Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Pflegeplatz verzweifelt gesucht
Viele ältere Menschen sind auf Betreuung angewiesen. Doch schon bei der Suche nach einem Heim beginnen die Probleme – und die Corona-Krise macht diese noch größer
Augsburg Peter Köhler macht sich große Sorgen. Der Augsburger ist rechtlicher Betreuer einer 86-jährigen Frau, die an Demenz und Diabetes erkrankt ist. Sie lebt alleine, doch mittlerweile kommt es immer häufiger vor, dass sie orientierungslos ist und zum Beispiel ohne Schuhe das Haus verlässt, berichtet Köhler in einem Gespräch mit unserer Redaktion. „Diese Situation kann ich nicht mehr zulassen“, sagt er. „Als rechtlicher Betreuer bin ich ja verantwortlich für ihre Gesundheit.“
Peter Köhler sucht dringend einen Platz in einem Pflegeheim für die Seniorin. „Aber bisher war es unmöglich, einen zu bekommen“, erzählt Köhler. Der Grund: Alle Heime, bei denen er angefragt hatte, verlangen für die Aufnahme einen negativen Corona-Test. Doch weder der Hausarzt noch der kassenärztliche Bereitschaftsdienst noch das örtliche Gesundheitsamt in Augsburg würden einen Test bei der Frau durchführen, berichtet Köhler. „Ich bekomme immer dieselbe Information: Die Vorgabe ist wohl, dass nur die Menschen getestet werden, bei denen ein begründeter Verdacht auf das Coronavirus besteht oder die Kontakt zu Infizierten hatten. Aber das ist bei der Dame nicht der Fall.“
Wie die 86-jährige Frau sind momentan viele Senioren auf einen Pflegeplatz im Heim angewiesen.
Doch einen zu bekommen, ist in Zeiten von Corona schwierig. Das bestätigt Yvonne Knobloch, Leiterin des Bereichs Leben im Alter beim Sozialverband VdK, die im Bereich Pflege ganz unterschiedliche Probleme beobachtet. „Jedes Heim erstellt, basierend auf Handlungsempfehlungen des bayerischen Gesundheitsministeriums, ein individuelles Schutzkonzept für das eigene Haus. Dadurch entsteht ein bayernweiter Flickenteppich, weil jede Einrichtung es ein bisschen anders macht“, sagt sie.
In dieser Empfehlung heißt es beispielsweise: Spätestens 48 Stunden vor Einzug sollte ein ausführliches Screening durch einen Arzt durchgeführt werden – mit einem besonderen Augenmerk auf eine Sars-CoV-2-Testung. Doch die Heime in Bayern legen diese Empfehlung unterschiedlich aus, sagt Knobloch. „Die einen verlangen einen Zweifachabstrich, andere wiederum nehmen keine Personen aus dem häuslichen Umfeld mehr auf, sondern nur, wenn sie direkt aus dem Krankenhaus kommen.“
Das Gleiche beobachtet die VdKExpertin auch bei den Besuchsregelungen in den Pflegeheimen. „Die einen gestatten Besuche nur im Beisein der Pflegekraft für eine halbe Stunde pro Woche, andere nur außerhalb der Einrichtung ohne zeitliche Begrenzung. Und viele Heime im ländlichen Raum sind noch gar nicht so weit zu öffnen, weil sie noch dabei sind, das Hygienekonzept zu erstellen.“Dort könnten momentan noch überhaupt keine Plätze vermittelt werden. Gleiches beobachtet Knobloch auch im Bereich der Tagespflege, die ja auch für die Angehörigen wichtig ist, die in diesen Tagen oft wieder aus dem Homeoffice zurück ins Büro müssen und dann auf Hilfe bei der Betreuung angewiesen sind. „Sie haben kaum Entlastungsmöglichkeiten und sie sind aus meiner Sicht in der Corona-Krise total vergessen worden.“
Mit der Situation seiner Betreuten will sich Peter Köhler nicht abfinden. „Ich will alles für ihre Sicherheit tun, damit sie ein gefahrenfreies Leben führen kann.“Er fordert, dass für die Menschen, die dringend einen Pflegeplatz brauchen, Ausnahmen gelten und sie trotzdem getestet werden sollten.
Eine Forderung, die Heinz Münzenrieder, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Schwaben, nachvollziehen kann. Er hält es für sinnvoll, dass Pflegeheime vor der Aufnahme Tests verlangen, um die Senioren – eine Risikogruppe – vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen. Und er kann auch die Haltung der Behörden nachvollziehen. „Irgendwo muss es Regeln geben. Sonst könnte ja jeder, wann er will, kommen und sich testen lassen.“Doch Münzenrieder fordert auch eine gewisse Verhältnismäßigkeit. „Man muss sich den Einzelfall ansehen. Wenn jemand aufgrund einer Demenzerkrankung dringend einen Heimplatz benötigt, dann muss es möglich sein, eine Ausnahme zu machen, sodass der Test durchgeführt und bezahlt wird. Nicht nur bei begründetem Verdacht.“Bisher gibt es Tests auf Kassenkosten in der Regel nur bei Infektionsverdacht – also wenn man Symptome wie Fieber, Husten und Halsschmerzen zeigt. Tests bei Patienten ohne Symptome werden nach der aktuellen Rechtslage nicht von der Krankenkasse übernommen, erklärt ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums.
Dass für die 86-Jährige vielleicht doch Hoffnung auf einen Heimplatz besteht, darauf lässt sich aus einer kürzlich verkündeten Verordnung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schließen. Daraus ergeht, dass im Kampf gegen das Coronavirus auch Tests ohne akute Krankheitsanzeichen auf breiter Front möglich sein sollen – besonders in sensiblen Bereichen wie Kliniken, Pflegeheimen, Schulen und Kitas. Das bestätigt auch ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums: Demnach könnten die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet werden, bestimmte Tests auch bei Personen ohne Symptome zu bezahlen.
AWO-Chef macht sich für Ausnahmen stark