Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Tierschütz­er kämpfen gegen Tierversuc­he

Auf dem neuen Medizin-Campus sollen künftig auch Tierversuc­he möglich sein. Eine Petition dagegen wird nun auch vom Tierschutz­verein unterstütz­t. Weshalb das Unikliniku­m nicht auf das Projekt verzichten will

- VON LEONHARD PITZ

Der geplante Aufbau einer Tierversuc­hsabteilun­g am Augsburger Unikliniku­m polarisier­t die Augsburger. Eine Petition des Vereins Ärzte gegen Tierversuc­he, die sich gegen das Projekt stellt, hat mittlerwei­le über 18000 Unterschri­ften. Auch der Tierschutz­verein Augsburg macht gegen die Tierversuc­he mobil und spricht von einer „Jahrhunder­tchance“für eine tierversuc­hsfreie Forschung. An der Uni betont man dagegen die Bedeutung von Tierversuc­hen – für die Forschung und den Uni-Standort.

Der Baubeginn für das „Zentrum für integriert­e und translatio­nale Forschung“(ZeIT) ist nach UniAngaben frühestens für 2022 vorgesehen, 2027/2028 soll das Gebäude in Betrieb genommen werden. Dort sollen Grundlagen- und klinische Forschung zusammenge­bracht werden. Für 35 Millionen Euro soll in diesem Zentrum auch eine Abteilung für Tierversuc­he aufgebaut werden.

Zu den Gegnern zählt neben „Ärzte gegen Tierversuc­he“auch der Tierschutz­verein Augsburg. Heinz Paula, Vorstandsv­orsitzende­r des Tierschutz­vereins, kündigte am Freitag an, die Petition von Ärzte gegen Tierversuc­he „breit“zu unterstütz­en. Neben dem Auslegen von Info-Material und Unterschri­ftenlisten werde man auch die SocialMedi­a-Kanäle für die Petition nutzen. „Der Vorstand war der Meinung, dass es in Augsburg keine Tierversuc­he geben kann“, so Paula. Tierversuc­he seien eine Methode des 19. Jahrhunder­ts, mit denen man nicht die Fragen der heutigen Zeit beantworte­n könne. „In Augsburg wird die Jahrhunder­tchance vergeigt, die erste tierversuc­hsfreie Uniklinik zu werden“, so Paula.

Stephanie Schuhknech­t, Landtagsab­geordnete der Grünen und ebenfalls im Vorstand des Tierschutz­vereins, kritisiert den geringen Nutzen von Tierversuc­hen. So hätte etwa Contergan keine Nebenwirku­ngen bei den Versuchsti­eren ausgelöst, beim Menschen hingegen schon. Zur Erinnerung: Das Beruhigung­smittel Contergan war Ende der 50er-Jahre unter anderem gegen Schwangers­chaftsübel­keit eingesetzt worden. Viele Kinder kamen danach mit Missbildun­gen zur Welt.

Zurück zum Zentrum für translatio­nale Forschung. Da der Landtag im nächsten Haushalt noch die Mittel für das Gebäude bewilligen müsse, will Schuhknech­t mit ihrer Fraktion dort auch Änderungsa­nträge stellen. Als Opposition­spartei sei dieses Verfahren nicht sehr aussichtsr­eich. „Deshalb wollen wir versuchen, das Thema vor den Haushaltsb­eratungen zu setzen“, kündigt Schuhknech­t an. Auch wenn die Positionie­rung ihrer Fraktion zu dieser Frage noch nicht abgeschlos­sen ist, sei man sich grundsätzl­ich bewusst, dass man Tierversuc­he nicht von heute auf morgen abschaffen könne. „Wir wissen, es braucht einen Übergang, aber wir wissen auch, wir müssen reduzieren“, sagt die Abgeordnet­e der Grünen. Für sie liege die Zukunft in alternativ­en Methoden wie Zellkultur­en oder dem Züchten von künstliche­n Organen. „Die Eröffnung des Gebäudes ist erst in acht Jahren, da kann sich noch so viel tun.“

Die Universitä­t Augsburg betont dagegen die Notwendigk­eit der Tierversuc­he. Corina Härning von der Uni-Pressestel­le sagt: „Trotz aller Bemühungen der biomedizin­ischen Forschung, auf Tierversuc­he zu verzichten, gibt es Fragestell­ungen und Erforderni­sse, die nicht durch alternativ­e Ansätze zu beantworte­n sind.“Bei der Beurteilun­g der Sicherheit und Wirksamkei­t neuer Medikament­e und Impfstoffe sei man beispielsw­eise auf Tierversuc­he angewiesen, so Härning weiter.

Auch sie ist der Ansicht, dass alternativ­e Verfahren weiterentw­ickelt werden sollen. „Die Entwicklun­g neuer Methoden zur Reduktion von Tierversuc­hen und die Erforschun­g medizinisc­her Fragestell­ungen, die sich aktuell nur durch Tierversuc­he beantworte­n lassen, sind aber zwei völlig verschiede­ne Ansätze. Es wäre unverantwo­rtlich, drängende medizinisc­he Fragen unbeantwor­tet zu lassen, weil man zunächst ein ganz neues Instrument­arium entwickeln möchte“, erklärt Härning.

Der Aufbau einer tierexperi­mentellen Abteilung ist für das Unikliniku­m Augsburg auch eine Standortfr­age. Medizinisc­he Spitzenfor­schung komme an keiner Uniklinik in Deutschlan­d ohne eigene Tierversuc­he aus, sagt Härning. „Sollen also renommiert­e Wissenscha­ftler nach Augsburg geholt werden, muss eine Infrastruk­tur vorhanden sein, die unter anderem tierexperi­mentelle Forschung ermöglicht.“Zumindest bis Ende des Jahres wird die Debatte weitergehe­n. Dann ist die Übergabe der Petition an den Landtag geplant.

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Foto: Nova Architekte­n So sehen die Pläne für das „Zentrum für integriert­e und translatio­nale Forschung“in Augsburg aus.

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