Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zug bringt neue Schienen
Rund um die Uhr wird zwischen Westheim und Gessertshausen im Gleisbett gearbeitet – nach 30 Jahren
Rund um die Uhr wird zwischen Westheim und Gessertshausen im Gleisbett gearbeitet. 30 Jahre liegen die bisherigen Schienen dort bereits.
Neusäß-Westheim/Diedorf Nachts sind sie vor allem zu hören, ob in Westheim, Diedorf, Hausen oder Gessertshausen: akustische Signale von der Bahnlinie Augsburg–Ulm. Dort sind noch bis zum 6. Juli Arbeiter damit beschäftigt, das Richtungsgleis zwischen Westheim und Gessertshausen zu erneuern. 30 Jahre liegen die Schienen dort bereits, nun sei es Zeit, sie auszutauschen, so ein Bahnsprecher. Rund um die Uhr wird seit dem vergangenen Wochenende an den Gleisen nun gearbeitet. Gleichzeitig läuft der Bahnverkehr aber größtenteils weiter. Um die Arbeiter vor dem Herannahen eines Zuges zu warnen, gibt es die Signale – und die müssten folglich lauter sein als der Baustellenlärm, so der Bahnsprecher.
Bereits in den vergangenen Wochen fertig erneuert wurde das Richtungsgleis zwischen der Hirblinger Straße in Augsburg und Westheim, nun ist der Abschnitt von dort nach Gessertshausen an der Reihe. Beide Bauabschnitte zusammen sind knapp zehn Kilometer lang. Gleiserneuerung, das bedeute den Austausch von Schienen, Schwellen und Schotter, so der Bahnsprecher. An wenigen Stellen, an denen der Untergrund weich ist, wird zusätzlich ein Sand-Kies-Gemisch, die sog. Planum-Schutzschicht (PSS), unter dem Schotterbett eingebaut. Für den Austausch von Schotter und PSS kommt eine sogenannte Bettungsreinigungsmaschine zum Einsatz. Diese Arbeiten finden gerade statt.
Für den Schienen- und Schwellenwechsel wird ein Gleisumbauzug eingesetzt. Bei beiden Maschinen handelt es sich um Großbaumaschinen, die mit den angehängten Waggons für Neu- und Altmaterial mehrere Hundert Meter lang sein können. Schon im Sommer vor vier Jahren war dieser Bauzug im Landkreis im Einsatz, damals auf dem Abschnitt von Dinkelscherben bis Kutzenhausen. Wie er arbeitet, war damals zu erleben: Die Maschine hebt die Gleise etwa einen halben Meter hoch an, Greifarme entfernen die alten Schwellen darunter und setzen gleich darauf neue ein. Dann werden die Schienen wieder abgesenkt.
Nach dem Einsatz der beiden Großbaumaschinen für das Schotterbett und den Schienenaustausch die Schienen im ThermitVerfahren verschweißt. Anschließend wird das Schotterbett mit einer sogenannten Stopfmaschine verdichtet und das Gleis so in Solllage gebracht. Das Schweißen kann teilweise nur nachts durchgeführt werden, weil tagsüber die Schienen durch die Sonneneinstrahlung zu heiß sind. Ansonsten fänden die Arbeiten weitgehend zwischen 6 und 22 Uhr statt, erläutert der Bahnsprecher den engen Zeitplan.
Seit rund einem Jahr laufen zudem die Planungen für den möglichen Ausbau der Bahnstrecke von Augsburg nach Ulm. Damit habe der Austausch der Schienen nun aber nichts zu tun. Als 2016 die Arbeiten bei Dinkelscherben stattfanden, hatten die Arbeiter dort bemerkt, dass das etwa gleich alte Material von Grund auf verbraucht war. So sei der Schotter teilweise einfach unter den Zügen zerbröselt, so der damalige Projektleiter. Zumindest in der Anfangszeit würden die Züge dann über die neuen, glatten Schienen spür- und hörbar leichter gleiten, so der Sprecher.
Obwohl zur Zeit im Leben mit Corona alles anders ist als noch vor wenigen Monaten, ist an den Planungen zur Ertüchtigung der Strecke von Augsburg nach Ulm keine Änderung geplant, so Bundestagsabgeordneter Hansjörg Durz aus Neusäß. „Im Gegenteil, mit dem Zukunfts- und Konjunkturpaket der Bundesregierung sollen noch mehr Gelder in Richtung Schiene gelenkt werden“, sagt er. Allerdings ändere das nichts daran, dass in Bezug auf die Bahnstrecke im westliwerden chen Landkreis zunächst die Planung vorankommen müsse.
Außerdem gab es im Vorfeld nicht nur Freude über die Bahnbaustelle. In Neusäß gab es im zuständigen Ausschuss eine Diskussion über die Einrichtung eines Lagerplatzes für diese Baustelle an der Stadtgrenze von Neusäß und Augsburg. Die Stadt Neusäß befürchtete zu viel Schwerlastverkehr über die Alpenstraße. Die Verwaltung der Stadt Neusäß hatte deshalb um einen anderen Plan zur Bedienung der Baustelle gebeten.
An der Alpenstraße, so bestätigt der Bahnsprecher, würden die neuen Materialien zwischengelagert. Die alten Baustoffe würden vor allem auf einem Lagerplatz bei Gessertshausen zwischengelagert, bevor sie nach einer Beprobung auf eine
Bauschutt- oder stärker gesicherte andere Deponie gebracht werden, so der Bahnsprecher. „Der Transport zwischen den Zwischenlagerplätzen und dem Ein- beziehungsweise Ausbauort an der Großbaumaschine erfolgt auf der Schiene. Dazu ist kein Lkw-Verkehr notwendig“, sagt er.
Wegen der Explosion eines Hauses nahe des Bahnhofes Günzburg kam es gestern zu Behinderungen auf der Strecke zwischen Ulm und Augsburg. Wie die Deutsche Bahn mitteilt, waren im Bahnhof Günzburg alle Gleise gesperrt. Die Züge aus Richtung Augsburg verkehrten bis Offingen und endeten dort vorzeitig. Auf die Baustelle bei Gessertshausen hatte die Sperrung des Günzburger Bahnhofs keine Auswirkungen, so die Bahn.