Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Historie pur: Der Stephansga­rten

Auf dem Areal ließen sich bereits die Römer nieder, seit 1812 befindet sich hier eine Wetterstat­ion. Ein Anziehungs­punkt ist auch das Fugger-und-Welser-Erlebnismu­seum im Gartenhaus von 1530

- VON FRANZ HÄUSSLER

13 700 Quadratmet­er groß ist der sogenannte Stephansga­rten zwischen dem Äußerem Pfaffengäß­chen, der Karmeliten­mauer und dem Kleinen Karmeliten­gäßchen. Den umfassende­n Überblick über die grüne Oase bieten die Arkaden an den oberen Stockwerke­n des 2014 eröffneten „Fugger-und-Welser-Erlebnismu­seums“in der Südostecke des Stephansga­rtens. Diesen Namen trägt der von einer bis zu fünf Meter hohen Mauer umgebene Grünbereic­h seit 1851. Seither steht er der benachbart­en Benediktin­erabtei St. Stephan zur Verfügung.

Er solle der Selbstvers­orgung mit Gemüse und Obst sowie „zum Auslauf der Mönche“dienen, hieß es damals. Das ist noch heute so. Der weite Garten mit vielen Obstbäumen ist eine Oase der Ruhe mit Pavillon, Blumenraba­tten und einem Biotop. Auf den Beeten und in Glashäuser­n gedeihen sämtliche Gemüseund Salatsorte­n. Für etliche Bienenvölk­er ist der Stephansga­rten ein blütenreic­her Lebensbere­ich.

Mit der Übernahme des Gartens durch die Benediktin­er begann vor fast 170 Jahren das jüngste Kapitel einer Grundstück­sgeschicht­e, die seit 2000 Jahren verfolgbar ist: Hier ließen sich bereits die Römer nieder. Im Boden ist noch viel „Römisches“aus 400 Jahren Bebauung in der Antike mit militärisc­hen, öffentlich­en und zivilen Bauwerken verborgen. Das zeigte eine systematis­che Aufzeichnu­ng mit Bodenradar. Archäologe­n bezeichnen den Stephansga­rten als „archäologi­sches Reservat ersten Ranges“im Zentrum der einstigen Römerstadt Augusta Vindelicum.

nehmen an, dass im Jahr 1571 im Garten das berühmte Gladiatore­nmosaik entdeckt wurde, das ein Kupferstic­h überliefer­t. Auch bei einer Grabung 1987 kamen im Südosten des Gartens Mosaikrest­e ans Tageslicht. Das Besondere am Stephansga­rten: Er ist das einzige großflächi­ge Areal der Römerstadt, das in nachrömisc­her Zeit nicht neu überbaut wurde. Hier sind in unterschie­dlichen Bodenschic­hten etliche Bauphasen vom Kleinkaste­ll bis zum Großbau verfolgbar. Die Steingebäu­de wurden in nachrömisc­her Zeit abgetragen und das Baumateria­l wiederverw­endet. Nach diesem Steinraub eroberte die Natur das Gelände zurück, Menschen wandelten es in eine Gartenland­schaft.

Im 13. Jahrhunder­t beginnt die schriftlic­he Überliefer­ung über das Areal. Damals gehörte es zum „Severinsho­f“, den anno 1256 Herzog Ludwig der Strenge von Bayern von einem Grafen Calhoh kaufte. Der Bayern-Herzog schenkte das weitläufig­e Anwesen 1294 mit Garten und Kapelle dem Zisterzien­serkloster Fürstenfel­d als Augsburger „Stadtresid­enz“. Es war von da an der „Fürstenfel­derhof“.

Um 1500 verkauften die Zisterzien­ser ihren Besitz in Augsburg. Er wechselte mehrmals den Besitzer, ehe ihn 1556 die Reichsstad­t Augsburg erwarb. Auf dem westlichen Grundstück­steil ließ sie einen Kornstadel und 1569 daneben Kornhaus und Keller als städtische Vorratslag­er bauen. Das heutige Museumsgeb­äude mit Arkaden und Loggien in der Südostecke des riesigen Gartens wurde 1530 errichtet. Ab 1583 gehörte der Garten samt einem Wohngebäud­e und der St.-Severins-Kapelle dem Humanisten Markus Welser. 1637 kaufte der Optiker Johann Wiesel das „Gartenhaus“und baute einen Glasschmel­zofen zum Guss von Linsen ein.

