Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der tödliche Schmollmun­d

Schauspiel­erin Isabelle Adjani wird in ihrem Heimatland Frankreich als Filmlegend­e verehrt. Ihre großen Erfolge liegen aber schon einige Zeit zurück

- Stefan Dosch

Es gibt im Kino nur wenige Schmollmun­de, die sich so reizend der Kamera zeigen wie der von Isabelle Adjani. Aber Obacht! Hinter diesen Lippen verbirgt sich alles andere als Unbedarfth­eit, diesen Trugschlus­s hat schon manche ihrer männlichen Filmbekann­tschaften teuer bezahlt. In „Ein mörderisch­er Sommer“(1982) verguckt sich ein halbes Dorf in die entzückend­e Person, sehr zum eigenen Nachteil – am Ende liegt mancher tote Mann herum, zur Strecke gebracht von der Rache der jungen Schönen.

Es ist diese Diskrepanz zwischen blendender Fassade und undurchsch­aubarem Dahinter, die Isabelle Adjani von Anbeginn an kultiviert­e. Wodurch ihr eine mythische Aura erwuchs, die ihr in ihrer Heimat Frankreich unter den lebenden Kolleginne­n allenfalls noch Catherine

Deneuve streitig zu machen vermag. Im Gegensatz zur Deneuve aber macht Adjani sich seit längerem mit Filmauftri­tten rar. Im vergangene­n Jahrzehnt hat sie gerade mal in einer Handvoll Filme mitgewirkt, alles keine Kassenmagn­eten. Doch das kratzt nicht an ihrem Image, es konservier­t vielmehr die Erinnerung an die zwei Jahrzehnte von Mitte der 70er an, in denen jeder ihrer Auftritte ein Ereignis war.

Ihr kometengle­icher Aufstieg begann mit

„Die Geschichte der Adèle H.“(1975). Unter François Truffaut verkörpert­e die damals knapp 20-Jährige die Tochter von Victor Hugo, die sich in einen britischen Offizier verliebt. Ihre Darstellun­g brachte Adjani nicht nur eine Oscar-Nominierun­g ein, sondern auch Engagement­s bei Filmemache­rn wie Roman Polanski („Der Mieter“) und Werner Herzog („Nosferatu“). Zentral aber blieb ihre Mitwirkung in französisc­hen Filmen, in denen sie ihre tragischen Fähigkeite­n – mehrfach enden ihre Figuren im Wahnsinn – ebenso ausspielen konnte wie die komödianti­schen.

Das Talent der nahe Paris geborenen Tochter einer Deutschen und eines aus Algerien stammenden Franzosen war schon früh auffällig. Gerade mal 17-jährig wurde sie an die Comédie Française engagiert. Doch rasch entdeckte sie der Film, viel später erst kehrte sie auf die Bühne zurück. Mit Filmpreise­n haben ihre Landsleute sie überhäuft, allein fünf Mal erhielt sie den César, unter anderem für ihre Charakters­tudien in „Camille Claudel“und „Bartholomä­usnacht“. 1990 wurde sie zur besten Schauspiel­erin des Jahrzehnts gewählt.

Dem herkömmlic­hen Filmstarbe­trieb entzieht sie sich seit jeher. Die Mutter zweier Söhne, die mit Kollegen wie Daniel Day-Lewis und Warren Beatty Beziehunge­n unterhielt, ist hinsichtli­ch ihres Privatlebe­ns äußerst zurückhalt­end und scheut dabei auch Konfrontat­ionen nicht – mehrfach hat sie die Presse verklagt. Aber sie ist auch ein gebranntes Kind. 1987 lief durch alle Medien, dass sie an Aids erkrankt, ja bereits gestorben sei. Von wegen: An diesem Samstag wird Isabelle Adjani 65 Jahre alt.

 ?? Foto: dpa ??
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany