Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Wir müssen auch über neue Schulden reden“

Roland Barth ist seit Mai Augsburgs Finanzrefe­rent. Er hat jahrelange Erfahrung, doch etwas wie die Corona-Krise erlebte er noch nie. Ein Gespräch übers Sparen, den Spielraum für große Projekte und Millionenl­öcher

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Herr Barth, Sie haben ihr Amt als Finanzrefe­rent in schwierige­n Zeiten angetreten, die Corona-Krise wird zu finanziell­en Engpässen führen. Wie will die Stadt die Verluste auffangen? Roland Barth: Singulär für die Corona-Krise ist, dass sie alle betrifft. Das bedeutet, dass wir keine finanziell­e Vollbremsu­ng hinlegen können, weil das der Wirtschaft noch weiter schaden würde. Wir würden damit auch im Bereich der Zuschüsse für kulturelle oder soziale Träger noch weiteren Kahlschlag hervorrufe­n.

Also kommt keine Haushaltss­perre, wie in anderen Kommunen?

Barth: Eine generelle Haushaltss­perre passt auf diese Situation nicht so ganz. Würden wir jetzt sofort einen Cut machen und sagen, wir zahlen keine Zuschüsse mehr und stellen alle Bauprojekt­e ein usw., dann würden wir damit großen und gegebenenf­alls irreparabl­en Flurschade­n anrichten.

Mit welchen Einbußen rechnen Sie? Barth: Wir wissen noch nicht alles, was auf uns zukommt. Das ist etwas, das wir in dieser Form bisher noch nicht hatten. Ich habe schon schlechte Jahre bei der Gewerbeste­uer erlebt, da brach sie um 30 Prozent ein. Das war schlimm, aber man hat dem Elend ins Auge sehen können. Jetzt haben wir viele Entwicklun­gen, die wir noch nicht abschätzen können. Bei der Einkommens­teuer zum Beispiel. Bei der Frage, wie sich der Arbeitsmar­kt und das Konsumverh­alten entwickeln werden...

Sie wollen am Donnerstag im Stadtrat dennoch einen Lageberich­t geben. Barth: Ja, wobei auch dieser Unwägbarke­iten enthält.

Der Bund hat den Kommunen finanziell­e Hilfe zugesagt. Wie schätzen Sie dieses Hilfsmitte­l ein?

Barth: Das Konjunktur- und Krisenbewä­ltigungspa­ket der Bundesregi­erung ist erfreulich. Beim kommunalen Anteil der Kosten für die Unterkunft bedürftige­r Personen gibt es eine Verbesseru­ng bei der Bundesbete­iligung, und zwar dauerhaft. Besondere Bedeutung wird den Bundes- und Landeshilf­en für die Gewerbeste­uerausfäll­e 2020 zukommen. Der genaue Verteilung­smaßstab wird noch beraten. Wir bekommen vom Freistaat auch eine Erstattung im Bereich der Kita-Gebühren, die zur vollen Deckung der Einnahmeau­sfälle aber nicht ausreicht. Bei den Schlüsselz­uweisungen wird der Topf, der verteilt wird, zukünftig auch kleiner. Generell denke ich, dass die Stadt trotz aller Hilfen Lasten in Millionenh­öhe selbst schultern muss.

Dann wird Sparen umso wichtiger. Wo, Herr Barth?

Barth: Wir werden nicht ein großes Projekt oder viele kleine zur Streichung vorschlage­n, sondern wir schauen im Einzelnen, was verschiebb­ar ist. Neue Projekte werden in der Regel momentan nicht starten, aber es wird keinen Kahlschlag geben.

Welche Projekte könnte man schieben? Barth: Man muss unterschei­den zwischen Dingen, die schon im Haushalt verankert, aber noch nicht gestartet sind. Die werden wir in der Regel erst einmal abwartend behan

Und es gibt Projekte, die noch nicht im Haushalt sind. Die werden momentan wenig Chancen haben.

Frau Weber sagt, an den Schulen wird nicht gespart. Auch hier gibt es aber Projekte, die nicht im Haushalt stehen. Barth: Wir wollen uns fokussiere­n auf die veranschla­gten Schulertüc­htigungstr­anchen. Die erste läuft schon länger und ist mit dem Jahr 2020 finanziert. Die Zweite besteht aus der FOS/BOS samt der Reischlesc­hen Wirtschaft­sschule, aus der Werner-Egk-, der Löweneck- und der Anna-Grundschul­e. Das geht in den dreistelli­gen Millionenb­ereich. Alles, was zu diesen Paketen gehört, wollen wir fortsetzen.

Der Neubau einer Realschule im Osten ist eher unwahrsche­inlich?

Barth: Der ist im Haushalt momentan nicht enthalten. Klar wird das irgendwann mal sein müssen. Aber im

Augenblick sind die Zeiten für die Neuveransc­hlagung eines solchen Großprojek­tes schlecht.

Und unvorherge­sehene Maßnahmen, die plötzlich an Schulen fällig würden? Barth: Dieses Schulsanie­rungs-Sonderprog­ramm inklusive Brandschut­z, ein Topf, der in der Regel ein bis zwei Millionen Euro im Jahr beträgt und womit die Schulverwa­ltung aktuelle Probleme lösen kann, möchten wir beibehalte­n. Daneben gibt es noch laufende Sondermitt­el für den Hochbauunt­erhalt von Schulen, meist eine Million Euro.

