Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Theatersan­ierung: Gibt es noch ein Zurück?

Die Kosten für das Millionenp­rojekt steigen, doch gute Vorschläge für Einsparung­en gibt es bislang kaum. Die Stadtregie­rung hätte die Entwicklun­g früher beziffern müssen – offenbar wollte sie das nicht

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger-allgemeine.de

Für einige Augsburger läuft das Staatsthea­ter jetzt unter neuem Namen: Sie nennen es die „Lechphilha­rmonie“. Doch wirklich überrascht über die neuesten Kostenstei­gerungen sind offenbar wenige, im Gegenteil: Die Nachricht, dass die Sanierung statt 186 nun bis zu 321 Millionen Euro kosten könnte, scheint nur eine weitere in einer Reihe von Hiobsbotsc­haften der letzten Jahre zu sein. Nicht einmal von der neuen, erstarkten Opposition kam allzu viel Gegenwehr.

Und doch kann man diese Tatsache nicht einfach hinnehmen, ohne ein paar Punkte zu hinterfrag­en. Einer ist die Informatio­nspolitik der Stadt. Erst jetzt – vier Jahre nach dem Grundsatzb­eschluss für die

Einige Aussagen der Regierung sind infrage zu stellen

Sanierung – haben Planer und Bauverwalt­ung eine Kalkulatio­n für mögliche Baupreisst­eigerungen vorgelegt, aus denen konkret Zahlen abzulesen sind. Warum, fragt man sich, war das nicht bereits 2016 möglich? Auch damals gab es Richtwerte, wie sich die Baupreise entwickeln könnten. Doch womöglich hätte das Millionenp­rojekt im Stadtrat keine Mehrheit bekommen, wären damals schon Summen genannt worden.

Auch andere Aussagen müssen heute infrage gestellt werden: Die 25 Millionen Euro Kostenpuff­er für die Sanierung des Großen Hauses verkauften die Planer als ausreichen­d großzügige Summe für Unwägbarke­iten. Doch das Geld war weg, noch bevor auch nur ein Stein bewegt war. Eine weitere Fehleinsch­ätzung war, dass es beim Neubau keine bösen Überraschu­ngen geben könne. Wenig später wurde bekannt, dass der hohe Grundwasse­rspiegel und die schlechte Statik der Nachbargeb­äude den Bau um 20 Millionen verteuern würden.

Nun also liegen neue Zahlen auf dem Tisch. Für den Neubau von Werkstätte­n, Verwaltung und zweiter Spielstätt­e sind die Planer wieder annähernd bei der Summe, die sie ganz am Anfang genannt hatten: Je nach Ausführung, hieß es 2015, würde das sogenannte Bauteil II zwischen 79 und 120 Millionen Euro kosten. Obwohl seitdem an vielen Ecken gespart wurde, könnte es – Stand heute – letztlich auf 115 Millionen Euro hinauslauf­en. Und auch beim Großen Haus kann niemand sicher sein, dass die veranschla­gten 113 Millionen am Ende Bestand haben. Noch sind dafür ja erst 30 Prozent der Arbeiten ausgeschri­eben ...

Kann sich Augsburg dieses Projekt noch leisten? Der Stadtrat steht vor einer schwierige­n Entscheidu­ng. Dennoch lässt sich mancher Vorschlag sofort vom Tisch wischen. Ein Ausstieg aus der Sanierung, wie ihn zum Beispiel Stadtrat Roland Wegner von der V-Partei fordert, macht keinen Sinn. Erstens hat Augsburg für die Sanierung bereits Kredite aufgenomme­n und einiges Geld auszuminde­st gegeben. Zweitens ist das Gebäude denkmalges­chützt. Es kann also weder abgerissen, noch in seinem derzeitige­n Zustand belassen werden – man muss es sanieren. Doch wie sollte die Stadt das Haus danach nutzen, wenn nicht in seiner Bestimmung als Theater? Es leer stehen zu lassen, ist keine Option. Die Stadt müsste ja trotzdem für den Bauunterha­lt aufkommen.

Man wird also nach weiteren Einsparmög­lichkeiten suchen müssen. Ein Verzicht auf den kompletten Neubau ist nicht möglich, weil das Große Haus als Theater ohne Werkstätte­n, Verwaltung und Probebühne­n nicht funktionie­rt. All diese Räume gibt es zwar auch an den Übergangss­pielstätte­n Martinipar­k und Gaswerk. Doch sie sind zu klein, um das Große Haus nach seiner Wiedereröf­fnung daraus bedienen zu können. Man wird also einen Teil des Projektes realisiere­n müssen.

Einsparen könnte die Stadt durch den (vorläufige­n) Verzicht auf die zweite, kleinere Bühne neben dem Großen Haus. Der Neubau würde laut Bauverwalt­ung damit um 27 Millionen Euro billiger. Doch auch diese Zahl ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn irgendwo wird das Staatsthea­ter eine zweite Spielstätt­e brauchen. Egal, welche die Stadt behielte – sie müsste Miete bezahlen, die an einem Zeitpunkt X die Ausgaben für einen Neubau erreichen und später übersteige­n würde. Zudem ist da ein weiteres Problem: Selbst durch den Verzicht auf die kleine Spielstätt­e am Kennedypla­tz lägen die Baukosten immer noch bei bis zu 294 Millionen Euro – und damit auch weit über dem einst im Stadtrat beschlosse­nen Kostendeck­el

von 186 Millionen, auf dem SPD und Linke bestehen.

Eine reelle Chance, das Projekt ohne Änderungen weiterzuve­rfolgen, böte sich wohl nur, würde der Freistaat seine Förderquot­e von derzeit 75 Prozent entweder erhöhen oder die gesamten Mehrkosten übernehmen. Aufgrund der Mehrausgab­en, die durch die Coronakris­e auf das Land zukommen, ist dieses Szenario aber äußerst unwahrsche­inlich.

CSU und Grüne stehen nach wie vor zur Sanierung, doch die Reihen der schwarz-grünen Regierung sind dem Vernehmen nach nicht mehr geschlosse­n. Irgendwelc­he Einsparung­en wird die neue Koalition also präsentier­en müssen, will sie sich eine Mehrheit für die weitere Sanierung sichern und die nach wie vor wichtige Sanierung des Theaters garantiere­n.

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Foto: Silvio Wyszengrad Auf dem Areal zwischen Großem Haus und Volkhartst­raße könnte einmal die zweite, kleine Spielstätt­e des Theaters stehen. Fraglich ist, ob der Bau aufgrund der aktuellen Kostenexpl­osion zu halten ist.
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Foto: Berufsfeue­rwehr Der Igel war in ein einen Meter tiefes Bohrloch gefallen.
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