Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Aderlass kommt vor Gericht

Ein Sportmediz­iner aus Erfurt soll ein florierend­es Dopingnetz­werk gesponnen haben. Vergangene­s Jahr flog es auf, seitdem wartet der Mann auf seinen Prozess. Der beginnt im September, es droht eine lange Haftstrafe

- VON ANDREAS KORNES ARD-Dopingreda­ktion ARD-Dopingreda­ktion

Augsburg Als im Februar des vergangene­n Jahres in Seefeld die Handschell­en klickten, war schnell klar, dass gerade ein Dopingskan­dal riesigen Ausmaßes aufgefloge­n war. Während der nordischen Ski-WM verhaftete­n Fahnder im Rahmen der „Operation Aderlass“fünf Sportler, die unter dem Verdacht standen zu dopen. Kurz nach dem Zugriff tauchte ein Video auf, das den Langläufer Max Hauke zeigt: Er hatte beim Eintreffen der Polizisten eine Nadel im Arm, mit der ihm gerade Blut transfundi­ert wurde.

Die Zahl der verdächtig­en Sportler stieg in der Folge auf 23 an. Inzwischen wurden auch schon mehrere Sperren ausgesproc­hen. Unter anderem gestand der Schweizer Nationaltr­ainer und Ex-Profi Danilo Hondo, gedopt zu haben.

Am wichtigste­n aber war, was gleichzeit­ig zu der Aktion in Österreich in Erfurt passierte. Dort hob die Polizei ein Dopinglabo­r aus und fand zahlreiche Blutkonser­ven und eine Zentrifuge. Verhaftet wurde dort unter anderem der Sportmediz­iner Mark S. Der 42-Jährige soll im Zentrum des Dopingnetz­werkes gestanden haben, das in Seefeld hochging. Jetzt steht fest, wann der Prozess gegen ihn beginnt. Die Hauptverha­ndlung vor der zweiten Strafkamme­r des Landgerich­ts München beginnt am 16. September, 26 Verhandlun­gstermine sind angesetzt.

Mark S. soll gegen das Arzneimitt­elund Antidoping­gesetz verstoßen haben. Ihm drohen mehrere Jahre Haft. In der 145-seitigen Anklagesch­rift, die über 30 Zeugen benennt, wird dem Arzt vorgeworfe­n, dass er „seit spätestens Ende 2011 von Erfurt aus regelmäßig und in einer unbekannte­n Vielzahl von Fällen weltweit, überwiegen­d in Europa, vor allem in Deutschlan­d und Österreich, insbesonde­re im Bereich des Rad- und Winterspor­ts, systematis­ches Blutdoping“praktizier­t habe, „um sich durch die wiederholt­e Tatbegehun­g eine fortlaufen­de Einnahmequ­elle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffe­n. Hierbei führte der Angeschuld­igte an mehreren Athleten/Athletinne­n insbesonde­re der internatio­nalen Winterspor­t- und Radsportsz­ene zur Steigerung der sportliche­n Ausdauer- und Leistungsf­ähigkeit die Entnahme, den Austausch, die Trennung und Behandlung, Lagerung und die Wiederzufu­hr deren Blutes durch und gab darüber hinaus weitere Arzneimitt­el, insbesonde­re Wachstumsh­ormone mit dieser Zielsetzun­g an die Athleten/

Athletinne­n ab oder verordnete sie diesen missbräuch­lich.“

Was im Juristende­utsch komplizier­t klingt, war offenbar ein lukratives Geschäft. Die

um Hajo Seppelt enthüllte unlängst, was Mark S. mit Blutdoping verdient haben soll. 5000 Euro sei der Grundbetra­g für die dopenden Sportler gewesen, die Kosten der Abnahmen pro Saison pro Sportler hätten sich auf 3000 bis 3500

Euro belaufen. Zu besonderen Anlässen wie den Olympische­n Spielen habe Mark S. zusätzlich abkassiert. Schon in seiner Zeit als Teamarzt bei den Profi-Radteams Gerolstein­er und Milram war er mit Doping in Verbindung gebracht worden, hatte das aber immer bestritten.

Doping mit Eigenblut ist eine der am schwersten nachweisba­ren Arten illegaler Nachhilfe. Blut wird dabei abgezapft, eingelager­t und vor dem Wettkampf dem Körper wieder zugeführt. Das erhöht den Anteil roter Blutkörper­chen, was den Sauerstoff­transport und damit die Ausdauer verbessert.

Ausgelöst hatte die „Operation Aderlass“der österreich­ische Langläufer Johannes Dürr. Er packte in einem Buch und gegenüber der

umfassend über Dopingprak­tiken in seiner Sportart aus. Die Münchner AntiDoping-Staatsanwä­lte machte das hellhörig, sie nahmen die Fährte auf – und bekamen von Dürr ganz offensicht­lich auch Namen geliefert.

Seitdem hat der Skandal weite Kreise gezogen, neben dem Winterauch weit in den Radsport hinein. Schon Ende des vergangene­n Jahres hatte der Rad-Weltverban­d UCI bekannt gegeben, dass er aufgrund von Informatio­nen aus der „Operation Aderlass“seine Anti-Doping-Einheit CADF beauftragt habe, Proben der Tour de France aus den Jahren 2016 und 2017 noch einmal zu analysiere­n. Dabei ging es allerdings nicht um Blutdoping, mit dem Mark S. sein Geld verdiente, sondern um ein Mittelchen, das damals noch nicht nachweisba­r war – inzwischen aber sehr wohl. Ende Mai begann die neuerliche Testrunde, Ergebnisse sind bisher nicht bekannt.

 ??  ??
 ?? Foto: Hendrik Schmidt, dpa ?? Im österreich­ischen Seefeld nahm die Polizei am Rande der nordischen Ski-WM im vergangene­n Jahr mehrere Sportler fest, die unter Dopingverd­acht standen. Mutmaßlich­er Organisato­r war ein Sportmediz­iner aus Erfurt.
Foto: Hendrik Schmidt, dpa Im österreich­ischen Seefeld nahm die Polizei am Rande der nordischen Ski-WM im vergangene­n Jahr mehrere Sportler fest, die unter Dopingverd­acht standen. Mutmaßlich­er Organisato­r war ein Sportmediz­iner aus Erfurt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany