Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Unterricht zu Hause: Oft fehlt es an der Technik
Auch nach den Pfingstferien werden viele Schüler weiter digital unterrichtet. Doch nicht jeder verfügt auch über einen Computer. Schulen und Initiativen werden jetzt selbst aktiv. Die Stadt dagegen steht in der Kritik
Diesen Montag bog das Schuljahr in seine Zielgerade ein. Es sind nur noch wenige Wochen bis zu den Sommerferien, doch ein „normaler“Schulalltag wird sich bis dahin nicht einstellen. Nach wie vor können aufgrund der Abstandsregelungen nicht alle Schüler zeitgleich an ihre Schulen zurückkehren – ein Teil muss online unterrichtet werden. Nur: Nicht alle Schüler sind mit passenden Endgeräten ausgestattet und können demnach eher schlecht als recht am Unterricht teilnehmen.
„In den letzten Jahren ist an vielen Augsburger Schulen in Bezug auf Digitalisierung schon einiges passiert. Gleichzeitig sehen wir durch die Corona-Pandemie deutlich, dass wir uns noch mehr anstrengen müssen. Die coronabedingte Situation ist insofern wie ein Brennglas, welches klar und deutlich aufzeigt, wo die Handlungsbedarfe sind“, weiß die neue Bildungsreferentin Martina Wild (Grüne) um die Situation der Augsburger Schulen.
Denn auch die Schulen sind noch lange nicht auf dem neuesten Stand. Mit einem Glasfaseranschluss ausgestattet sind etwa die Hälfte der 70 vom Schulverwaltungsamt zu betreuenden Schulen. Aktuell ist das Schulverwaltungsamt dabei, die noch nicht angeschlossenen Schulen auszustatten. 2020 ist die Herstellung der Glasfaser-Anschlüsse für zehn Einrichtungen geplant, die 24 weiteren Schulen sollen dann 2021 und 2022 folgen. Gleiches Prozedere gelte für die Inhousevernetzung der Schulen, die Ausstattung mit LAN und WLAN also.
Viel Geld ist bislang vom Bund und Freistaat in die Digitalisierung der Schulen geflossen, beziehungsweise steht dafür bereit: 12,5 Millionen Euro stehen Augsburger Schulen aus dem Fördertopf Digitale Bildungsinfrastruktur an bayerischen Schulen zur Verfügung, 2,8 Millionen Euro an Fördermitteln aus dem Digitalbudget für das digitale Klassenzimmer, 1,5 Millionen Euro für die Herstellung von Glasfaseranschlüssen. Aus dem gerade neu aufgelegten Sonderausstattungsprogramm des Bundes in Höhe von 500 Millionen Euro erhält die Stadt Augsburg für die Beschaffung von Schülerleihgeräten zudem Mittel in Höhe von rund 1,66 Millionen
Euro. Doch diese Leihgeräte sind Zukunftsmusik.
Aufgrund des Coronavirus mussten Augsburger Schulfamilien in den vergangenen Monaten stattdessen schnell individuelle Lösungen finden. Die Mitglieder der Langner’schen Stiftung fällten gleich zu Beginn der Krise einen einstimmigen Beschluss. „Wir können auch gemeinnützige Zwecke unterstützen und stellten kurzfristig 20000 Euro für Augsburger Schüler zur Verfügung. So konnten Laptops und Tablets gekauft werden. Denn bedauerlicherweise ist nicht jeder Schüler optimal ausgestattet“, sagt Stiftungsrätin Sigrid Gribl.
60 Geräte wurden von der Stiftung gekauft und an die Stadt überreicht, die jeweils 20 Geräte an das Jakob-Fugger-, das Maria-Theresia-Gymnasium und die Agnes-Bernauer-Realschule übermittelte. „Viele Initiativen spenden nun Geräte an Schulen, da Ressourcen in der Bevölkerung ungerecht aufge
sind. Die ganze Gesellschaft sollte sich da selber an die Nase fassen und etwas tun“, betont Gribl.
Das Holbein-Gymnasium musste sich selber helfen. Durch eine Umfrage unter den Schülern, die sie nach den Osterferien erstellten, erhielten sie einen Einblick, wie viele Schüler zu Hause über kein Endgerät verfügten. Das Ergebnis: Zehn bis 15 Prozent fehlte der Zugang zu einem Computer. „Das lag teilweise daran, dass zu dieser Zeit die Eltern selber im Homeoffice waren und das Gerät benötigten. Das Problem ist, dass ohne entsprechende Ausstattung die Gefahr droht, den Schüler zu verlieren“, sagt Schuldirektor Dieter Fiedler. „Durch eine spontane Sammlung des Elternbeirats konnten kurzfristig 35 Endgeräte angeschafft werden. Schließlich halfen auch unsere Partner in der Wirtschaft“, berichtet Stephan Hildensperger, stellvertretender Schulleiter am Holbein-Gymnasium.
Seit Herbst unterstützen bei der von der IHK initiierten Schulpartnerschaft unter anderem die Augsburger Digitalunternehmen Xitaso und Baramundi das Gymnasium. Von beiden erhielt die Schule tatkräftige Unterstützung: Xitaso half bei der Optimierung einer Plattform für den Online-Unterricht, Baramundi sponsort knapp 60 Notebooks. Dieter Fiedler fühlt sich von der Stadt im Stich gelassen. „In anderen Kommunen sind in der Corona-Phase die Schulaufwandsträger auf die Schulen zugegangen. Wenn wir nicht selber aktiv geworden wären, hätten wir jetzt nichts. Und die Spende der Langner’schen Stiftung wurde an drei städtische Schulen verteilt, die staatlichen Schulen haben nichts bekommen“, kritisiert er.
Die Fraktion SPD/Die Linke hakte nach und stellte eine Anfrage an Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU), inwieweit die Stadt als Schulaufwandsträger die Lehrenden an den Augsburger Schulen im Hinteilt blick auf die erforderlichen Endgeräte zum Homeschooling unterstützt habe. SPD-Stadträtin Jutta Fiener sagt: „Das Schulverwaltungsamt ist in dieser Krise zu untätig gewesen und hat die Schulen mit ihrem Problem alleingelassen.“
Das Schulverwaltungsamt teilt auf Anfrage mit, dass man dankbar für das Engagement der Schulfamilien sei. Viele Schulen würden Einzelkooperationen mit lokalen Unternehmen eingehen und so auch ihren Gerätebestand durch Sachspenden aufbessern. Im Amt hofften die zuständigen Mitarbeiter, entsprechende Leihgeräte bis Anfang des neuen Schuljahres an Schüler herausgeben zu können. Bürgermeisterin Martina Wild: „Wir können nicht zulassen, dass ein Teil der Kinder und Jugendlichen abgehängt wird, weil sie nicht digital erreicht werden können. Durch das neu aufgelegte Förderprogramm sind dafür gute Grundlagen geschaffen worden.“