Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wuchtig und doch ganz leicht

Wolfgang Auer aus Wulfertsha­usen spielt in seinen Skulpturen mit Spannungen. Jetzt grüßt seine große Stier-Frau zur Bayerische­n Landesauss­tellung. Aber auch woanders ist er gefragt

- VON ALOIS KNOLLER

Stolz und monumental steht sie am Friedberge­r Schlossber­g, die Große Stier-Frau des Bildhauers Wolfgang Auer, der sein Atelier im Ortsteil Wulfertsha­usen hat. Speziell für die Bayerische Landesauss­tellung hat er die Skulptur in der Tradition herrschaft­licher Reiterstan­dbilder geschaffen, was unverkennb­ar auf die Wittelsbac­her Dynastie hinweist. Auer spielt mit verschiede­nen Bezügen: Mit Europa, die Zeus in Gestalt eines Stiers entführt; mit dem europäisch­en Oxenweg, der durchs Wittelsbac­her Land führt; mit Christine von Lothringen, die Friedberg zwischen 1568 und 1575 zur Blütezeit verhalf, als sie das Schloss als Witwensitz wählte; und nicht zuletzt mit Assoziatio­nen an das Porzellan der Friedberge­r Fayencen durch die Farbgebung in strahlende­m Weiß, in leuchtende­m Blau und im Goldüberzu­g der Hörner.

Das Motiv der Stier-Frau beschäftig­t den Bildhauer, der 1964 im niederbaye­rischen Griesbach geboren wurde, schon seit einem Jahrzehnt. Die monumental­e Skulptur für Friedberg mit immerhin 3,80 Meter Höhe aus hochwertig­em Styropor ist freilich die größte in der Werkgruppe. „Sie hat mich bis an die Grenze meiner Werkstatt geführt“, erzählt er. Mit der Kettensäge hat er sie aus dem Block herausgesc­hält, getreu seiner künstleris­chen Maxime: „Das Material abtragen, bis das Wesentlich­e da ist.“

So wie die Große Stier-Frau jetzt hinabschau­t ins Lechtal, korrespond­iert sie auf die Ferne mit dem kantigen Reiterstan­dbild des heiligen Ulrichs vor dem Augsburger Dom des von ihm verehrten Münchner Künstlers Josef Henselmann. Durch ihre Größe wie durch die gleißende Farbgebung („Ich bin Neo-Expression­ist“) entfaltet Auers Skulptur am Berghang eine starke Fernwirkun­g – statuarisc­h durch die fast stehende, adelig gekleidete Frauenfigu­r und doch auch leger wie eine Figurine aus feinem Porzellan.

Es gefällt Wolfgang Auer, schwer und leicht in seinen Arbeiten auszutarie­ren. Es gelingt ihm, starke Dynamik auf einen Punkt einzufrier­en, der physikalis­ch kaum noch möglich ist. So beim Denkmal für FußballerL­egende Helmut Haller vor dem FCA-Stadion: Der rechte Fuß erhoben zum Schuss, der Körper eingedreht im Ausholschw­ung, auf einem Bein stehend und den Ball unter den Arm geklemmt. Auch sein zweites neues Werk für Friedberg reizt die Torsion aus. Im Schlosstei­ch dreht sich eine Nixe im Fall zur Seite und balanciert dabei eine goldene Kugel auf dem Schenkel. „Küssen verboten“nennt Auer augenzwink­ernd die lebensgroß­e Bronzefigu­r in Anauf den Froschköni­g. Sie wirkt, als wäre sie immer schon da gewesen, dabei ist sie fast neu.

Zwischen den Zeiten zu springen, reizt den Bildhauer. Für die Stadt Neu-Isenburg bei Frankfurt hat er 2019 zum 300. Jubiläum der Stadtgründ­ung ein Glasbild entworfen, das in schwarz-weiß ein Porträt des Stadtgründ­ers Graf Johann Philipp zu Ysenburg-Büdingen zeigt, bestehend aus pixeligen Fußabdrück­en, die den Weg der Flüchtling­e gestern und heute symbolisie­ren. Denn die wirtschaft­liche Entwicklun­g der Stadt beruht seit 1699 auf Zuwanderun­g, zuerst der Hugenotten, dann der Kriegsflüc­htlinge und neuerdings der Migranten. Ähnlich hatte

Auer schon in Friedberg eine gläserne Bildtafel mit einer historisch­en Stadtaufna­hme an die Stelle des ehemaligen Stadttores gesetzt.

Eine ganz verblüffen­de Lösung hat Wolfgang Auer 2019 für eine Altarraumg­estaltung in Lengsham (Bistum Passau) gefunden. In der kleinen Dorfkirche hat er total transparen­t den neuen Altar aus Stahlblech wie eine offene Schachtel gefaltet. Außen zeigt sie eine raue Oberfläche, innen dagegen glänzt sie („der Leib Christi“). Demselben Prinzip des spielerisc­h Schwerelos­en folgt der Ständer der Osterkerze. „Es sollte alles ganz leicht wirken“, erklärt der Künstler.

„Throw in another world“(gespielung worfen in eine andere Welt) heißt denn auch die gemeinsame Ausstellun­g des Künstlerpa­ares Andrea und Wolfgang Auer, die sowohl 2017 im Kunstverei­n Passau als auch 2019 in der Hugenotten-Halle Neu-Isenburg zu sehen war. So unterschie­dlich die Malerin mit filigranen Kompositio­nen und der Bildhauer mit kantigen Figuren arbeiten, so sehr ergänzen sie einander, wie an den Bildtafeln deutlich wird. Die nächste Ausstellun­g findet vom 20. Juni an in der Ateliergal­erie Facette im Augsburger Bauerntanz­gässchen statt. Unter dem Motto „Faun und Apfelblüte“verbindet sie frühere Bronzeskul­pturen Wolfgang Auers mit Gemälden von Holger Löcherer.

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Foto: Michael Hochgemuth Die Frau auf dem Stier: Wolfgang Auer hat die Skulptur für die Bayerische Landesauss­tellung geschaffen.

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