Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mountainbiker der Region tun sich zusammen
Ein neu gegründeter Verein will dem viele Jahre alten Streit um das Radfahren in Wäldern ein Ende machen. Ein Gespräch über die größten Probleme, mögliche Lösungen und die Ideen für eine gemeinsame Nutzung des Waldes
Seit Jahren schwelt in den Wäldern rund um Augsburg ein Konflikt, für den bisher niemand eine Lösung gefunden hat. Die zentrale Frage: Wo und wie dürfen Mountainbiker ihren Sport ausüben? Die Gespräche zwischen Grundbesitzern und Radfahrern scheiterten bislang auch daran, dass die Mountainbiker keine Interessenvertretung hatten. Jetzt hat sich in Augsburg eine Gruppe engagierter Sportler zusammengetan, um den Konflikt beizulegen: der Verein MTB Augsburg. Ein Gespräch mit den Vorsitzenden.
Was will der neue Verein MTB Augsburg denn erreichen?
Tanja Binder: Der Mountainbikesport boomt. Bis heute fehlt es allerdings an der Schaffung naturverträglicher Trailnetze für die Ausübung unseres Sports. Dafür wollen wir uns im Raum Augsburg einsetzen. Im Fall einer ausbleibenden Kooperation der Grundeigentümer und Behörden sind wilder Trailbau und unkontrollierte Eingriffe in die Natur zu erwarten. Um uns langfristig in Gesprächen mit den Entscheidungsträgern für die Radfahrer starkmachen zu können, haben wir den Verein gegründet. Tausende Freizeitsportler aus dem Augsburger Raum müssen endlich Gehör finden.
Mountainbiken ist zu einem allgemeinen Trend geworden, oder?
Bernd Brugger: Mir ist wichtig zu unterstreichen, dass es „den Mountainbiker“so nicht gibt, da diese Sportart mittlerweile im Breitensport angekommen ist. Das bedeutet, wir haben einen Querschnitt durch die Gesellschaft. Ähnlich wie beim Ski kann man wegen ein paar Pistenrowdys nicht den kompletten Sport anprangern. Dieses Bewusstsein ist in meinen Augen bisher in der Gesellschaft noch nicht angekommen. In unseren Reihen befinden sich Polizisten, Lehrer, Feuerwehrler und viele andere Stützen der Gesellschaft, die man durch ein generelles Verbot auf einen Schlag kriminalisieren würde. Im Gegensatz zu anderen Sportarten wie Fußball fehlte hier regional bisher noch ein zentrales Organ, das sowohl das Angebot und die Interessen verwaltet, als auch den Nachwuchs prägt und ihm Etikette und den entsprechenden Umgang mit der Natur vermittelt.
Die Problematik ist nicht neu. In den vergangenen Jahren kam es im Wald immer wieder zu Konflikten, zum Bei
spiel zwischen Radlern und Spaziergängern. Was kann der Verein tun? Binder: Leider gibt es immer wieder unschöne Begegnungen zwischen Mountainbikern und Spaziergängern. Wanderer fühlen sich durch zu schnelle Radfahrer gefährdet. Mountainbiker berichten über Beschimpfungen und Hinweise, dass sie unerlaubt fahren würden. Dies entspricht nicht der bayerischen Gesetzeslage. Leider sind es wie überall immer ein paar wenige, die durch rücksichtsloses Verhalten den gesamten Sport in ein schlechtes Licht rücken. Wir setzen uns für die Schaffung von Trails
ein, möchten aber keine reinen Mountainbikestrecken im Naturpark. Vielmehr setzen wir in der Region auf das „Shared-Trails-Prinzip“wie zum Beispiel auf den Wienerwaldtrails in Österreich, das Wanderern und Mountainbikern einen Mehrwert bietet. Selbstverständlich beinhaltet dies gegenseitige Rücksichtnahme.
Auch die Eigentümer von Waldflächen äußern immer wieder ihre Probleme mit dem Mountainbikesport.
