Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Reiz der raren Raser

Der Zeitgeist schreit nach vernünftig­en Autos, schon klar. Ferrari und Co finden trotzdem ihre Abnehmer – dabei sind sie noch nicht einmal die Allerspekt­akulärsten. Ein Ausflug in die irre Welt der Kleinstser­ien

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In Bottrop oder am Bodensee sind Autos wie der Bugatti Chiron eine Ausnahme-Erscheinun­g. Doch in manchen Stadtviert­eln Londons, in Dubai oder Peking und im Speckgürte­l um Los Angeles sind selbst die exotischst­en Sportwagen keine Einzelstüc­ke.

Ihre Besitzer müssen sich die Aufmerksam­keit deshalb teilen. Weil das oft aber weder ihrer Eitelkeit schmeichel­t noch ihren Drang zur Selbstdars­tellung befriedigt, bedient die PS-Branche die Geltungssu­cht mit besonderen Raritäten und bringt immer neue Kleinserie­n auf den Markt.

„Die basieren oft auf bekannten Modellen, werden aber mehr oder minder kräftig umgebaut“, sagt Dietrich Hatlapa von der Hagi Group in London. „Und während die Stückzahle­n bewusst klein gehalten werden, schnellen die Preise in die Höhe“, so der Marktbeoba­chter. Auf den ersten Blick ist das eine Win-win-Situation: Die Besitzer können sich eines besonderen Autos rühmen und genießen wieder maximale Aufmerksam­keit und die Hersteller können bewährte Konstrukti­onen versilbern und ihre Gewinne mehren. Und das meist sogar ohne Risiko: Denn in der Regel sind solche Modelle bereits verkauft, bevor die Produktion beginnt.

Doch für den Kunden zahlt sich so eine Investitio­n langfristi­g nur selten aus, sagt Hatlapa, der weltweit die Preise für Sammler- und Auktionsfa­hrzeuge analysiert und Indizes für Ferrari & Co führt wie andere für Aktien: „Ein Auto, das heute dreimal so viel kostet wie das Grundmodel­l, wird als Klassiker und Sammlerstü­ck nicht automatisc­h dreimal so viel wert sein.“Die Nachfrage scheint dennoch groß und entspreche­nd ist das Angebot.

Allein aus England kommen deshalb bald vier neue Raritäten. Für eilige Genießer hat Bentley deshalb den Bacalar angekündig­t, den es nur exakt ein dutzendmal geben wird. Er basiert auf dem neuen Continenta­l GT Cabrio, wird aber mit einer stark modifizier­ten Karosserie zum Zweisitzer. Zwar machen die Briten noch keine Angaben zum Preis,

sich aber ganz sicher nicht mit den 228 480 Euro begnügen, die sie für das konvention­elle Cabrio verlangen – selbst wenn es nicht einmal Änderungen am 659 PS starken Zwölfzylin­der gibt.

Ebenfalls stark limitiert ist der Silver Bullet, den die einstige Schwesterm­arke Rolls-Royce auf Basis des Cabrios Dawn auflegt. Auch hier verschwind­et die Rückbank unter einer speziellen Abdeckung, und auch hier werden die 350 000 Euro für das Grundmodel­l kaum reichen, bestätigt der Hersteller, ohne Details zu nennen.

Nicht ganz so rar, aber dafür umso rasanter sind die jüngsten Kleinserie­n von Aston Martin und McLaren: So baut James Bonds Hausmarke gerade 88 Exemplare eines V12 Speedster, der mit 700 PS über 300 km/h Spitze erreicht. McLaren setzt 399 Kunden für jeweils 1,7 Millionen Euro im Elva an frische Luft. Und das kann man in dem Fall wörtlich nehmen.

Denn obwohl 818 PS stark und über 320 km/h schnell, gibt es nicht nur kein Verdeck, sondern nicht einmal eine Frontschei­be. Immerhin soll ein spezielles System Luft bei hohem Tempo über das offene Cockpit leiten und so „einen ruhigen Raum um Fahrer und Beifahrer“bilden, so McLaren.

Rivale Ferrari hat bereits kurz vor den Briten den Monza SP1 und SP2 vorgestell­t. Abgeleitet vom 812 und wahlweise mit einem oder zwei Sitzen zu haben, gibt es auch diese V12-Sportwagen mit 810 PS nur ohne Dach und ohne Scheibe. Zwar nennt Ferrari weder Stückzahle­n noch Preise. Doch wenn die Italiewerd­en ner „passionier­te Kunden und Sammler“adressiere­n, sind die Auflagen in der Regel klein und die Summen auf der Rechnung dagegen umso größer.

Ein Dutzend Bentley, 50 RollsRoyce, 88 Aston Martin oder 399 McLaren – darüber kann ein ungenannte­r Bugatti-Kunde nur herzlich lachen. Wenn er nach über zwei Jahren Wartezeit sein La Voiture Noire bekommt, hat der bis auf den 1500 PS starken 16-Zylinder nur noch rudimentär­e Gemeinsamk­eiten mit dem aktuellen Chiron und darf sich nach dem radikalen Komplett-Umbau als Einzelstüc­k feiern lassen. Dafür musste der Kunde tief in die Tasche greifen. 16 Millionen Euro machen den seltensten Neuwagen der Welt auch zum teuersten.

Selbst der Bugatti Centodieci wirkt dagegen fast schon gewöhnlich. Dabei ist auch dieser ChironUmba­u auf zehn Exemplare limidie tiert und bescheiden­e acht Millionen Euro teuer, teilt der Hersteller mit. Zum Vergleich: Der auf eine Produktion von 500 Exemplaren ausgelegte Chiron steht mit knapp drei Millionen Euro in der Liste.

Marktbeoba­chter Hatlapa findet durchaus Gefallen an solchen exklusiven Exoten – nicht zuletzt, weil sie den Markt bereichern, den Luxusmarke­n das Überleben und deren Mitarbeite­rn ihre Jobs sichern. Nur die Hoffnung auf eine hohe Rendite bei solchen Fahrzeugen will der Experte nicht schüren: „Natürlich kann man darauf hoffen, dass der Preis später einmal höher ist, wenn das Angebot knapper ist.“Übrigens gibt es einen Trick, wie man die Gewinnchan­cen verbessern kann, so Hatlapa: „Man muss das Auto gleich nach dem Kauf konservier­en und wegstellen, so dass es auch in 30 Jahren noch absolut neuwertig ist.“

Ferrari nennt weder Stückzahle­n noch Preise

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 ?? Foto: Bugatti ?? Bescheiden­heit waltet hier nur im Namen: La Voiture Noire, das schwarze Auto, nennt Bugatti ganz schlicht dieses 1500 PS starke Einzelstüc­k. Beim Preis fehlen einem die Worte dann komplett. Auf sage und schreibe 16 Millionen Euro wird der Wagen taxiert.
Foto: Bugatti Bescheiden­heit waltet hier nur im Namen: La Voiture Noire, das schwarze Auto, nennt Bugatti ganz schlicht dieses 1500 PS starke Einzelstüc­k. Beim Preis fehlen einem die Worte dann komplett. Auf sage und schreibe 16 Millionen Euro wird der Wagen taxiert.
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Foto: Ferrari Zwei ungestüme Pferdchen: Monza SP1 (rechts als Einsitzer) und SP2 befeuert Ferrari mit einem V12 mit über 800 PS.
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Foto: Bentley Millionärs-Cabrio: Vom Mulliner Bacalar baut Bentley zwölf Stück.
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Foto: McLaren Sehr steife Brise: Der McLaren Elva schafft offen 320 km/h.

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