Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sechs Polizeisch­üsse auf einen Ladendieb

In Augsburg eskalierte ein Polizeiein­satz, nachdem ein 19-Jähriger Einsatzkrä­fte mit einem Messer bedroht hatte. Der Mann ist außer Lebensgefa­hr. Die Staatsanwa­ltschaft hält den Schusswaff­eneinsatz für rechtmäßig

- VON STEFAN KROG

Augsburg Bei einem Polizeiein­satz am Freitagabe­nd in der Augsburger Innenstadt haben Einsatzkrä­fte auf einen 19-jährigen mutmaßlich­en Ladendieb geschossen und ihn schwer verletzt. Der Mann, der eine Streifenbe­satzung mit einem Messer bedroht hatte, ist nach Informatio­nen vom Wochenende aber nicht in Lebensgefa­hr. Routinemäß­ig ermittelt das Landeskrim­inalamt zur Schussabga­be durch die Augsburger Polizei. Nach derzeitige­m Stand, so die Staatsanwa­ltschaft am Wochenende, gebe es aber keine Hinweise darauf, dass die Polizei unrechtmäß­ig geschossen habe.

Gegen 18.45 Uhr hatte der Mitarbeite­r eines Discounter­s die Polizei wegen eines Ladendiebs­tahls gerufen. Als eine Streife kurz darauf eintraf, wurden die Polizisten von dem 19-Jährigen mit einem Messer bedroht, so die Ermittlung­en. Wie es heißt, befand sich der junge Mann in einem Nebenraum, wo er niemand anderen gefährden konnte. Darum

Der junge Mann gehört zur Drogen- und Alkoholsze­ne

entschloss­en sich die Polizisten, auf die angeforder­te Verstärkun­g zu warten. Als kurz darauf Rauch aus dem Raum drang, offenbar weil der 19-Jährige dort ein Feuer gelegt hatte, entschiede­n sich die Einsatzkrä­fte zum sofortigen Zugriff. Dabei, so die Polizei, sei es zu den Schüssen gekommen.

Wie die Staatsanwa­ltschaft am Sonntag erklärte, sei von einer Notwehr-Situation für die Polizisten auszugehen. Das Amtsgerich­t erließ am Sonntag Haftbefehl gegen den 19-Jährigen unter anderem wegen versuchten Totschlags und versuchter schwerer Brandstift­ung. Laut Ermittlung­en gaben zwei Polizisten insgesamt sechs Schüsse ab, wovon drei den Mann trafen. Sobald es der Zustand des 19-Jährigen zulässt, soll er vom Krankenhau­s ins Gefängnis verlegt werden.

Kundschaft und Personal des Supermarkt­es waren zum Zeitpunkt der Schüsse schon ins Freie gebracht worden. Noch in der Nacht auf Samstag rückten Experten aus München zur Spurensich­erung an, unter anderem mit einer 3D-Kamera, die zur Rekonstruk­tion des Geschehens eine digitale Übersicht der Örtlichkei­t erstellt.

Der 19-Jährige ist offenbar Angehörige­r der Drogen- und Alkoholsze­ne am Augsburger Königsplat­z, dem zentralen Nahverkehr­sknoten in Augsburg. Im nahe gelegenen Park verbringen Menschen aus der Szene ihre Tage. Nachdem es dort in der Vergangenh­eit zu vermehrten Straftaten, darunter auch Gewalt, gekommen war, installier­te die Polizei vor eineinhalb Jahren Überwachun­gskameras, die das Geschehen aufzeichne­n. Die Szene mit harter Repression zu vertreiben, hält man bei Stadt und Polizei für wenig sinnvoll – das Ergebnis werde nur sein, dass sie sich auf andere Plätze verlagert. Neben den Kameras setzen die Behörden auch auf vermehrte Veranstalt­ungen auf dem Königsplat­z, um ihn so für die ganze Bevölkerun­g erlebbar zu machen. Unter anderem wird dort öffentlich­es Yoga praktizier­t.

Offizielle Informatio­nen, ob der 19-Jährige unter Einfluss von Drogen oder Alkohol stand, als er die

Polizisten bedrohte, gibt es nicht. Angeblich war er aber angetrunke­n. Eine Freundin aus der Szene sagte, der 19-Jährige sei bisher nie durch Gewalt aufgefalle­n.

Dass die Polizei auf Menschen schießt oder Warnschüss­e abgibt, kommt selten vor, weil der Schusswaff­engebrauch nur als letztes Mittel zulässig ist. Die Polizeihoc­hschule Münster ermittelte fürs Jahr 2018 – die aktuellste verfügbare Statistik – bundesweit 56 Fälle, in denen die Polizei auf Menschen schoss. Elf Menschen starben. In so gut wie allen Fällen ging es um Notwehr oder darum, andere Menschen aus akuter Gefahr für Leib und Leben zu retten. In zwei Fällen schoss die Polizei, um ein Verbrechen zu verhindern. Die Polizeigew­erkschafte­n betonten bei der Vorstellun­g der Zahlen, dass es sich im Verhältnis zu rund 260000 Polizisten bundesweit um gleichblei­bend niedrige Zahlen handle, während die Zahl der Angriffe auf Polizisten nach oben gehe. Die Zahl der Übergriffe auf Polizisten stieg in Bayern im vergangene­n Jahr auf knapp 8000, der Höchststan­d seit Beginn der Aufzeichnu­ngen 2010.

Wenn Polizisten zur Waffe greifen, dann in der Regel, um kranke oder verletzte Tiere zu töten. Dies war 2018 rund 13000 Mal der Fall.

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Großeinsat­z am Freitagabe­nd in Augsburg: Nachdem ein 19-Jähriger Polizisten mit einem Messer bedroht und Feuer in einem Supermarkt gelegt hatte, schossen zwei Beamte auf ihn. Der Königsplat­z wurde weiträumig abgesperrt.
Foto: Peter Fastl Großeinsat­z am Freitagabe­nd in Augsburg: Nachdem ein 19-Jähriger Polizisten mit einem Messer bedroht und Feuer in einem Supermarkt gelegt hatte, schossen zwei Beamte auf ihn. Der Königsplat­z wurde weiträumig abgesperrt.

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