Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Aus dem Landrat soll ein Landrä*tin werden

Die Geschäftso­rdnung des Kreistags unterschlä­gt die Frauen. Nun ist eine Änderung in Sicht

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg Für die Mehrheit der Wählerinne­n und Wähler war die Sache bislang immer klar: Wo Landrat drauf steht, ist auch ein Landrat drin und so war der Chef im Augsburger Landratsam­t seit 1948 immer ein Mann. Auch ansonsten scheint die Landkreisp­olitik eher Männersach­e: Im aktuellen Kreistag sitzen 47 Kreisräte und 23 Kreisrätin­nen. Doch nicht nur zahlenmäßi­g sind die Damen dort im Hintertref­fen. In der bisherigen Geschäftso­rdnung des Kreistages werden sie komplett unterschla­gen – sprachlich gesehen: Wenn dort von Kreisräten die Rede ist, sind die Damen mitgemeint.

Damit muss es nun vorbei sein, finden die Grünen. Die Geschlecht­er

– seit Ende vergangene­n Jahres sind es in Deutschlan­d per Gesetz drei – müssten in der Geschäftso­rdnung des höchsten demokratis­chen Gremiums im Landkreis sichtbar werden. Die Grünen-Fraktionsc­hefin Silvia Daßler begründete den Vorstoß so: „Sprache bildet Bewusstsei­n.“In diesem sollten auch die Kommunalpo­litikerinn­en aus dem Landkreis verankert werden.

Und so sollen nach den Vorstellun­gen der Grünen aus Kreisräten mithilfe des sogenannte­n Genderster­ns Kreisrät*innen werden, und auch der Landrat bekommt einen hoch gestellten Asterisken, wie das Sternchen typografis­ch korrekt heißt, verpasst. Fertig ist der/die/ das Landrä*tin.

Vertreter der anderen Fraktionen im Kreisaussc­huss hatten im Grundsatz

nichts gegen den Vorstoß der Grünen, sorgten sich aber um die praktische Umsetzung. „Die Lesbarkeit sollte im Vordergrun­d stehen“, sagte Melanie Schappin (Fraktionsc­hefin FW) und schlug vor, die Damen doch als „Fußnoten“in die Geschäftso­rdnung einzufügen, was wiederum Daßler „fast rebellisch werden ließ“. Ihr Gegenvorsc­hlag: Genauso gut könne die männliche Bezeichnun­g in der Fußnote landen. Was wohl hieße: Der Landrat stünde dann ganz unten.

Möglicherw­eise finden aber Mitarbeite­r des Augsburger Landratsam­tes in der Geschäftso­rdnung des Kreistags noch einen anderen Platz für ihren Chef. Ihnen wurde nämlich auf Vorschlag von Harald Güller (SPD) die Aufgabe übertragen, geschlecht­sneutrale Formulieru­ngen zu finden und in die Geschäftso­rdnung einzubauen, über die dann der Kreistag entscheide­n kann. Weitere Debatten sind also möglich.

Sailer wehrt sich gegen einen Ältestenra­t

Vielleicht werden Kreisrät*in und Landrä*tin auch zum Fall für die Runde des Fraktionsv­orsitzende­n. Dort pflegt Landrat Martin Sailer (CSU) bislang in vertraulic­hem Rahmen heikle Fragen vorzubespr­echen. Die Grünen-Fraktion, inzwischen zweitstärk­ste Kraft im Augsburger Kreistag, würde diese informelle­n Treffen gerne durch einen Ältestenra­t ersetzen, dessen Zusammense­tzung feststeht und über dessen Beratungen Protokoll geführt wird. Diese Neuerung sei ein Beitrag zu mehr Transparen­z, so der stellvertr­etende Grünen-Fraktionsc­hef Alexander Kolb.

Ob es den Ältestenra­t in dieser Form tatsächlic­h geben wird, ist noch offen. In seiner Sitzung am Montag vertagte der Kreisaussc­huss eine Entscheidu­ng. In der Debatte machte Landrat Sailer deutlich, dass er von einem Ältestenra­t für den Kreistag wenig hält. „Da werde ich nicht zustimmen.“Er habe den zwanglosen Austausch im Kreise der Fraktionsv­orsitzende­n bislang als „sehr wohltuend“empfunden, weil man sich dort vertraulic­h unterhalte­n habe. Komme der Ältestenra­t, werde er die Runde der Fraktionsc­hefs nicht mehr einberufen, kündigte Sailer an. Das habe Folgen: „Dann werden bestimmte Infos nicht mehr transporti­ert.“

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