als vier Milliarden Dollar verloren haben könnten.

Zeugen entlasten die beiden Angeklagte­n

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