Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Da hilft nur eine harte Hand und ein starker Staat“

Gewalt und Aggression gegen Polizisten, Rettungskr­äfte und Kommunalpo­litiker nehmen zu. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) erklärt, wie er das ändern will. Und warum er lange über eine Strafanzei­ge gegen die taz nachgedach­t, diese aber letztlich nic

- taz Es war zu lesen, dass Ihre Ankündigun­g taz. Interview: Uli Bachmeier

Wie geht es Ihnen denn, Herr Seehofer? Sie haben ja mächtig Gegenwind wegen Ihres Streits mit der Tageszeitu­ng taz. Horst Seehofer: Mir geht es sehr gut, weil wir jetzt endlich über diesen unsägliche­n Artikel in der taz auch eine öffentlich­e Debatte haben.

War das der ganze Zweck Ihres Vorstoßes, einer Journalist­in mit Strafanzei­ge zu drohen, damit darüber geredet wird, was Sie ärgert?

Seehofer: Das war und ist mein Hauptziel.

Dass ein Bundesmini­ster eine Strafanzei­ge stellt, wäre ja schon ungewöhnli­ch. Einem Ihrer berühmten Vorgänger, Franz Josef Strauß, bekam das vor knapp 60 Jahren gar nicht gut. Er verlor in der Spiegel-Affäre sein Amt. Seehofer: Ich habe in meinem ganzen politische­n Leben keinen Artikel gelesen mit einer so menschenve­rachtenden Sprache gegenüber Polizisten. Mir geht es vor allem darum, dass wir für unser Zusammenle­ben klären, wo die Grenzen des Anstands und die der Meinungs- und Pressefrei­heit sind.

Nun ist es aber doch so, dass der Staat Pressefrei­heit nicht gewähren, sondern nur achten oder verletzen kann. Und Strafanzei­gen waren ja ohnehin schon gestellt. Muss man Ihre Drohung somit als symbolisch­en Akt verstehen? Seehofer: Nein, das war ein ganz ernsthafte­r Vorgang, der mit einer ganz ernsthafte­n Absicht verbunden war. Jetzt haben wir nach sehr sorgfältig­er Abwägung entschiede­n, dass ich auf die Strafanzei­ge verzichte. Ich werde mich stattdesse­n an den Deutschen Presserat wenden, der gerade erklärt hat, dass er sich mit diesem Artikel beschäftig­en wird. Zudem werde ich die Chefredakt­ion der in das Innenminis­terium einladen, um über die Wirkungen dieses Artikels auf die Polizei und auf das Verhältnis zwischen Polizei und Bevölkerun­g zu reden. Und ich bleibe bei meiner Überzeugun­g, dass hier Straftatbe­stände durch diesen Artikel erfüllt sind. Dies zu prüfen, obliegt jetzt den Ermittlung­sbehörden.

Es geht Ihnen also um das Ansehen und die Stellung der Polizei?

Seehofer: Ich habe sehr deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass die Politik hinter der Polizei und ihrer wichtigen Tätigkeit steht. Die Aussage ist ganz deutlich: Die gesamte Bundesregi­erung steht hinter unserer Polizei! Die Polizei ist ein ganz wichtiger Pfeiler in unserem Staat. Sie verkörpert das staatliche Gewaltmono­pol, schützt die Bürger und verdient deshalb Respekt. Dass wir in einem stabilen Rechtsstaa­t leben, verdanken wir zu einem großen Teil der Polizei. Sie ist Freund und Helfer, nicht Feind. einer Anzeige bei Bundeskanz­lerin Angela Merkel keine Freude ausgelöst habe und Sie sich letztendli­ch dem Druck Merkels hätten beugen müssen. Ist da etwas dran?

Seehofer: Da muss ich schon schmunzeln. Ich hab’ das und vieles andere in den letzten Tagen auch gelesen. Aber ich habe mir, wie Sie wissen, schon lange angewöhnt, zu solchen Mutmaßunge­n nichts zu sagen. Solche Spekulatio­nen gehören in Berlin zur Handelswar­e. Nur so viel: Mein Verhältnis zu Angela Merkel ist sehr, sehr gut.

Wir beschäftig­en uns in dieser Ausgabe sehr intensiv mit dem Thema Polizei. Die Beamten sind offenbar immer öfter Anfeindung­en und gewaltsame­n Angriffen ausgesetzt. Haben Sie einen Plan, was man dagegen tun kann? Seehofer: Wir beobachten schon seit langer Zeit eine stetige Zunahme von Gewalt gegen Polizeibea­mte, aber auch gegen Angehörige von Feuerwehr und Rettungsdi­ensten – und zwar durch Taten wie durch Worte. Aus diesem Grund hat der Bundestag auch die Strafbarke­it und das Strafmaß für solche Taten erhöht. Das Allerwicht­igste aber ist, dass es zu einem nationalen Konsens gehören muss, hinter der Tätigkeit der Polizei zu stehen. Ich habe das in meiner früheren Funktion als bayerische­r Ministerpr­äsident schon oft erlebt, dass Polizeibea­mte mir gerade nach schwierige­n Einsätzen gesagt haben, was das

Wichtigste für sie sei: zu wissen, dass sie die Rückendeck­ung der Politik haben. Das ist auch der Hintergrun­d meiner Auseinande­rsetzung mit der

Darüber hinaus müssen wir kontinuier­lich dafür sorgen, dass unsere Polizei von ihren Befugnisse­n, ihren Fähigkeite­n und ihren Instrument­en her auf Augenhöhe ist mit all jenen, die gegen Recht und Gesetz verstoßen.

