Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Am Tresen auf dem Rasen
„Weltuntergänge“im Martinipark
In Zeiten wie diesen ist Kreativität mehr gefordert denn je. Für Kulturveranstalter wie etwa das Staatstheater Augsburg gilt dies in besonderem Maße, unterliegen sie doch noch immer den Beschränkungen der Besucheranzahl. Deshalb hat das Theater nun auf der Wiese im Martinipark eine zusätzliche Spielstätte installiert: den Kunstrasen. Bespielt wird diese Bühne bis Ende Juli jeweils von Donnerstag bis Sonntag mit Musik, szenischen Lesungen und Tanz.
Eigentlich wollte man mit dem Kunstrasen vor allem in lauen Sommernächten Freilichttheater en miniature präsentieren. Dass ausgerechnet am Startwochenende der Wettergott sich querstellte, glich in diesen Corona-Zeiten fast schon einem dramaturgischen Einfall. Ob der grenzwertigen feucht-kühlen Temperaturen war zur szenischen Lesung „Weltuntergänge“leider nur wenig Publikum erschienen. Dabei hatte das Theater seinen Kunstrasen perfekt organisiert. Aufgeteilt in viele kleine, mit Kreide gezeichnete Quadrate, in jedem dieser Quadrate jeweils zwei Stühle für Publikum. Damit wurde die Anforderung an den gebotenen Sicherheitsabstand beinahe zur Kunstinstallation.
Ein künstlerisch ansprechendes Programm boten die beiden Schauspiel-Ensemblemitglieder Karoline Stegemann und Thomas Prazak in der szenischen Lesung „Weltuntergänge“. Eingerichtet hatte die Lesung Regieassistentin Ana Wybkea Gutschke zunächst für das Format
„Tresen-Lesen“, das das Staatstheater vor Corona in regelmäßigen Abständen im Weißen Lamm präsentierte. Für den Text von Marc Becker war die Szenerie einer Kneipe ideal, verweisen eine Vielzahl der Dialoge des Stückes doch auf Szenen in Bars, Discos und Klubs. Dennoch funktionierte die Lesung auch bestens auf offener Frontalbühne im Freien. Ja, während die Zufallsbekanntschaften Nadja und Andy sich in teils sehr grotesken Dialogen versuchen anzunähern, spiegelten die mächtigen, sich im Wind wiegenden Bäume im Park hinter der Bühne sogar eine mögliche Bedrohung durch die Außenwelt.
So mancher Dialog in Beckers Drama scheint wie auf Corona hingeschrieben zu sein. Nadja geht etwa schon seit Wochen nicht mehr nach draußen, da sie Angst vor dem Weltende hat. Zur Sicherheit ist sie mit einer Gasmaske ausgerüstet. Sie sagt: „Das Wichtigste in dieser Zeit ist, dass man auf sich aufpasst.“Doch was sich hier nach CoronaAnleihe anhört, ist alles Originaltext Becker.
Im zweiten Teil begegnen wir dem Pärchen Johanna und Johann. Standen Andy und Nadja am möglichen Anfang einer Beziehung, so steht dieses Paar am Ende einer solchen. Mit einfacher Frisur- und spärlicher Kleidungsänderung gelang es Stegemann und Prazak perfekt, mit den Dialogen zwei jeweils völlig unterschiedliche Charaktere zu verkörpern. Und so goutierte das leicht fröstelnde Publikum diesen „Weltuntergang“mit überaus kräftigem Applaus.