Augsburger Allgemeine (Land Nord)
17300 Unterschriften gegen Tierversuchszentrum
Einrichtung an der Uniklinik soll in einigen Jahren starten, um Volkskrankheiten besser zu erforschen. Ärzte-Verein will Pläne stoppen
In der Augsburger Medizinforschung soll es künftig auch Tierversuche geben. In einigen Jahren soll ein neues Tierversuchszentrum für 35 Millionen Euro auf dem Medizin-Campus der Universität gebaut werden. Es sorgt schon jetzt für Kritik. Der Verein Ärzte gegen Tierversuche macht gegen die Pläne mobil.
Aktuell läuft eine Online-Petition mit der Forderung, dass Augsburg tierversuchsfrei bleiben müsse. Die Initiative will, dass der Freistaat den geplanten Neubau umwidmet, um dort ausschließlich „innovative tierversuchsfreie humanrelevante Methoden“zu entwickeln.
Wie eine Sprecherin von Ärzte gegen Tierversuche mitteilt, wurden für die Online-Petition bislang rund 17 300 Unterschriften gesammelt. Dies sei eine gute Zahl für eine lokale Kampagne innerhalb von drei Monaten. Zusätzlich sammelt der Verein Unterschriften auf Papier. Diese wurden bislang noch nicht gezählt. „Wir visieren etwa 50000 Unterschriften an“, so die
Sprecherin. Momentan sei die Unterschriftensammlung auf Papier wegen der Corona-Pandemie allerdings etwas ins Stocken geraten.
Die nächste größere Protestaktion gegen das künftige Tierversuchszentrum der Universitätsmedizin plant die Initiative im Herbst. Am 17. Oktober soll es eine große Demo in Augsburg geben. Je nach Corona-Lage soll es vorher und danach Mahnwachen geben, um die Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam zu machen. Die Unterschriften-Übergabe an den Landtag ist für Ende des Jahres angedacht.
Die Kampagne läuft, aber was ist in Augsburg konkret geplant? Wie aus einer Anfrage der Grünen im Bayerischen Landtag hervorgeht, soll das neue Tierversuchszentrum 35 Millionen Euro kosten. Auf 1640 Quadratmetern soll Platz für die Haltung von 23400
Mäusen geschaffen werden. Zwar können auch andere Tiere auf der Fläche untergebracht werden, die Haltung von Affen sei aber ausgeschlossen, so die Antwort des Ministeriums. Für die eigentlichen Labore, in denen die Tierversuche geschehen, sei eine Fläche von 850 Quadratmetern vorgesehen. Was die Nutzung betrifft, gibt es laut Ministerium Pläne: „Aktuell sind tierexperimentelle Forschungen im Kontext der großen Volkserkrankungen Krebs, Demenz, Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfall geplant“. In Betrieb gehen soll der Bau 2027 oder 2028.
Kritiker sind der Meinung, dass Tierversuche bei der Erforschung der genannten Volkskrankheiten so gut wie keinen Nutzen bringen würden. Trotz jahrzehntelanger Forschung und unzähliger Tierversuche habe sich die Situation für Patienten kaum verändert.
Der Verein Ärzte gegen Tierversuche argumentiert, es gebe mehr als 400 Medikamente und Therapien, die erfolgreich Alzheimer bei Mäusen heilen. Bei Menschen hätten sie jedoch alle versagt. In Augsburg bestehe nun die Chance, einen Meilenstein mit tierversuchsfreien wissenschaftlichen Methoden zu setzen und damit einen zukunftsträchtigen Forschungsstandort in Deutschland zu schaffen, so die Initiative.
An der Universität Augsburg sieht man die Sache anders. Corina Härning von der Pressestelle sagt, „trotz aller Bemühungen der biomedizinischen Forschung, auf Tierversuche so weit wie möglich zu verzichten, kommt dieser Forschungsbereich dennoch nicht ganz ohne tierexperimentelle Ansätze
aus“. Es gebe Fragestellungen und Erfordernisse für die Wissenschaftler, die nicht durch alternative Ansätze wie Datenmodelle oder Zellkulturen oder zu beantworten oder abzusichern seien.
Wie die Unisprecherin erläutert, können bestimmte Erkrankungen nur dann besser therapiert werden, wenn Wissenschaftler Klarheit haben, wie der komplexe menschliche Organismus auf bestimmte therapeutische Interventionen reagiert. Das funktioniere nur in der Kombination einer Vielzahl verschiedener Methoden. In einigen Bereichen seien Tierversuche ungeeignet und würden daher auch nicht verwendet, so Härning. In anderen Fällen seien Forscher auf Tierversuche angewiesen, beispielsweise, um die Sicherheit und Wirksamkeit neuer Medikamente oder Impfstoffe zu beurteilen.
An der Uni Augsburg betont man, dass die Behörden und Kommissionen einen Tierversuchsantrag nur dann genehmigen, wenn Wissenschaftler plausibel darlegen, warum ein Forschungsvorhaben nicht ohne Tierversuche auskommt. Der zu erwartende Nutzen des Experiments müsse auch im Verhältnis zur möglichen Belastung der Tiere ethisch vertretbar sein. Grundsätzlich gilt danach das 3-R-Prinzip (Reduce, Replace, Refine), das dazu aufruft, Tierversuche wenn immer möglich zu vermeiden, ihre Zahl zu reduzieren und die Belastung der Tiere so gering wie möglich zu halten. Im Tierschutzrecht und in der wissenschaftlichen Praxis sei das 3-R-Prinzip heute ein wichtiger Standard, sagt die Uni-Sprecherin. Auf der anderen Seite sei es die Aufgabe der medizinischen Forschung und der Unimedizin, durch immer bessere Behandlungsmethoden und Versorgung das Leiden und die Belastung, die Krankheiten beim Menschen verursachen, zu mindern und zu lindern.