Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Jetzt nimmt sich Brüssel die deutsche Aufsicht vor
Gesuchter Manager wohl in China
Brüssel Im Wirecard-Skandal schaltet die EU-Kommission jetzt die europäische Finanzaufsicht ESMA ein. Die Aufseher sollen den Zusammenbruch des Münchner Zahlungsdienstleisters und mögliche Versäumnisse der Aufsichtsbehörden unter die Lupe nehmen. Bis 15. Juli soll ein vorläufiger Untersuchungsbericht vorliegen. Dies geht aus einem Schreiben der Kommission an die ESMA hervor. Der Zahlungsdienstleister hatte am Donnerstag Insolvenzantrag gestellt. Hintergrund ist ein mutmaßlicher Betrugsskandal um Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Im Brief der EU-Kommission an die ESMA in Paris heißt es, nötig sei eine umfassende Beschreibung und Analyse der Ereignisse und eine Prüfung, ob die Reaktion der Aufsichtsbehörden angemessen gewesen sei.
Zuständig in Deutschland ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die ESMA müsse sich den Vorfall unter dem Gesichtspunkt ansehen, dass EUAnleger umfassend geschützt seien, wenn sie in Firmen investierten, die im regulierten Markt in der EU gelistet seien, heißt es in dem Schreiben. Das sei auch wichtig für mögliche weitere Schritte. Verfasst wurde der Brief von der zuständigen Generaldirektion
für Finanzmarktstabilität der Kommission, gerichtet ist er an ESMA-Chef Steven Maijoor.
An der Börse ist es derweil zu Panikverkäufen gekommen. Am Freitag waren die Wirecard-Aktien nur noch 1,76 Euro wert. Nach Berichten der Nachrichtenagentur Bloomberg überdenken mit den Kreditkartenanbietern Visa und Mastercard wichtige Kunden ihre Geschäftsbeziehungen mit Wirecard. Unter den Leidtragenden des Skandals sind auch viele Kleinaktionäre, die nun auf quasi wertlosen Papieren sitzen.
Am Freitag wurde bekannt, dass der frühere Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, eine Schlüsselfigur in dem Wirtschaftskrimi, sich möglicherweise in China aufhält. Nach Daten der philippinischen Einwanderungsbehörde reiste Marsalek am Dienstag in das südostasiatische Land ein und am Mittwoch über den Flughafen Cebu weiter nach China. Allerdings zeigten die Videoaufzeichnungen des Flughafens nicht, dass er das Land verlassen habe, sagte Justizminister Menardo Guevarra am Donnerstag dem Fernsehsender CNN Philippines. Marsalek war im Wirecard-Vorstand für das operative Tagesgeschäft zuständig und am vergangenen Montag fristlos entlassen worden.