Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nervenkrim­i im Abstiegska­mpf

Werder hat die Rettung nicht mehr in der eigenen Hand. Dennoch versprüht Trainer Kohfeldt wieder Zuversicht. Wie es mit ihm weitergeht, ist noch immer völlig offen

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Bremen Florian Kohfeldt leidet. Die völlig verkorkste Saison ist am abgestürzt­en Senkrechts­tarter der deutschen Trainer-Branche nicht spurlos vorbeigega­ngen. Wer den 37 Jahre alten Coach von Werder Bremen am vergangene­n Samstag nach der Niederlage in Mainz sah, der erlebte einen niedergesc­hlagenen und desillusio­nierten sonstigen Daueroptim­isten. „Das war mit Sicherheit der bislang schwierigs­te Moment, den ich als Trainer hier erlebt habe“, sagte der Bremer Coach am Freitag. „Ich hoffe, dass nicht noch ein schlimmere­r Moment dazukommt“, sagte Kohfeldt mit Blick auf den Abstiegskr­imi gegen den 1. FC Köln am heutigen Samstag (15.30 Uhr/Sky). Dieser „noch schlimmere Moment“wäre der erste Abstieg seit 40 Jahren für Werder, für Kohfeldt – und das darf man ihm bei aller Kritik an seiner Person abnehmen – ein absoluter Herzensver­ein.

Die Ausgangsla­ge ist klar: Die Bremer gehen nach vielen indiskutab­len Leistungen und nur einem Heimsieg als Tabellenvo­rletzter in den letzten Spieltag. Zwei Punkte und vier Tore beträgt der Rückstand auf die Fortuna aus Düsseldorf, die am Samstag parallel bei Union Berlin antreten muss. Unmöglich ist die Rettung in die Relegation also nicht, zumal die Rheinlände­r sich in dieser Spielzeit als Meister der verpassten Chancen zeigten. Eigentlich müsste die Mannschaft von Trainer Uwe Rösler längst gerettet sein. Doch weil sie mehrmals sicher geglaubte Siege noch aus der Hand gab, befindet sie sich nun mit den Bremern, die normal längst abgestiege­n sein müssten, in einem die Nerven bis aufs Äußerste strapazier­enden Fernduell. „Es ist schwer, aber nicht aussichtsl­os“, sagte Kohfeldt, der seit Montag seine alte Zuversicht wiedergefu­nden hat. Geholfen hat ihm dabei, neben Gesprächen mit seiner Familie, der Blick auf die Tabelle. „Es sind nicht drei Punkte und zehn Tore, die wir aufholen müssen.“Doch auch schon ein Tor zu erzielen, entpuppte sich für die Bremer in dieser Saison daheim als Riesenprob­lem. Neun mickrige Törchen stehen bislang im Weser-Stadion zu Buche, wo einst Stürmer wie Ailton, Miro Klose oder Claudio Pizarro Tore am Fließband erzielt hatten. Für den Peruaner Pizarro, den ausländisc­hen Profi mit den meisten Einsätzen in der Bundesliga, könnte es am Samstag ein ganz bitterer Abschied sein. Der 41 Jahre alte Spaßvogel beendet seine Karriere nach dieser Saison, in der er meist verletzt zuschauen musste. Gegen Köln kommt er aber zumindest für einen Kurzeinsat­z infrage. „Ich hoffe und bin überzeugt davon, dass es nicht sein letztes Spiel ist“, sagte Kohfeldt, wieder ganz der alte Optimist. Doch sollte sich Werder nicht mehr in die Relegation retten, in der es zu brisanten Duellen mit dem Nordrivale­n Hamburger SV kommen könnte, könnte Pizarro nicht der Einzige sein, der seinen letzten Auftritt für Werder hatte. Auch die Zukunft von Kohfeldt ist dann offen, wobei selbst bei einem Klassenerh­alt nicht klar ist, ob der Coach weitermach­t. Angeblich buhlt 1899 Hoffenheim um den Trainer des Jahres 2018, der den Bremer Absturz in dieser Saison nie in den Griff bekam. Doch zumindest öffentlich beschäftig­t sich Kohfeldt damit nicht. Der volle Fokus ist auf Köln gerichtet. „Es ist auch nichts anderes wichtig. Ich will es unbedingt schaffen, und ich habe das Gefühl, dass die Mannschaft das auch will.“Wenn nicht, soll zeitnah entschiede­n werden, wie es an der Weser weitergeht.

Bis Ende nächster Woche sollen dann Entscheidu­ngen fallen, kündigte Geschäftsf­ührer Frank Baumann an. Seit Tagen reiht sich in den Medien ein Kritiker an den nächsten, der einen Neuanfang fordert. Man werde die Saison „sehr, sehr kritisch aufarbeite­n“, kündigte Baumann an.

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Fotos: dpa Entspannte Trainer sehen anders aus: Werder Bremens Florian Kohfeldt (links) und Düsseldorf­s Uwe Rösler.
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