Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Corona: Wird Wohnen billiger?
Fallen wegen Corona die Preise auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt? Zu Beginn der Krise war die Hoffnung groß. Nun ist einiges klarer
Augsburg Rosen sind rot, Veilchen sind blau, die Preise für Wohnen steigen. Ende März ist eine dieser Gewissheiten deutschlandweit ins Wanken geraten, und das wochenlang. Die Sorge der Immobilienbesitzer war die Hoffnung vieler Wohnungssuchender: Wegen der Corona-Krise könnten die Preise auf dem Markt fallen. Jetzt, nach rund drei Monaten Corona-Krise, zeichnen sich Trends immer deutlicher ab. Und die dürften vielen nicht gefallen.
Eine, die zu Beginn der CoronaKrise mit Blick auf den Wohnungsmarkt von einem „Hoffnungsschimmer“sprach, war Monika SchmidBalzert. Die Geschäftsführerin des Bayerischen Mieterbunds erklärte damals, der überhitzte Wohnungsmarkt könne wegen Corona mittelfristig „tatsächlich ein bisschen abkühlen“. Heute sagt Schmid-Balzert: „Der Effekt, den sich viele Mieter erhofft haben, ist zumindest kurzfristig nicht eingetreten. Sinkende Preise sind nicht in Sicht.“
Nach jüngsten Angaben des Immobilienverbands Süd (IVD) sind die Mieten in Bayern im Frühjahr weiter gestiegen. Zwar ist die Aussagekraft dieser Statistik begrenzt, schließlich wurden die Zahlen vor Beginn der Corona-Krise erhoben. Die IVD-Experten erklärten aber, ihren Untersuchungen zufolge deute nichts darauf hin, dass die Pandemie unmittelbare Auswirkungen auf die Preise am Markt habe. Das ist, sagt Schmid-Balzert vom Bayerischen Mieterbund, „äußerst bedauerlich. Wir gehen davon aus, dass sich die wirtschaftliche Situation vieler Mieter eher verschlechtert als verbessert. Damit steigt die Gefahr, dass Mieten nicht mehr bezahlt werden können.“
Nun gelten der Wohnungs- und der Immobilienmarkt als träge, nur langsam reagieren sie auf konjunkturelle Veränderungen. Langfristige Prognosen sind nur schwer zu treffen, auch kurzfristige, deutliche Pandemie-Effekte wären äußerst überraschend. Reiner Braun, Vorsitzender des Forschungsinstituts Empirica, geht dennoch davon aus, dass die Corona-Krise zumindest an Teilen des Immobilienmarkts nicht spurlos vorüberziehen wird. „Der Haupteffekt, den wir befürchten, sind Notverkäufe. Viele haben zur Altersvorsorge in vermietete Immobilien investiert, sind jetzt aber wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten dringend auf Liquidität angewiesen. Diese Situation kann manche Vermieter dazu verleiten, schnell zu verkaufen.“
Typische Wohnungen zur Altersvorsorge sind nach Ansicht von Braun solche im „einfachen, unteren Segment, zum Beispiel aus den 1950er und 1960er Jahren. Diese Wohnungen wurden bislang für bis zu 3000 bis 4000 Euro pro Quadratmeter angeboten, waren aber eigentlich nur die Hälfte wert. Wenn es zu einem Preiseinbruch kommt, dann beim einfachen Altbestand – oder im oberen Segment.“In das obere Segment fallen laut Braun Wohnungen ab einem Kaufpreis von 7000 Euro pro Quadratmeter. „Der wirtschaftliche Einbruch schreckt viele ab, in teurere Immobilien zu investieren. Die Nachfrage dürfte entsprechend nach unten gehen – und die Preise auch.“Noch würden viele Immobilienbesitzer aber mit einem Verkauf warten.
