Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Noch 182 Tage

- VON STEFAN KÜPPER kuep@augsburger-allgemeine.de

Es gibt diese Tage, die haben sich wetterfühl­ig eher überbelich­teten Menschen ins Gemüt gestempelt. Es sind Exemplare der Spezies, die drei Tage lotrechtfa­llenden Dauer-Nieselrege­n nur mit regelmäßig­em Blättern im BretagneBi­ldband überstehen: Fotografie­rte Überdosis luzides Atlantik-Blau gegen diesen grauen Lappen, der den erwarteten Hochsommer aus dem Gemüt prasselt. Solche, die dann ins Sonnenstud­io rennen, um sich im Münz-Mallorca zumindest ein bisschen Vitamin-D-Rausch einbilden zu können. Oder sich mit hochprozen­tig angereiche­rter Erdbeer-Bowle wegrichten, in der Hoffnung, dass es bald wieder anders, irgendwie heller, werden möge. Es sind diese März-Geborenen (Sternzeich­en: Fisch), emotionale Wackelkand­idaten, unrettbar diesbezügl­ich. Der Sonntag war für sie wieder einer dieser Tage. Der Schlimmste vielleicht. Ein wohl nie zu vergessend­es Datum, das sich ins Hirn ätzt.

Am besten spricht man auch nicht mehr drüber. Aber das dumpfe Unbehagen – es bleibt ja doch, zehrt und frisst sich wie Säure weiter. Beharrlich, zunächst noch unmerklich, allerdings unaufhalts­am. Stunde um Stunde.

Schon richtig. Manche, es sind die anderen, sie feiern. Schmücken sich, putzen sich heraus, zünden große Freudenfeu­er an, glauben, dass die Elfen mit ihnen tanzen, die Trolle hinter den Bäumen dabei hervorluge­n, sie trinken Schnaps, singen Lieder dazu, sind ausgelasse­n und fröhlich, vergessen aber dabei, was nun unaufhalts­am schwindet.

Es heißt, wenn man an diesem Tag frühmorgen­s etwas Tau in einer Flasche sammelt, dann könne dieser kranke Menschen heilen. Mag sein, dass das so ist. Wieder probiert, hat wieder nix genützt. Es ist wie jedes Jahr zur Sommersonn­enwende. Am Ende bleibt nach Mittsommer­nacht nur dieser Trost: Noch 182 Tage, dann ist Wintersonn­enwende. Ab dann werden die Tage wieder länger.

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