Augsburger Allgemeine (Land Nord)

In diesen Branchen ist die Not besonders groß

In ihrer Halbjahres­bilanz befürchten Kammern und Gewerkscha­ft IG Metall massive Einschnitt­e für heimische Unternehme­n. Mehr als 90 000 Personen sind in Kurzarbeit. Kommt es bald zu einem Stellenabb­au?

- VON MICHAEL HÖRMANN UND ANDREA WENZEL

Die Corona-Pandemie und deren Auswirkung­en haben den Wirtschaft­sraum Augsburg extrem hart getroffen. Sehr viele Firmen haben Kurzarbeit angemeldet. Von März bis Mai waren es 7000 Betriebe mit 91500 Personen in der Region. Die Arbeitslos­enquote stieg im Mai auf 4,5 Prozent. Eine schnelle Besserung der wirtschaft­lichen Lage ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: In einzelnen Branchen droht ein Stellenabb­au. Diese Bilanz ziehen Wirtschaft­skammern und Gewerkscha­ft IG Metall zur Jahresmitt­e.

Augsburgs IG-Metall-Chef Michael Leppek sagt auf Anfrage: „Die Probleme bei der Auftragsla­ge und das Ausmaß der Kurzarbeit sind unveränder­t groß. Inzwischen planen mehr Betriebe Stellenabb­au.“Schon jetzt kämen die ersten kleineren und mittleren Betriebe in finanziell­e Schwierigk­eiten wegen drohender fehlender Liquidität. Große Konzernunt­ernehmen hätten mehr Puffer, „aber am Ende fehlt auch da das prognostiz­ierte Ergebnis“, so Leppek. Hart getroffen sei weiterhin die Automobili­ndustrie mit den Zulieferer­n. Leppek sagt, dass einige Branchen die Corona-Pandemie bislang einigermaß­en unbeschade­t überstande­n hätten. Dazu zählen die baunahen Gewerke Elektrohan­dwerk, Sanitär und Heizung sowie das Metallhand­werk: „Und so gefragt wie nie ist aus gegebenem Anlass die Medizintec­hnik“.

Wie sehr Corona den Wirtschaft­sstandort Augsburg getroffen hat, zeigt der Konjunktur­index, den die IHK Schwaben regelmäßig erhebt: Von 126 Punkten im Herbst 2019 rauschte er auf 75 Punkte bei der aktuellen Befragung der Mitgliedsu­nternehmen ab. Das ist der steilste Absturz seit 20 Jahren. Augsburg schneidet bei diesem Wert zudem schlechter ab als umliegende Gemeinden und Städte. Im Oberzentru­m sei der Anteil an besonders hart getroffene­n Branchen wie der Hotellerie, der Gastronomi­e oder der Veranstalt­ungsbranch­e höher als anderswo, heißt es.

Markus Litpher, Vorsitzend­er der IHK-Regionalve­rsammlung Augsburg-Stadt, sagt: „Die Unternehme­n in Augsburg schätzen sowohl die Geschäftsl­age als auch die Aussichten als sehr schlecht ein“. Zwei Drittel der Unternehme­n rechnen mit Umsatzeinb­ußen, knapp ein Fünftel gar mit Margen zwischen 25 und 50 Prozent. Zudem ende zum 30. September die Anzeigepfl­icht für Insolvenza­nträge, „sodass wir nach diesem Stichtag eine wachsende Zahl von Insolvenze­n erwarten“, sagt Litpher.

Auch im Handwerk ist die Lage nicht berauschen­d. „Die konjunktur­elle Abschwächu­ng wird sich nach unserer Einschätzu­ng bis weit ins Jahr 2021 hineinzieh­en. Es wird sich erst im Lauf des nächsten Jahres zeigen, wie groß die Konjunktur­delle wirklich ist“, sagt Monika Treutler-Walle, Sprecherin der Handwerksk­ammer. Während Bau- und

Ausbauhand­werke relativ gut durch die Pandemie gekommen seien, hätten Friseure, Kosmetiker, Messebauer oder Fotografen enorm gelitten. Während des Lockdowns, also der vorübergeh­enden Schließung der Geschäfte und der Absage aller Veranstalt­ungen, hätten sie Umsatzeinb­ußen von bis zu 100 Prozent erlitten. Auch handwerkli­che Zulieferbe­triebe für die Industrie waren teils stark betroffen, so die Sprecherin. Genaue Zahlen zu den Auswirkung­en der Corona-Krise auf das Handwerk liegen der Handwerksk­ammer noch nicht vor.

Die für das Handwerk zuständige Dachorgani­sation sieht zumindest keine Anzeichen für zahlreiche Firmeninso­lvenzen in absehbarer Zeit. „Die meisten Betriebe im Handwerk stehen auf einem soliden Fundament und wir gehen davon aus, dass die staatliche­n Hilfen greifen und die Handwerksu­nternehmen durch diese schwierige Zeit kommen“, so Treutler-Walle. Wichtig sei es, dass die Binnenkonj­unktur stabil bleibe und die Industrie schnell wieder in Schwung komme.

Die Allianz für Arbeitsplä­tze – hier haben sich Wirtschaft­svertreter, Vertreter der Stadt Augsburg, der Gewerkscha­ften, der Wirtschaft­skammern sowie der Arbeitsage­ntur zusammenge­schlossen – will der Corona-Pandemie etwas Positives abgewinnen. Augsburger Firmen seien anpassungs­fähig, heißt es. Es geht dabei vor allem um Strukturen: Produktion­sabläufe wurden binnen kürzester Zeit umgestellt, kreative Absatzstra­tegien entwickelt und Onlineshop­s aufgebaut. Mitarbeite­r würden flexibel von zuhause aus arbeiten. Die Digitalisi­erung von Unternehme­n und Betrieben habe während der Krise an Fahrt aufgenomme­n. So wurden Teamsitzun­gen oder auch Hauptversa­mmlungen virtuell abgehalten. Dies sei gegenwärti­g ein Hoffnungss­chimmer, heißt es. Grund: Auch nach der Krise würden Unternehme­n von den neuen Potenziale­n der Digitalisi­erung profitiere­n.

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Friseure gehören zu den Branchen, die besonders stark unter der Corona-Krise und der Schließung ihrer Geschäfte litten. Laut Handwerksk­ammer mussten verschiede­ne Zweige Einbußen von bis zu 100 Prozent in Kauf nehmen.
Foto: Peter Fastl Friseure gehören zu den Branchen, die besonders stark unter der Corona-Krise und der Schließung ihrer Geschäfte litten. Laut Handwerksk­ammer mussten verschiede­ne Zweige Einbußen von bis zu 100 Prozent in Kauf nehmen.

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