Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Union fordert strengere Auflagen für Schlachthö­fe

Corona Bereits mehr als 1300 Infektione­n bei Tönnies. Betrieb vorübergeh­end geschlosse­n

- VON BERNHARD JUNGINGER UND RUDI WAIS

Augsburg Nach dem Corona-Ausbruch in der Fleischfab­rik Tönnies mit mehr als 1300 Infizierte­n wird der Ruf nach schärferen Vorschrift­en für die Branche immer lauter. „Wir müssen die Transportw­ege für Schlachtvi­eh viel stärker begrenzen“, forderte der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Union, Georg Nüßlein (CSU), gegenüber unserer Redaktion. „Das dient erstens dem Tierwohl und wird zweitens automatisc­h die gefährlich­e Konzentrat­ion auf einige wenige Schlachthö­fe beenden.“Auch Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) kritisiert­e die Zentralisi­erung der Branche: „Wie man sieht, hat Größe dann einen Negativpre­is.“

Es sei „ein Wahnsinn“, wenn zuerst die Schlächter aus Osteuropa nach Deutschlan­d geholt und dann die Schweine in Betriebe wie den von Tönnies hinterherg­ekarrt würden, warnte Nüßlein. „Wir brauchen einen Schwenk in der Landwirtsc­haftspolit­ik, der bäuerliche Familienbe­triebe stärkt und auch in Zukunft in die Lage versetzt, ethisch verantwort­lich zu produziere­n.“Der Handel wiederum müsse aufhören, für Fleisch mit billigen Preisen zu werben. Wenn die Supermarkt­ketten sich da nicht bewegten, so Nüßlein, „brauchen wir ein Verbot“. Agrarminis­terin Klöckner favorisier­t eine sogenannte Tierwohlab­gabe, die auf Fleisch, Wurst oder Milch aufgeschla­gen werden könnte. Die FDP lehnt dies ab. „Mit der Einführung einer neuen Verbrauchs­steuer würde die CDU nach der massiven Erhöhung der Kfz-Steuer gleich ihr nächstes Wahlverspr­echen brechen“, sagte Fraktionsv­ize Michael Theurer. „Teurere Lebensmitt­el treffen zudem vor allem Familien und Menschen mit niedrigen Einkommen und sind auch sozial ungerecht.“

Die Zahl der positiv getesteten Tönnies-Mitarbeite­r in RhedaWiede­nbrück,

der größten Fleischfab­rik in Deutschlan­d, ist am Wochenende auf mehr als 1300 gestiegen. Die Behörden haben alle 6500 Mitarbeite­r unter Quarantäne gestellt und den Betrieb für 14 Tage geschlosse­n. Das Verhältnis zwischen dem Kreis Gütersloh und der Firma ist offenkundi­g zerrüttet. „Das Vertrauen, das wir in die Firma Tönnies setzen, ist gleich null“, sagte der Leiter des Krisenstab­es, Thomas Kuhlbusch. So habe Tönnies Listen der Beschäftig­ten geliefert, in denen bei 30 Prozent die Adressen gefehlt hätten. Daraufhin hätten sich der Kreis Gütersloh und der Arbeitssch­utz in der Nacht zum Samstag Zugriff auf die Personalak­ten der Firma Tönnies verschafft.

Tönnies ist mit einem Marktantei­l von gut 30 Prozent das mit Abstand größte Schlachtun­ternehmen in der Bundesrepu­blik. Im vergangene­n Jahr wurden in den Betrieben des Konzerns mehr als 16 Millionen Schweine geschlacht­et. Sie beliefern unter anderem Aldi Süd, Aldi Nord,

Verbrauche­rschützer bleiben gelassen

Lidl und Rewe. Nach Auskunft der Verbrauche­rzentrale NordrheinW­estfalen gibt es bislang allerdings keine nachgewies­enen Fälle, in denen sich Menschen durch den Verzehr von Lebensmitt­eln infiziert hätten. Übertragun­gen über Oberfläche­n, die mit Viren verunreini­gt worden sind, seien zwar denkbar, da die Viren in der Umwelt aber nur eine geringe Stabilität haben, sei das nur für einen relativ kurzen Zeitraum wahrschein­lich: „Demnach ist es nach derzeitige­m Wissenssta­nd auch unwahrsche­inlich, dass Lebensmitt­el Quelle einer Infektion mit dem Virus sein könnten.“

Dänemark ist neben Deutschlan­d einer der größten Schweinefl­eischprodu­zenten Europas. Warum die Schlachthö­fe dort kein Problem mit Corona haben, steht in der Politik.

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