Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was ist in Frau Erdogans Handtasche?

Das Accessoire der First Lady gilt in der Türkei offenbar als eine Art Staatsgehe­imnis

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Dass Emine Erdogan, die Frau des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan, eine Vorliebe für teure Handtasche­n und andere Luxus-Accessoire­s hat, ist bekannt. Reden sollen die Türken aber nicht darüber – sonst landen sie vor Gericht. Der Journalist Ender Imrek bekommt das derzeit zu spüren. Er musste sich diese Woche in Istanbul vor Gericht verantwort­en, weil er in der linken Tageszeitu­ng Evrensel eine teure Handtasche der First Lady thematisie­rt hatte.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft Imrek vor, die Präsidente­ngattin beleidigt zu haben, weil seine Kolumne nichts Positives über sie enthalten habe. Diese Straftat, die es in den türkischen Gesetzen nicht gebe, habe sich der Staatsanwa­lt selber ausgedacht, sagte Imrek vor Gericht. Imrek war nicht der einzige Türke, der sich über die Tasche ärgerte, die Emine Erdogan während des G20-Gipfels in Japan im vergangene­n Jahr bei sich trug. Laut Medienberi­chten kostet die Tasche der

Edelmarke Hermes rund 45000 Euro: Sie ist demnach aus KrokodilLe­der gearbeitet und mit einem goldenen Verschluss ausgestatt­et.

In einem Land, in dem Familienvä­ter Selbstmord begingen, weil sie ihren Kindern keinen Schulranze­n kaufen könnten, und in dem manche Leute im Müll nach etwas zu essen suchen müssten, sei die Tasche ein Thema für die Presse, verteidigt­e sich Imrek laut Evrensel jetzt vor Gericht. Der türkische Mindestloh­n, mit dem viele Beschäftig­te auskommen müssen, liegt bei etwa 400 Euro im Monat. Der Prozess gegen Imrek geht im Herbst weiter.

Die extravagan­ten Shopping-Gewohnheit­en der Präsidente­ngattin erregen schon lange Aufsehen. Als Emine Erdogan ihren Mann vor einigen Jahren bei einem Besuch in Brüssel begleitete, meldeten belgische Medien, mehrere Luxus-Geschäfte seien für Normalster­bliche gesperrt worden, damit Frau Erdogan in Ruhe dort einkaufen konnte. Die britische Zeitung Daily Mail nannte Emine Erdogan „shoppingsü­chtig“. Erdogan betont häufig seine Herkunft aus bescheiden­en Verhältnis­sen, um sich als Mann aus dem Volk zu präsentier­en. Doch spätestens seit dem Bau seines riesigen Präsidente­npalastes in Ankara für mehrere hundert Millionen Euro stößt diese Selbstdars­tellung an ihre Grenzen.

Nach Angaben von Tezcan Karakus Candan, Vorsitzend­e der Architekte­nkammer Ankara, kostet schon eines der mit Goldrand verzierten Gläser, die bei Empfängen im Palast benutzt werden, mehr als ein Arbeiter im Monat verdient. Nun wollen es die Behörden den mutmaßlich­en Kritikern des Präsidente­npaares schwerer machen, über solche Dinge öffentlich zu reden. Vor wenigen Tagen ließ ein Gericht auf der beliebten Website Eksi Sözlük den Zugang zu allen Kommentare­n unter der Überschrif­t „Emine Erdogans Handtasche“sperren. Viel erreichte das Gericht damit nicht. Inzwischen wird bei Eksi Sözlük unter der – noch nicht gesperrten – Überschrif­t „Verbot, über Emine Erdogans Handtasche zu reden“über das Thema diskutiert.

Auch der Spruch „Etwas wie für Bilal erklären“darf bei Eksi Sözlük auf gerichtlic­he Anordnung hin nicht mehr debattiert werden. Die Redewendun­g geht auf das Jahr 2013 zurück. Damals wurden abgehörte Telefonate zwischen Erdogan und seinem Sohn Bilal bekannt, bei denen Bilal die Anordnunge­n seines Vaters nicht auf Anhieb verstand. Erdogan sagte damals, die angebliche­n Äußerungen seien von seinen Gegnern montiert worden.

Möglich sind Gerichtsur­teile wie die gegen Eksi Sözlük laut dem Journalist­en Imrek vor allem deshalb, weil türkische Staatsanwä­lte die Beschwerde­n von Regierungs­anwälten über angeblich beleidigen­de Äußerungen kritiklos übernehmen und vor Gericht bringen. Die Gefängniss­e platzten inzwischen aus allen Nähten, weil so viele Journalist­en, Intellektu­elle und Normalbürg­er wegen Präsidente­nbeleidigu­ng in Haft säßen, sagte Imrek der Presserech­tsvereinig­ung Reporter ohne Grenzen. Doch einschücht­ern lassen will er sich nicht: „Wir werden weiter schreiben.“

 ?? Foto: dpa ?? Emine Erdogan, die Frau des türkischen Präsidente­n (mit Kopftuch und Handtasche einer unbekannte­n Marke), umringt von den Partnerinn­en und Partnern der anderen Regierungs­chefs im Rahmen eines Nato-Gipfels im Sommer 2018.
Foto: dpa Emine Erdogan, die Frau des türkischen Präsidente­n (mit Kopftuch und Handtasche einer unbekannte­n Marke), umringt von den Partnerinn­en und Partnern der anderen Regierungs­chefs im Rahmen eines Nato-Gipfels im Sommer 2018.

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