Als Indikator für zumindest vereinzelt sinkende Preise deutet der Marktforscher leicht steigende Zinsen bei der Wohnfinanzierung. „Eine Preisdelle von zehn bis 25 Prozent, wie wir sie anfangs erwartet hatten, wird aber wohl nicht eintreten. Junge Familien, die die Hoffnung hatten, durch die Krise endlich zu einem günstigen Eigenheim zu kommen, gehen mehrheitlich leer aus. Eher profitieren Kapitalanleger.“Immerhin: Einen deutlichen Anstieg bei Mieten oder Kaufpreisen sieht Braun in den kommenden Monaten nicht – dafür hätten die meisten „Schwarmstädte“, also Städte mit überdurchschnittlichen Zuwanderungsraten wie Hamburg oder München, in den vergangenen zwei bis drei Jahren ausreichend in den Wohnungsbau investiert.
Doch was, wenn der Neubau von Wohnraum durch Corona ins Stocken gerät? In diesem Fall könnte der Druck auf den Markt weiter steigen. Wegen bestehender Verträge laufen die meisten vor der Pandemie begonnenen Projekte weiter. Trotz des hohen Bedarfs gehen Experten aber davon aus, dass die Neubau-Tätigkeit sinkt. Dazu kommt, dass die Zuwanderung in absehbarer Zeit deutlich steigen könnte – eine Entwicklung, die ab 2008, also nach der Weltfinanzkrise, zu beobachten war: Während Deutschland vergleichsweise gut durch die Krise kam, litten andere europäische Länder, vor allem im Süden des Kontinents, unter einer starken und anhaltenden Rezession. Die Folge: Gerade junge Menschen zogen auf der Suche nach beruflichen Perspektiven nach Deutschland
und verknappten damit den Wohnraum. Tritt dieser Fall nach der nächsten großen Krise, der aktuellen, wieder ein?
„Das ist ein Szenario, mit dem wir uns beschäftigen müssen“, sagt Daniel Hofmann vom Gewos Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung. „Wenn Deutschland trotz aller absehbarer Probleme im Export mit einem blauen Auge davonkommt, werden gerade die wirtschaftsstarken Regionen hierzulande attraktiver – insbesondere für Zuwanderer aus stark krisengeschwächten EU-Ländern wie Italien oder Spanien. Damit dürfte die Nachfrage nach Wohnraum deutlich angefacht werden.“Mit genaueren Prognosen müsse man aber bis Ende des Jahres warten. Im Ländervergleich sei der deutsche
Wohnungsmarkt grundsätzlich recht stabil.
Unabhängig vom Marktgeschehen geraten immer mehr Menschen in finanzielle Nöte. Monika SchmidBalzert, Geschäftsführerin des Bayerischen Mieterbunds, berichtet von sich mehrenden Anfragen verzweifelter Mieter. Seit Anfang, Mitte Mai nehme das zu. Und welche Antwort bekommen diese? „Hinsichtlich der Mietschulden können wir sie bislang leider nur vertrösten, aber immerhin gibt es einen Kündigungsschutz bei Zahlungsverzug wegen Corona“, sagt Schmid-Balzert. Sie fordert, dass dieses „MietMoratorium“verlängert wird. Die entsprechende Regelung im „Corona-Abmilderungsgesetz“sieht vor, dass Mietern wegen ausgefallener Mietzahlungen aufgrund der Covid19-Pandemie nicht gekündigt werden darf. Dieser Schutz gilt allerdings nur bis zum 30. Juni.
„Wenn jemand im Juli nicht mehr zahlen kann, weil er etwa wegen Kurzarbeit in Verzug kommt, ist das der erste Anlass, der für eine fristlose Kündigung herangezogen werden kann“, erklärt Schmid-Balzert. Die Regelung müsse deshalb mindestens bis 30. September verlängert werden.
Eine Sprecherin des zuständigen Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz erklärte auf Anfrage, das Thema werde derzeit innerhalb der Koalition abgestimmt. Mit einer Entscheidung, sagte die Sprecherin weiter, sei in den kommenden Tagen zu rechnen.
Anrufe verzweifelter Mieter mehren sich