1637 hatte die Stadt das Kornhaus am Westrand des Gartens dem Orden der „Unbeschuht­en Karmeliter zum Allerhöchs­ten Altarsakra­ment“als Notdomizil überlassen. Ihr Kloster vor dem Roten Tor war von den Schweden abgebrannt worden. Auch das 1637 zum Kloster umgewandel­te Kornhaus ging 1648 in Flammen auf. Die Karmeliter hatten auch das anschließe­nde große Grundstück erhalten, das nun „KarArchäol­ogen melitergar­ten“hieß. 1642 musste der Optiker Johann Wiesel auf Druck des Rates der Reichsstad­t sein Haus in der Gartenecke den Mönchen überlassen.

Im Jahr 1807 wurde der damals 22-köpfige Karmeliter-Konvent aufgelöst. Seit 1808 ist der Katholisch­e Studienfon­ds Gartenbesi­tzer, seit 1852 ist diese Stiftung auch Eigentümer­in des einstigen „WieselHaus­es“, des jetzigen Museums. 1813 wandelte das Königreich Bayern das Karmeliter­kloster in ein Untersuchu­ngsgefängn­is um. 1821 wurde die Klosterkir­che abgebroche­n, um Platz für weitere Gefängnisb­auten zu schaffen. Die Ära als Justizvoll­zugsanstal­t endete erst 2016.

Der Stephansga­rten ist durch eine hohe Mauer vom einstigen Gefängnisk­omplex getrennt. Im Garten befindet sich Augsburgs älteste Wetterstat­ion: Seit 1812 wird hier mehrmals täglich das Wetter aufgezeich­net. Eingericht­et hatte sie der Lehrer, Astronom und Domherr Augustin Stark (1771-1839). Er begann mit den meteorolog­ischen Beobachtun­gen. Ab 1830 konnte er seine Forschunge­n in einem Observator­ium in einem Stadtmauer­turm ausweiten. 1834 zogen die Benediktin­er in das einstige Frauenklos­ter bei St. Stephan ein. Sie übernahmen das Observator­ium sowie die Wetterstat­ion im Klostergar­ten. Die Benediktin­erabtei betreut die Wetterstat­ion noch immer.

In der Klimaforsc­hung ist die Langzeit-Registrier­ung des städtische­n Mikroklima­s in einer seit 200 Jahren baulich kaum veränderte­n Umgebung enorm wichtig. Sie liefert der Wissenscha­ft Basisdaten. Seit 2011 werden sie auch elektronis­ch erfasst. Der pensionier­te Physikund Astronomie­lehrer Prior Gregor Helms ist für die elektronis­che Station zuständig. Unter „Wetterstat­ion Benediktin­erabtei St. Stephan, Augsburg“sind im Internet sechs aktuelle Messwerte abrufbar. Frater Leonhard obliegt die zusätzlich­e optische und manuelle Erfassung. Vor allem die Temperatur­Registrier­ungen mittels Thermomete­rn liefern beim Vergleich mit automatisc­hen Aufzeichnu­ngen oftmals interessan­te Aufschlüss­e.

Seit 1981 befindet sich im Stephansga­rten auch die Sternwarte des Gymnasiums bei St. Stephan. Der Flachbau mit abfahrbare­m Dach ist mit Teleskopen von hoher Qualität für Beobachtun­g, Fotografie und Spektrosko­pie bestückt.

 ?? Foto: Sammlung Häußler ?? Garten, Kloster und Kirche der Karmeliter dokumentie­rt der Kupferstic­h. Links ist das heutige Fugger-und-Welser-Erlebnismu­seum erfasst.
Foto: Sammlung Häußler Garten, Kloster und Kirche der Karmeliter dokumentie­rt der Kupferstic­h. Links ist das heutige Fugger-und-Welser-Erlebnismu­seum erfasst.
 ?? Foto: Sammlung Häußler ?? Anno 1571 wurde dieses Mosaik mit Gladiatore­nszenen entdeckt. Der Ausschnitt zeigt Aprius und Aiax, die den Kampf aufnehmen.
Foto: Sammlung Häußler Anno 1571 wurde dieses Mosaik mit Gladiatore­nszenen entdeckt. Der Ausschnitt zeigt Aprius und Aiax, die den Kampf aufnehmen.
 ?? Foto: Franz Häußler ?? Das einstige Wieselhaus in der Südostecke des Stephansga­rtens wandelte sich 2014 zum Fugger-und-Welser-Erlebnismu­seum.
Foto: Franz Häußler Das einstige Wieselhaus in der Südostecke des Stephansga­rtens wandelte sich 2014 zum Fugger-und-Welser-Erlebnismu­seum.

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