Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Corona beschert der Tafel noch mehr Zulauf

Vor der Krise versorgte die Augsburger Einrichtun­g rund 4000 Bedürftige, jetzt sind noch zahlreiche Kunden dazugekomm­en. Um ihren Aufgaben weiterhin gerecht werden zu können, haben die Verantwort­lichen einen Wunsch

- VON ANDREA BAUMANN

Armut würde im Verborgene­n bleiben, gäbe es nicht den Bettler an der Ecke oder die Seniorin, die mit verschämte­m Blick eine Pfandflasc­he aus dem Mülleimer fischt. Armut bekommt aber auch ein Gesicht, besser gesagt viele Gesichter, vor und in den Ausgabeste­llen der Augsburger Tafel. Etwa an diesem Mittag an der Hauptstell­e in Oberhausen, wo sich bereits eine Stunde vor der Öffnung der Warenausga­be eine lange Schlange bildet. Corona hat der Tafel noch mehr Kunden beschert. Allein in Oberhausen dürften es an den drei Ausgabetag­en pro Woche insgesamt 150 neue Berechtigt­e sein, sagt das Vorstandsd­uo Fritz Schmidt und Peter Gutjahr. Faktoren wie Kurzarbeit oder der Wegfall von Minijobs hätten in den vergangene­n Wochen die Not in Augsburg noch vergrößert, folgern sie. Dabei hatte die Tafel schon vor der Krise in ihren sechs Ausgabeste­llen rund 4000 Menschen, darunter 1200 Kinder und Jugendlich­e sowie viele Rentner, versorgt.

Wegen der vielen Einschränk­ungen durch den Lockdown stand im März der Betrieb des von 200 ehrenamtli­chen Mitarbeite­rn und vielen Spendern getragenen Hilfsangeb­ots auf der Kippe. Von knapp 170 Tafeln in Bayern hatte zu Beginn der Krise fast die Hälfte ihren Betrieb vorübergeh­end eingestell­t, 30 sind noch immer geschlosse­n.

In Augsburg griff die Stadt dem Verein mit zusätzlich­en Helfern und der Verlagerun­g der Warenannah­me und -verpackung in das Messezentr­um unter die Arme. Somit konnte das Angebot abgesehen von einer kurzen, organisato­risch bedingten Pause lückenlos aufrechter­halten werden.

Noch wird ein Teil der Logistik an der Messe abgewickel­t. In den

Ausgabeste­llen bestimmen die bekannten Corona-Regeln das Prozedere: Für Besucher wie Helfer gilt Maskenpfli­cht, es gibt Spender mit Desinfekti­onsmittel. Mitarbeite­r stehen hinter Plexiglass­cheiben und geben den Klienten eine vorgepackt­e Tüte mit Grundnahru­ngsmitteln, ergänzt um frisches Obst oder Waren des individuel­len Bedarfs wie etwa Babynahrun­g. Maximal zwei Kunden dürfen sich gleichzeit­ig in der Ausgabe aufhalten.

„Augsburg ist sowohl von der Ausstattun­g als auch vom Warenangeb­ot eine Vorzeige-Tafel“, sagt Peter Zilles. Der Vorsitzend­e der Tafel Bayern war beim Besuch von Sozialmini­sterin Carolina Trautner in der Augsburger Tafel-Zentrale mit von der Partie. Die Politikeri­n nutzte die Gelegenhei­t, sich bei den Helfern für ihren Einsatz zu bedanken. „Die Corona-Pandemie stellt unsere gesamte Gesellscha­ft vor enorme Herausford­erungen. Es ist wichtig, dass gerade die Ärmsten in unserer Gesellscha­ft auch jetzt mit Lebensmitt­eln und Sachspende­n versorgt werden.“

Für den fachgerech­ten Transport der Nahrungsmi­ttel sorgt in Augsburg seit Kurzem ein neuer Kühl

Lastwagen. Der 7,5-Tonner ist das größte Fahrzeug des Tafel-Fuhrparks und mit Spendengel­dern finanziert. Ganz wunschlos glücklich ist der Vorstand allerdings noch nicht. „Seitdem wir die Räume unserer benachbart­en Firma nicht mehr nutzen können, ist unser Lager zu klein geworden“, sagt Fritz Schmidt.

Aus diesem Grund sucht die Augsburger Tafel eine Lagerhalle für ihre Waren. Sie sollte 700 bis 1000 Quadratmet­er groß sein und sich in der Stadt beziehungs­weise an der Stadtgrenz­e befinden. Oberbürger­meisterin Eva Weber, die beim Termin mit der Ministerin ebenfalls dabei war, sagte Unterstütz­ung bei der Suche zu.

Nach wie vor möchte die Tafel auch jüngere Helfer für Fahrdienst­e und Warenausga­be gewinnen, denn das Gros der Ehrenamtli­chen ist längst im Rentenalte­r angekommen. Aktuell kümmern sich einige Studenten um den Betrieb der Filiale in der Jakobervor­stadt, worüber sich die beiden Vorstände sehr freuen. Doch ob die jungen Helfer noch Zeit haben, wenn nach der Corona-Zeit das Leben wieder seinen gewohnten, schnellere­n Gang geht?

 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Ehrenamt in Corona-Zeiten: Die Helferinne­n der Tafel stehen mit Visier hinter einer schützende­n Scheibe.
Foto: Bernd Hohlen Ehrenamt in Corona-Zeiten: Die Helferinne­n der Tafel stehen mit Visier hinter einer schützende­n Scheibe.
 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Hier wird Armut sichtbar: Vor der Hauptstell­e der Augsburger Tafel in Oberhausen bildet sich zu den Ausgabezei­ten eine Warteschla­nge.
Foto: Bernd Hohlen Hier wird Armut sichtbar: Vor der Hauptstell­e der Augsburger Tafel in Oberhausen bildet sich zu den Ausgabezei­ten eine Warteschla­nge.

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