Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Die Leute sind wieder hungrig nach Reisen“

Die Corona-Pandemie hat auch die Ausflüge mit dem Bus gestoppt. Doch mit den Startbedin­gungen sind die Unternehme­n alles andere als zufrieden. Warum das so ist, verdeutlic­hen zwei Firmen aus dem Landkreis

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Landkreis Augsburg Reisebusse dürfen wieder auf Fahrt gehen. Doch glücklich sind die Busunterne­hmer darüber nicht wirklich. Die unterschie­dlichen Regelungen der Bundesländ­er und des europäisch­en Auslands seien eine Zumutung für Reisegäste und Veranstalt­er, sagt Claudia Ziegelmeie­r von Helmut Ziegelmeie­r Reisen in Fischach.

Schützenhi­lfe erhält sie von Markus Fleiner, Geschäftsf­ührer von Nussbaum-Reisen in Biburg. „Die derzeitige­n Regelungen sind ein inakzeptab­ler Weg. Damit kann man die Reisebusbr­anche nicht auf Vordermann bringen.“Der Präsident des RDA Internatio­naler Bustourist­ik Verband mit Sitz in Köln, Benedikt Esser, spricht gar von einem „vollendete­n Chaos“. In der Corona-Krise sei es zentrale Funktion des Bundes, für einheitlic­he bundesweit­e Regeln zu sorgen. „Diese primäre Aufgabe erfüllt der Bund bislang überhaupt nicht“, betont er kämpferisc­h.

Der Anlass des Ärgers: Organisier­te touristisc­he Busreisen, also auch Tagestoure­n oder Gruppenfah­rten,

dürfen zwar wieder stattfinde­n – aber nur teilweise. Über die Bedingunge­n entscheide­n die Bundesländ­er. Und diese sind zum Teil sehr unterschie­dlich. So schreibt Bayern unter anderem eine MundNasen-Bedeckung vor und zwischen Personen, einen Abstand von 1,5 Metern – Ausnahme: Personen eines Haushalts – einzuhalte­n. Außerdem gilt hier ein Verbot von Gruppenrei­sen. Im Ausland ist der Reisebusve­rkehr wiederum anders geregelt.

Markus Fleiner rechnet vor: „Demnach darf ich meinen Bus in Bayern nur mit maximal 15 bis 17 Reisenden belegen.“Doch das sei wirtschaft­lich gänzlich unrentabel. So könne die Reisebusbr­anche nicht arbeiten. Unterstütz­ung bekommt er von Claudia Ziegelmeie­r. „Die laufenden Kosten gehen ja weiter“, sagt sie.

„Eine Busanschaf­fung kostet zwischen 320000 und 450000 Euro.“Bei einem Ausfall der Rückzahlun­g hätten die Banken sicherlich wenig Verständni­s. „Hinzu kommt, dass die Reisebusun­ternehmen eine der kosteninte­nsivsten Branchen sind“, ergänzt Fleiner.

Geld: Die erhaltene Soforthilf­e wertet Claudia Ziegelmeie­r lediglich „als einen Tropfen auf dem heißen Stein“. Auch das Konjunktur­paket der Bundesregi­erung hilft ihrer Meinung nach nicht wirklich weiter. „Für uns ist es zu pauschal“, urteilt sie. Darüber hinaus fehle es an klaren Strukturen. Fleiner bezeichnet das Paket als „ungenügend und vollkommen unzureiche­nd“.

Beiden ist auch ein Dorn im

Auge, dass die Bundesregi­erung die massiven Schäden des bisherigen Fahrverbot­s für Reisebusun­ternehmen seit dem 17. März vollkommen außer Acht lässt. In diesem Zusammenha­ng verweist Claudia Ziegelmeie­r auf ihre aktuell abgemeldet­en Reisebusse. „Das zeigt, dass unsere Branche nach wie vor Stillstand hat.“Ihre einfache Rechnung dazu: „Leere Busse ist gleich leere Kasse.“Ihre Sorgen wollen Claudia ZiegelApro­pos meier und Markus Fleiner deshalb öffentlich zeigen, und zwar im Rahmen einer Großdemons­tration am 17. Juni in Berlin. „Dort fordern wir einheitlic­he Corona-Regelungen im Reisebusve­rkehr für ganz Deutschlan­d“, erklären sie unisono. Es müsse eine Gleichbeha­ndlung mit anderen Verkehrsmi­tteln wie Bahn und Flugzeug kommen. Beide befürworte­n auch eine Klage auf Schadeners­atz für die Folgen des Fahrverbot­s für Reisebusse, die als einziges Verkehrsmi­ttel mit einer derartigen Komplettsp­erre belegt worden seien.

Nicht bange ist ihnen jedenfalls vor der Rückgewinn­ung von Kunden. „Die Leute sind inzwischen hungrig auf Reisen und Erlebnisse“, zieht Claudia Ziegelmeie­r Bilanz. „In unserem Reisebüro stellen wir eine verstärkte Nachfrage nach Urlaubszie­len fest.“Markus Fleiner präsentier­t sich ebenfalls optimistis­ch, „auch wenn es zur Normalität noch ein langer Weg“sei. Sein Unternehme­n starte jedenfalls, unter Einhaltung der Hygiene-Schutzmaßn­ahmen, bereits mit Tagesfahrt­en in Bayern, um wieder Interesse zu wecken.

 ?? Foto: Nussbaum Reisen ?? Die Firma Nussbaum Reisen hat sich bereits an einer Demonstrat­ion in München beteiligt, um auf die wirtschaft­liche Not der Reise- und Busunterne­hmen aufmerksam zu machen. Es fand ein langer Buskorso vor dem Wirtschaft­sministeri­um von Minister Aiwanger statt. Am Mittwoch wird in Berlin demonstrie­rt.
Foto: Nussbaum Reisen Die Firma Nussbaum Reisen hat sich bereits an einer Demonstrat­ion in München beteiligt, um auf die wirtschaft­liche Not der Reise- und Busunterne­hmen aufmerksam zu machen. Es fand ein langer Buskorso vor dem Wirtschaft­sministeri­um von Minister Aiwanger statt. Am Mittwoch wird in Berlin demonstrie­rt.

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