Inga Müller: Wir haben leider eine etwas verzwickte Situation in den Westlichen Wäldern. Die Flächen
sind auf verschiedene Eigentümer verteilt, die die Lage mit den Mountainbikern unterschiedlich handhaben. Was im einen Waldstück geduldet wird, wird im nächsten geahndet. Bei den Besitzern verursacht der illegale Streckenbau häufig Sorgen über einen möglichen wirtschaftlichen Schaden. Viel schwerer wiegt jedoch die Angst vor der Haftung. Es gibt Urteile, die die Eigentümer von ihrer Verantwortung freigesprochen haben, dennoch kursiert viel Unwissenheit in diesem Bereich, da klare Regelungen fehlen. Ein weiterer Faktor sind politische Entscheidungen, wie der Bedarf an Ökokonten und Ausgleichsflächen. Werden diese benötigt, sieht der Waldbesitzer natürlich Handlungsbedarf. Wenn verschiedene Faktoren zusammenkommen, haben wir
schließlich ein Ergebnis wie aktuell in Deuringen: Trailsperrungen und Hinweisschilder mit rechtlich fragwürdigem Inhalt.
Auch Naturschützer erheben die Stimme gegen Mountainbiker. Was kann der Verein in diesem Zusammenhang unternehmen?
Brugger: Der Konflikt mit dem Naturschutz besteht hauptsächlich in einer fehlenden Lenkung des Bedarfs. Die Schaffung von legalen Möglichkeiten, die die Bedürfnisse der Mountainbiker erfüllen, wären auch unter naturschutztechnischen Gesichtspunkten der beste Kompromiss. Außerdem konnte in Studien bereits aufgezeigt werden, dass das Mountainbiken keine negativeren Auswirkungen auf die Natur hat als andere Natursportarten. Unter der aktuellen Situation leiden allerdings alle Beteiligten und nicht zuletzt die Natur, wenn 50 Zentimeter breite Trails im Wald mit Einsatz von schwerem Gerät zerstört werden, Bäume gefällt und in den Weg gelegt werden und Metallpfosten in seit Jahrzehnten bestehende und sowohl von Wanderern als auch Bikern genutzte Trails betoniert werden.
Wie kann der Verein in diesen drei Bereichen aktiv werden?
Müller: Wir müssen geschlossen an die jeweiligen Parteien herantreten und freundlich, aber auch klar unser Anliegen formulieren. Gleichzeitig ist es wichtig aufzuzeigen, dass wir nicht nur fordern, sondern auch einen Mehrwert bieten. Wir sind zu Gast im Wald und dazu gehört auch das Interesse an dem Ort, in dem wir uns bewegen. So werden wir für einen „Biker-Knigge“eintreten, der unter anderem Rücksichtnahme gegenüber Spaziergängern und Wildtieren vorsieht. Außerdem planen wir Müllsammelaktionen, bieten Jägern und Förstern unsere Unterstützung bei Aufforstungsarbeiten an und setzen auf weitere Kooperationen. Wir sind keine rüpelhaften Nutznießer, Geben und Nehmen heißt das Prinzip.
Welche Ideen hat der neue Verein noch?
Binder: Als Grundschullehrerin erlebe ich seit geraumer Zeit, wie Kinder das Mountainbiken für sich entdecken. Dank Youtube- und Instagramstars wie Fabio Wibmer und Danny MacAskill ist es wieder cool, mit Freunden im Wald zu sein und sich an neuen Tricks zu messen. Besser als vor dem PC und Handy zu sitzen. Diese Jugendlichen benötigen eine Chance, ihren Sport ausüben zu können. Langfristig betrachtet möchten wir uns dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) anschließen, um Lizenzen zur Teilnahme an Radsportveranstaltungen erteilen zu können.
Sie sehen den Sport also als Jugendförderung?
Müller: Durchaus. Als Mama und Mittelschullehrerin sehe ich einen wichtigen Fokus in der Jugendförderung. Gerade auch sozial benachteiligte Jugendliche, die dringend den Kontakt zur Natur brauchen könnten, sind mir dabei ein Anliegen. Brugger: Mein Traum wäre es, naturnah und ohne Auto auch daheim mit dem Mountainbike legale und erstklassige Trails befahren zu können, wie man es erfolgreich aus anderen Regionen in Deutschland und Österreich kennt. Ich möchte der Allgemeinheit die Leidenschaft für naturverträgliches Biken näherbringen.
Interview: Tobias Karrer