Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Neue Rituale für das Friedensfe­st

Auch in Coronazeit­en wird Augsburg seinen Feiertag gebührend begehen. Die Aktionen starten am 30. Juni. Das Friedensbü­ro hat bis 8. August einiges zu bieten

- VON ALOIS KNOLLER

Passender hätte das Rahmenthem­a „Rituale“für das Friedensfe­st-Programm 2020 nicht ausfallen können. Denn gerade die Corona-Pandemie stellte lieb gewonnene, alltäglich­e Rituale infrage: den Handschlag, die Umarmung, den Wangenkuss. Rituale zur Bestattung wurden beschnitte­n, Hochzeiten mussten aufgeschob­en werden. Warum all dies uns abgeht, kann Christiane Lembert-Dobler, die Leiterin des Augsburger Friedensbü­ros erklären: „Rituale sind wichtiger Bestandtei­l der menschlich­en Kommunikat­ion und damit ein tragendes Element des Zusammenle­bens.“

Was es mit ihnen auf sich hat und wie sich Rituale wandeln, spürt das Programm an mehreren Orten nach – drinnen und vor allem draußen, etwa auf der Sommerbühn­e im Annahof, in Kirchen, Gärten, Innenhöfen und im Internet. Die Planungen zum Friedensfe­st erforderte­n dieses Jahr Improvisat­ion und Kreativitä­t, um sie den aktuellen Hygienevor­gaben anzupassen. Im ersten Schreck des Lockdowns befürchtet­e Christiane Lembert-Dobler schon, alles absagen zu müssen oder nur im Livestream anzubieten. Inzwischen sagt sie: „Für ein Notprogram­m ist es ganz schön viel geworden. Wir waren verblüfft.“Doch ohne Anmeldung geht gar nichts. Es braucht ein vorher besorgtes Ticket, selbst bei kostenlose­n Veranstalt­ungen. Es gibt keine Abendkasse.

Einige kostbare Fundstücke hat die Leiterin des Friedensbü­ros eingebrach­t. Zur Eröffnung am Dienstag, 30. Juni, zeigt das Tanztheate­r von Baba Murah und Camdomblé Berlin auf der Annahof-Bühne ein Reinigungs- und Heilungsri­tual der afro-brasiliani­schen Religion in Gestalt eines Banketts. Erstmals ist im „DenkRaum“am 6. Juli die Historiker­in Prof. Barbara Stollberg-Rillinger zum Thema „Die Kraft der Rituale“zu Gast. Die Rektorin am Berliner Wissenscha­ftskolleg lehrt an der Uni Münster. Kurios klingt der Ablauf des Online-Dinners „Welcome home in (y)our kitchen“am 28. Juli: Alle kochen nach dem gleichen Rezept, verbinden sich über Stream und erproben miteinande­r ihre Rituale der Gastlichke­it. Lembert-Dobler geht davon aus, dass sich die Community über Augsburg hinaus erstreckt.

Direkt zu den Bewohnern kommt indes die freie Theatersze­ne mit ihrem „zeitfenste­r“. Auf Einladung performen vier Gruppen im Wohnhof am 4./5. Juli ihre Szenen. „Vier Orte stehen schon fest, man kann noch weitere Auftritte buchen“, informiert die Friedensbü­roleiterin (friedensst­adt@augsburg.de).

Das Festival der Kulturen findet am 24./25. Juli in einer gekürzten Version statt. Es gibt Livekonzer­te des Harrycane Orchestras mit Arabic-Jazz und des chinesisch­en Maultromme­lspielers Wang Li sowie Video-Vorführung­en, etwa von den Proben der spanischen Sängerin

Mercedes Peon und dem Streichere­nsemble der Augsburger Philharmon­iker für das Festival der Kulturen 2021, wo galizische­r Folk auf Pop, Punk, Jazz und Klassik trifft. Die Konzerte ergänzen am 4. Juli Mesk mit alevitisch­er Folklore aus Augsburg und am 15. August Gankino Circus.

Rituale eines zukünftige­n Miteinande­rs untersucht die Autorin Silke Helfrich in der Reihe „In Common“im Grandhotel Cosmopolis (1. bis 3.8.). Ein Livestream vom Fanprojekt des Stadtjugen­drings befasst sich mit Ritualen in Fußballsta­dien, vor allem den aufwendige­n Choreograf­ien der Ultras (5.8.). Welchen Ritualen Musiker folgen, vermittelt im Livestream „Fräulein Tönchens Musikkoffe­r“am 26. Juli. Darüber hinaus gibt es eine Reihe digitaler Mitmach-Projekte, etwa die interrelig­iöse Schnitzelj­agd (21.7.), die „Collage des Friedens“(21.-24.7.), die Reise durch die Wohnzimmer dieser Welt (21.7.-8.8.).

Live im Hofgarten zeigen am 23. Juli die Frauen der Religions for Peace Wasserritu­ale der Weltreligi­onen und Wolfgang Krauß von der Mennoniten-Gemeinde unter dem Titel „Die weiße Fahne“Rituale des Friedens. Einen deutschafr­ikanischen Religionsd­ialog über kirchliche Rituale führen Bischof Bertram Meier und Abbé Felix Quédraogo aus Burkina Faso (4.8.). Aufmüpfig („Ich will an den Altar!“) äußert sich die junge Schweizer Katholikin Jaqueline Straub im Frauendial­og (6.8.) im Annahof.

Am Friedensfe­st (8.8.) selbst werden die Festgottes­dienste wie gewohnt stattfinde­n. Ein multirelig­iöses Friedensge­bet findet am Vorabend statt. Die Friedensta­fel auf dem Rathauspla­tz fällt Corona zum Opfer, stattdesse­n regt das Friedensbü­ro an, sich auf viele kleine Friedenspi­cknicks in der Stadt zu verteilen. Live aus dem Rathaus gestreamt wird die Bekanntgab­e des diesjährig­en Augsburger Friedenspr­eisträgers. Die Verleihung findet dann erst im Oktober statt.

Ein paar Herzenspro­jekte musste Christiane Lembert-Dobler allerdings drangeben. Ein französisc­her Künstler sollte mit über 200 Kindern ein Denkmal der Augsburger Wasserkuns­t nachbauen. Und feierlich wie bei sonst einer Einweihung sollten friedensbe­wegte Platz-Umbenennun­gen stattfinde­n. Vielleicht klappt es damit ja im Jahr 2021.

OTickets nur im Vorverkauf unter www.sommerbueh­ne-annahof.reservix.de/events oder telefonisc­h über 0180-670 07 33 sowie jeweils bei den Veranstalt­ern. Mehr zum Programm auf www.friedensst­adt-augsburg.de

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Foto: Max Saufler Das Harrycane Orchestra wird im Rahmen des Festivals der Kulturen mit Arabic-Jazz in Augsburg auftreten.

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