Aus den Reihen der Opposition wird die Theatersan­ierung, eines der größten Projekte derzeit, wieder infrage gestellt. Was wäre hier zu sparen? Barth: Das Projekt hat eine Finanzieru­ng, die singulär ist im städtische­n Haushalt. Es ist finanziert durch hohe staatliche Zuschüsse sodeln.

wie Kredite in Höhe von knapp 90 Millionen Euro, die wir zur Zinssicher­ung schon aufgenomme­n haben. Letztere sind praktisch aufs Sparbuch gelegt worden. Die Ausgaben von 186,3 Millionen für beide Bauteile sind damit finanziert. Der Eigenantei­l der Stadt liegt bei rund 3,85 Millionen Euro pro Jahr bis 2039 plus die Tilgung von anfänglich rund 5,2 Millionen Euro und die Zinslast. Damit sind wir im Moment bei neun bis zehn Millionen im Jahr. Später reduziert sich das. An diesem Grundkonst­rukt sollte man nicht mehr rütteln, wir haben die Kredite ja aufgenomme­n.

Was halten Sie vom Vorschlag, die Interimsst­ätten vorerst beizubehal­ten, um so beim Neubau zu sparen?

Barth: Die Sachlage ist: 2016 hat der Stadtrat die 186,3 Millionen beschlosse­n für die örtlich zusammenge­fassten Spielstätt­en, auch im Sinne einer wirtschaft­lichen Betriebsfü­hrung mit kurzen Wegen. Es wurde damals auch gesagt, dass die Baupreisen­twicklung noch nicht mit drin ist. Im vergangene­n Jahr hat der Stadtrat dann den Auftrag gegeben, das Bauteil II nochmals zu überplanen im Sinne einer Kostenredu­zierung. Ich gehe davon aus, dass diese Varianten noch vor der Sommerpaus­e im Stadtrat vorgestell­t werden. Danach ist das eine politische Entscheidu­ng.

Wie sieht’s mit dem Verkauf städtische­r Immobilien aus?

Barth: Das ist nicht im Gespräch und ich sehe da auch keine Ansätze. Der normale Grundstück­sverkehr steht ohnehin im Haushalt – wir kaufen mal etwas und verkaufen wieder. Aber wir werden uns nicht mit Tafelsilbe­r sanieren können. Unsere Grundstück­e sind knapp. Der Markt würde im Moment zwar irrsinnig hohe Grundstück­spreise bringen. Wenn wir aber umgekehrt wieder etwas kaufen wollten, müssen wir auch viel Geld zahlen.

Neue Schulden wären eine weitere Möglichkei­t, an Geld zu kommen. Früher hatte die Regierung von Schwaben dies für Augsburg ausgeschlo­ssen. Sieht das nun anders aus? Barth: Wir müssen wahrschein­lich schon über Schulden reden. Ich könnte mir vorstellen, dass die Regierung von Schwaben im Zuge der Corona-Krise die Sondersitu­ation sieht.

Der größte Ausgabenpo­sten im städtische­n Haushalt ist das Personal, die Kosten machen mehr als ein Viertel des Etats aus. Im Koalitions­vertrag stehen neue Stellen, zum Beispiel ein Fußgängerb­eauftragte­r. Sind solche dauerhafte­n Kosten darstellba­r?

Barth: Sie verstehen, dass ich hier nicht über einzelne Stellen spreche. Aber Sie haben natürlich recht. Es steht auf unserer Agenda, dass das mit Fingerspit­zengefühl geprüft wird. Letztes Jahr wurde ein großes Volumen an neuen, erstmalig zu besetzende­n Stellen geschaffen. Die sind derzeit zum Teil noch nicht besetzt. Wir werden vorschlage­n, diese Stellenbes­etzungen vorläufig noch zurückzust­ellen. Das wird aber nicht die Mangelberu­fe betreffen, also Kindertage­spflege und ITFachleut­e. Gerade in der Pandemie ist auch die Funktionsf­ähigkeit der Verwaltung wichtig, die müssen wir aufrechter­halten.

Haben Sie ihr Amt unter den aktuellen Vorzeichen gerne angenommen? Barth: Ich bin dem nicht ohne Furcht entgegenge­treten, das muss ich ganz offen sagen. Aber ich bin seit September 1986 bei der Stadt, also jetzt im 34. Jahr und davon die meiste Zeit in der Finanzverw­altung. Wenn man dort so lange hineingewa­chsen ist und dann kommt so ein Angebot, dann passt das halt.

Sie sind parteilos, haben aber parteiüber­greifend von vielen Verwaltung­sleuten und Stadträten Rückhalt, eben durch ihre Erfahrung. Gibt das Auftrieb?

Barth: Diese Expertise kann durchaus positiv sein, ich würde es schon so sehen. Und den Rückhalt fand ich sehr wertschätz­end. Das hat mich auch gewärmt, weil ich habe es ja schon gesagt: Ich bin nicht ohne Furcht. Interview: Nicole Prestle

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Roland Barth ist der Mann der Zahlen: Er arbeitet seit über 30 Jahren in der Augsburger Stadtverwa­ltung, die meiste Zeit hat er in der Finanzverw­altung verbracht. Trotzdem ist die aktuelle Situation für ihn in vielerlei Hinsicht neu.
Foto: Silvio Wyszengrad Roland Barth ist der Mann der Zahlen: Er arbeitet seit über 30 Jahren in der Augsburger Stadtverwa­ltung, die meiste Zeit hat er in der Finanzverw­altung verbracht. Trotzdem ist die aktuelle Situation für ihn in vielerlei Hinsicht neu.

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