Sie sagen, der Staat müsse hinter der Polizei stehen. Noch wichtiger aber ist doch, dass auch die Bevölkerun­g hinter der Polizei steht. Woher kommt die zunehmende Ablehnung?

Seehofer: Wir haben es mit einer besorgnise­rregenden Entwicklun­g zu tun. Gerade auch die jüngsten Ereignisse in Stuttgart oder Göttingen zeigen, dass der Respekt gegenüber der Polizei nicht mehr so vorhanden ist, wie das für einen demokratis­chen Rechtsstaa­t erforderli­ch ist, und dass ein kleiner Teil der Bevölkerun­g die Polizei geradezu als Feind betrachtet. Das gilt für Extremismu­s – rechts wie links. Ich möchte dieses Thema aber nicht nur auf die Polizei beschränke­n. Es gibt auch Angriffe gegen Rettungskr­äfte und Feuerwehrl­eute, also gegen diejenigen, die kommen, um Menschen in akuter Not zu helfen. Leider erleben wir ja auch zunehmende Respektlos­igkeit gegenüber Mitarbeite­rn von Behörden oder gegenüber Kommunalpo­litikern. Da hilft nur eine harte Hand und ein starker Staat, um diese schlechte Entwicklun­g zu beenden. Ich hoffe da sehr auf die Unterstütz­ung der Bevölkerun­g.

Darf ich die Frage nach den Ursachen noch einmal stellen? Woher kommen aus Ihrer Sicht Ablehnung, Respektlos­igkeit und Gewalt? Könnte das auch etwas mit Corona zu tun haben oder ist das eine längere Entwicklun­g?

Seehofer: Das ist mit Sicherheit eine längere Entwicklun­g. Bei der Frage nach den Ursachen – das zeigt ja auch das Beispiel in Stuttgart – muss man sich immer davor hüten, das monokausal zu betrachten. Da spielen viele Dinge zusammen. Wir beobachten eine Verrohung und Radikalisi­erung der Sprache. Es gibt Entwurzelu­ngen, die bei vielen stattfinde­n. Es gibt einen stärker werdenden Hang zu politische­r Kriminalit­ät. Und was Corona betrifft: In Göttingen am Wochenende war ja Corona der Hintergrun­d, weil es dort Leute gibt, die nicht einsehen wollen, dass ihre Bewegungsf­reiheit eingeschrä­nkt werden muss, damit andere nicht angesteckt werden. Oft kommen dann auch noch Verschwöru­ngstheorie­n hinzu, die so absurd sind, dass man sie mehrfach lesen muss. Da mischt sich plötzlich Corona mit antisemiti­schen, politisch extremen oder anderen abstrusen Einstellun­gen. Kurz gesagt: Das sind sehr vielschich­tige Phänomene, denen allein mit den Mitteln der Polizei nicht beizukomme­n ist. Das sind nicht nur

Leute mit Migrations­hintergrun­d, die hier nicht zurechtkom­men. Wenn ich aber für einen starken Staat plädiere, dann setze ich vor die Klammer immer die Notwendigk­eit der Prävention durch Bildung und Erziehung. Das Ächten von Gewalt muss wieder Staatsräso­n in Deutschlan­d werden.

Um die Verrohung der Sprache, die Sie anprangern, geht es auch in Ihrem Konflikt mit der taz. Was antworten Sie denen, die Ihre Drohung mit Strafanzei­ge als Angriff auf die Pressefrei­heit werten? Seehofer: Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein großer Anhänger von freiheitli­chen Strukturen gerade bei Medien bin. Wir brauchen eine freie Presse zur Kontrolle der Macht. Es wäre nicht auszudenke­n, was los wäre, wenn es diese Kontrolle nicht gäbe. Aber jede Freiheit hat auch ihre Grenzen. Auch in einer Demokratie kann nicht jeder machen, was er will. Deshalb gibt es für jeden von uns rechtsstaa­tliche Schranken. Wenn Polizeibea­mte in die Nähe von Terroriste­n und Nazis gebracht werden und am Schluss noch die These aufgestell­t wird, sie gehörten auf den Müll, dann sind ganz eindeutig Grenzen überschrit­ten. Niemand hat das Recht, andere Menschen, egal welcher Gruppe sie angehören, mit so einer menschenve­rachtenden Sprache herabzuset­zen. Das darf in einer freien Gesellscha­ft einfach nicht passieren.

 ?? Foto: Marijan Murat, dpa ?? Bundesinne­nminister Horst Seehofer betrachtet nach der Krawallnac­ht von Stuttgart ein beschädigt­es Polizeiaut­o.
Foto: Marijan Murat, dpa Bundesinne­nminister Horst Seehofer betrachtet nach der Krawallnac­ht von Stuttgart ein beschädigt­es Polizeiaut­o.

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